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SCHULZEITMODELL OBERSTUFE
V8: „Bei der organisatorischen Ebene, suchen wir nach Möglichkeiten. Die Lehrer können
Doppelstunden haben und es gibt ein sogenanntes Schulzeitmodell in der Oberstufe, das
können die Lehrer freiwillig wählen. Da ist jetzt an einem Tag, ich nehme jetzt eine Klasse
her, eine sechste Klasse hat am Mittwoch zwei Stunden Französisch oder Latein, wenn sie
gekoppelt sind. Dann zwei Stunden Bildnerische Erziehung und dann zwei Stunden
Geographie und Wirtschaftskunde. Die Lehrer die in diesen insgesamt sechs Stunden
unterrichten, haben an diesem Tag keine andere Klasse, keine andere Stunde und können sich
jetzt ausmachen, ich mache jetzt in bildnerische Erziehung ein großes Projekt, oder einen
Lehrausgang und bin den ganzen Tag weg. Das heißt Bildnerische Erziehung ist nicht da.
Französisch, Latein und Geographie finden nicht statt. Dafür kriegen die an einem anderen
Tag in der Woche die Stunden wieder zurück, weil dann macht Geographie und
Wirtschaftskunde ein Projekt. Wir haben das Modell in den sechsten und siebten Klassen,
maximal zwei Tage pro Woche, weil sonst wird es organisatorisch unmöglich.“ (V8_Ö_2.2
#00:17:19#)
Die unterschiedlichen Aussagen der Schüler/innen und Lehrer/innen zeigen, dass die zeitliche
Strukturierung ein wichtiges Thema für die Gestaltung schulischer Lehr-/Lernprozesse ist.
Hinsichtlich der Umsetzung individualisierter Lehr-/Lernprozesse gibt es in Bezug auf die zeitlichen
Organisationsstrukturen interessante Fragestellungen, die für eine vertiefende Untersuchung lohnenswert
sein können. Zum einen stellt sich die Frage, wie mit den unterschiedlichen Lerntempi der Schüler/innen
umgegangen werden kann, zum anderen brauchen Instruktionsphasen einen anderen zeitlichen Rahmen als
Phasen für Gruppenarbeit oder für selbstständiges Arbeiten. Das heißt, es geht nicht darum, zeitliche
Strukturen völlig aufzulösen, sondern zeitliche
Strukturen zu flexibilisieren, um gewisse Spielräume zu
ermöglichen. Wichtig in diesem Kontext ist, dass von den didaktischen Konzepten die zeitlichen Strukturen
abgeleitet werden und nicht umgekehrt. Im Fall des Wiener Gymnasiums können didaktische Konzepte
und die damit verbundenen Lehr-/Lernprozesse nur an 50-Minuten-Einheiten angepasst werden. In diesem
Zusammenhang gilt es auch, die Verteilung und Konstellation der Unterrichtsfächer innerhalb eines
Schultages zu berücksichtigen, wie in Punkt 9.5 „Curriculare Organisationsstrukturen“ genauer beschrieben
wird.
9.4
Personelle Organisation
Der Schule wird von den vielfach betriebswirtschaftlich ausgerichteten
Organisationstheorien eine
Sonderstellung zugeschrieben. Sie unterscheidet sich „von rein marktwirtschaftlichen Organisationen,
indem sie einen öffentlichen Auftrag zu erfüllen“ (Plake 2010, S. 53) hat. Das heißt, die Schüler/innen sind
nicht als Kund/innen zu betrachten, sondern als Teilnehmer/innen der Organisation. Deshalb könnten
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neben den Lehrer/innen auch die Schüler/innen hinsichtlich personeller Entscheidungsstrukturen in dieser
Kategorie berücksichtigt werden.
PLAKE (2010) erläutert seine Annahme anhand des Beispiels, dass „Lernprodukte“ in Kooperation
zwischen Lehrer/innen und Schüler/innen hergestellt werden und Schüler/innen somit auch als
Produzent/innen eingestuft werden können. Zudem ergänzt er, dass Kund/innen immer auch eine
Dienstleistung beziehen, weil sie sich einen bestimmten Nutzen erwarten. Aufgrund der Schulpflicht muss
sich der Nutzen der „Dienstleistung Bildung“ für die Schüler/innen nicht unmittelbar erschließen,
da sie
eben eine Pflicht ist (Plake 2010, S. 54).
Von dieser rein produktionstechnischen Betrachtungsweise wird im Rahmen dieser Arbeit Abstand
genommen. Es wird der Standpunkt vertreten, dass den Kriterien für die Einteilung von Schüler/innen in
bestimmte Lerngruppen ein pädagogisch-didaktisch motiviertes Konzept zu Grunde liegt
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. Deshalb werden
jene Strukturen, die in diesem Fall die Schüler/innen betreffen, innerhalb der Organisationsstrukturen unter
der Kategorie pädagogisch-didaktisch geführt.
In den Interviews konnten hinsichtlich der personellen Strukturen fallspezifische
Unterschiede
identifiziert werden. Interessant waren vor allem die Unterschiede zwischen den beiden Fallstudien in Bezug
auf die Gestaltung der Arbeitsteilung. In den SBW Häusern des Lernens stehen den Lehrer/innen zur
Unterstützung Praktikant/innen zur Verfügung, die meistens Pädagogik studieren oder nach der Matura ein
Zwischenjahr zur weiteren Ausbildung einlegen. Sie führen kleinere Korrekturarbeiten durch, organisieren
für die Schüler/innen individuelle Prüfungstermine und helfen bei der Zusammenstellung und Konzeption
von Unterrichtsmaterialien.
PRAKTIKANT/INNEN ALS UNTERSTÜTZUNG
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