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gelernt, dass das Gefühl, wenn ich mir etwas vornehme und kurz davor Angst habe und das
dann überwinde, dass ich das Gefühl danach gern mag.“
Den Jugendlichen ist es wichtig
,
sich selbst immer neu herauszufordern
und so eigene
Souveränität
zu erleben. Semler (1994) bezeichnet Risikosportler als keineswegs
todessehnsüchtig, sondern unterstreicht, dass sich die Sportler durchaus der Gefährdung
bewusst sind und auf diese ganz normal mit Angst reagieren. Auch dies kann durch die
zahlreichen Aussagen untermauert werden. Vielmehr sollte das bewusste Eingehen von
Risiken als Versuch gesehen werden, sich Handlungsstrategien anzueignen, die auf den Alltag
übertragbar sind. Das Aufsuchen seiner eigenen Grenzen
hat nach Semler auch eine
identitätsstiftende Funktion inne. „Erst durch das Aufsuchen der eigenen Grenzen erfährt man
wirklich wer man ist.“ (Semler, 1994, S. 170).
Zudem sind Risikosportler als wachstumsorientierte Individuen zu verstehen, die nicht nach
Gewohnheit streben, sondern unbekannte Erfahrungsräume aufsuchen, um sich so
weiterzuentwickeln. Die Allgegenwärtigkeit des Risikos und die Möglichkeit des Scheiterns
vermittelt den Jugendlichen ein Gefühl der Stärke und der Mächtigkeit, erzeugt Gefühlte der
Handlungswirksamkeit und Lebendigkeit (Bette, 2004). Dabei geht es vor allem darum,
risikoreiche Situationen aufzusuchen und dabei handlungsfähig zu bleiben und diese unter
Kontrolle zu haben. Es geht also nicht um das bloße Risiko an sich.
i.
Funktionen von Risiko
Das Risikoverhalten wird auf der Mesoebene durch
das belastungstheoretische
Sozialisationsmodell und auf Basis der produktiven Realitätsverarbeitung erklärt. Nach diesem
Modell resultiert jugendliches Risikoverhalten aus dem Zusammenwirken von psychosozialen
Belastungen und unzureichenden Kompensationsressourcen (Raithel, 2011). Gerade diese
Kompetenzen zum Bewältigen von Belastungen könnten, so Ellis et al. (2011), durch riskantes
Verhalten jedoch erlangt werden.
Die vielleicht wichtigste und am meisten unterschätzte Funktion
von riskanten
Verhaltensweisen ist, dass es Jugendlichen einfach Spaß bereitet
,
sich in ungewohnte
Situation
en
zu bringen (Quensel, 200, S. 29).
79
Des
Weiteren haben Jugendliche durch das Eingehen von Risiken eine größere Chance, in
Gruppen von Gleichaltrigen aufgenommen zu werden und vergrößern
ihren Freundeskreis
stärker als Jugendliche, die sehr zurückhaltend sind. Dies konnte zumindest im Hinblick auf
den legalen Substanzkonsum nachgewiesen werden (Silbereisen, 2007, S. 62; Raithel 2004, S.
61). Ob diese Ergebnisse auch auf den Risikosport übertragbar sind, kann nicht zweifellos
bestätigt werden. Da sich jedoch eine sehr starke Gemeinschaft zwischen den Freeridern
erkennen lässt, liegt die Vermutung nahe, dass auch hier über Risikoverhalten Anerkennung
und eine Identifizierung über die Gruppe stattfindet.
Eine Studie aus 2013 führte ein Experiment mit Ratten durch, um die Folgen sozialer
Ausgliederung zu untersuchen. Ratten, die in der frühen Adoleszenz isoliert wurden, wiesen
eine erhöhte synaptische Plastizität und Reizsensibilität
in Gehirnarealen auf, die in
Verbindung mit Suchtverhalten gebracht werden. Auch wenn diese Ratten später wieder in
den sozialen Kontext inkludiert wurden, konnten diese neuronalen Veränderungen nicht
rückgängig gemacht werden. Diese Ergebnisse suggerieren, dass besonders die frühe
Adoleszenz eine sensitive Periode für soziale Signale ist und dass soziale Isolation besonders
in dieser Zeitspanne schwerwiegende neuronale Veränderungen zur Folge haben kann, die in
einer höheren Anfälligkeit für Suchtverhalten resultieren (Whitetaker et al. 2013).
Soziale
Ausgliederung in der Adoleszenz erhöht die Wahrscheinlichkeit, an psychischen Krankheiten
,
wie zum Beispiel Depressionen, zu erkranken (Perlman et al. 2007; Leussis & Andersen, 2008).
Da diese Studie bei Tieren durchgeführt
wurde, ist eine Übertragung auf menschliches
Verhalten nicht vollständig möglich. Wenn soziale Ausgliederung jedoch solch gravierende
Folgen nach sich ziehen kann, sollten Mechanismen und Verhaltensweisen,
die die Peer-
Inklusion fordern, generell als adaptiv angesehen werden.
Ein weiterer wichtiger Vorteil in diesem Zusammenhang ist die Möglichkeit, sich innerhalb
einer Zeit des Wandels und erhöhter Anforderungen mit einer jugendlichen Subkultur zu
identifizieren, um so Stabilität und Kontinuität zu erfahren. Denn wer innerhalb einer Gruppe
zusammen mit anderen ein gemeinsames Verhalten ausübt, fühlt sich stark und in seinem Tun
bestätigt. Jugendliche bilden so ihr Selbstkonzept und lernen, sich selbst darzustellen. In
diesem Kontext spielen auch Mutproben oder das angesprochene
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