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3.4
Forschungsstrategie Fallstudie
Die in den bisherigen Kapiteln ausgeführten Überlegungen bezüglich der identifizierten
Forschungslücke, der Hypothesen und der in Aussicht genommenen Erhebungsmethoden haben bereits zu
einer wichtigen Entscheidung hinsichtlich der gewählten Forschungsstrategie geführt. Nach dem Motto
„Think small but drill deep“ (Thomas 2015), wird ein Fall mit unterschiedlichen Methoden aus
unterschiedlichen Richtungen bearbeitet. Somit wird die Komplexität des Sachverhalts aufgrund der
verschiedenen Datenquellen und Akteursperspektiven für ein besseres Verständnis aufbereitet.
Die Fallstudienforschung steht oft in der Kritik, nicht ausreichend wissenschaftlich zu sein, wie
FLYVBJERG B. (2004) in seinem Artikel „Five misunderstandings about case-study research“ analysiert
(Textfeld 6). Er hebt hervor, dass es zwischen quantitativen und qualitativen Methoden keineswegs um eine
Entweder-Oder-Entscheidung gehen muss, sondern dass die Wissenschaft beide methodische Verfahren
braucht: „Good social science is problem-driven and not methodolgy-driven“ (Flyvbjerg 2004).
Im Fall des vorliegenden Forschungsvorhabens geht es darum, Zusammenhänge zwischen
wissenschaftlich abgesicherten Konzepte und deren Umsetzungsoptionen im Kontext schulischen Lernens
darzustellen. Wechselwirkungen zwischen menschlichen Handlungen (Lehrer/innen und Schüler/innen),
Lernräumen und der Organisation schulischen Lernens sind sehr komplex und müssen deshalb sehr
detailliert studiert werden. Mit quantitativen Verfahren kann natürlich eine größere Menge an Daten
erhoben werden. Kausale Verknüpfungen, wie sie im Alltag passieren, werden jedoch nicht oder nur
oberflächlich berücksichtigt (Mayring 2015, S. 19).
Es spricht deshalb auch nichts dagegen, dass die aus den Fallstudien gewonnenen Erkenntnisse
quantitativ erhobenen Daten und Fakten gegenübergestellt werden, wie beispielsweise der HATTIE Studie
„Visible Learning“ (2009).
Die Analyse von FLYVBJERG B. (2004) verdeutlicht, dass den Erkenntnissen im Rahmen einer
Fallstudienforschung sehr wohl entsprechendes Augenmerk geschenkt werden soll, wenn es um die
Abbildung einer spezifischen Wirklichkeit geht. Der Autor sieht in der Fallstudie vor allem den Vorteil der
intensiven Praxisnähe und die sich daraus ergebende Möglichkeit für Rückschlüsse auf Theorien (vgl.
misunderstanding no. 1). Hinsichtlich des Vorwurfs, dass man auf Basis einer Fallstudie keine
Verallgemeinerungen vornehmen könne und diese „nur“ als Hypothesengenerator für weiterführende
quantitative Erhebungen diene (vgl. misunderstanding no.2-3), verweist er unter anderem auf Galileo und
Karl Popper. Beide haben basierend auf Einzelfällen Theorien widerlegt und durch eine allgemein
anerkannte Erkenntnis ersetzt. Galileo widerlegte die Bewegungslehre von Aristoteles und Karl Popper
verdeutlichte, dass es nur einen schwarzen Schwan, also einen Einzelfall braucht, um die Theorie zu
widerlegen, dass alle Schwäne weiß sind. Ob sich eine Theorie bestätigen oder widerlegen lässt, hängt also
nicht von der Quantität der Belege ab. Hier verweist der Autor auf die besondere Rolle des sogenannten
Do'stlaringiz bilan baham: