Bereiche. Viele weitere Entscheidungen tragen, in bester Absicht getroffen, zum Ruin
der Firma und zum Niedergang der Familie bei. Sei es Thomas Buddenbrooks
Am Beispiel der Buddenbrookschen Heiratspolitik läßt sich zudem sehr gut zeigen, daß "das
aber auch der Figurant im fremden Drama ist." (S,VII,242). Die jeweils gewählten Ehepartner helfen,
das bereits festgelegte Schicksal der Buddenbrooks zu erfüllen. Jedes Mitglied der Familie wählt
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ihn auf dessen Namen tauft.
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Nicht genug mit dieser Bürde: "Justus, Johann, Kaspar"
(M,I,399) - auf diese drei Namen wird er getauft. "Trugen
alle Buddenbrooks bislang
nur einen Vornamen, häuft man auf den endlich erhaltenen Stammhalter mit den Namen
gleichsam die Erwartungen und künftigen Ansprüche, denen Hanno sich aber entziehen
wird."
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Dafür wird Gerda sorgen, die auch den Rufnamen "Hanno" durchsetzt. "Die
kraftvollen Taufnamen im Vergleich zum Rufnamen veranschaulichen die Diskrepanz
zwischen Erwartetem von seiten der Buddenbrooks und wirklichem Wesen des
sensitiven Spätlings".
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Der Versuch, durch die Wahl des Vornamens auf das Schicksal einzuwirken und mit
der Wahl eines traditionsreichen Namens wieder glücklichere Zeiten
heraufzubeschwören, wird in Buddenbrooks mehrfach unternommen. Dies wird jedoch
meist nur beiläufig erwähnt - und ist immer so vergeblich wie im Fall Hannos. Es war in
Kaufmannsfamilien durchaus üblich, den ersten männlichen Nachkommen nach dem
Vater zu benennen. Der Vorname "Johann", den schon der Gründer der Firma
Buddenbrook getragen hatte,
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ging zuerst auf seinen Sohn und dann wieder auf den
nächsten über. Doch Johann Buddenbrook d. J. wird - auch vom Erzähler - fast immer
"Jean" genannt. Er ist zugleich auch der erste Nachkomme, dessen Geschäftssinn
teilweise mit seinen religiösen Neigungen kollidiert - kein Johann Buddenbrook im alten
Sinne.
Tonys Taufname "Antonie" soll eine Reverenz an die alte Madame Antoinette
Buddenbrook, geborene Duchamps, sein. Doch im Gegensatz zu der bescheidenen und
schlichten Antoinette, die völlig ohne Allüren ist, ist bei Tony das von mütterlicher Seite
her vererbte Bedürfnis nach Vornehmheit und Luxus stark ausgeprägt - das ihr nicht
zuletzt zum Verhängnis wird. Das erste Argument, das ihr Grünlich als künftigen Gemahl
fast wünschenswert erscheinen läßt, geht auf die Rechnung dieser Neigung: "'Du kämest
nach Hamburg in ausgezeichnete Verhältnisse und würdest auf großem Fuße leben...'
Tony saß bewegungslos. Etwas wie seidene Portieren tauchte plötzlich vor ihr auf (...).
Ob sie als Madame Grünlich wohl morgens Schokolade trinken würde?" (M,I,106f.).
Von Anfang an wird sie, sogar vom Erzähler, meistens "Tony" genannt, nicht "Antonie".
Wie bei Hanno und Jean setzt sich auch bei Tony ein anderer Rufname durch als der
Taufname, wodurch deutlich wird, daß der Versuch, durch Namensgebung auf das
Schicksal Einfluß zu nehmen, nicht gelingt. Tony zeigt keine Ähnlichkeit mit ihrer
90
Vgl. Michael Zeller: Väter und Söhne bei Thomas Mann. Der Generationsschritt als
geschichtlicher Prozeß, Bonn 1974, S.146f.
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Doris Rümmele: Mikrokosmos im Wort. Zur Ästhetik der Namensgebung bei Thomas Mann, Diss.
Bamberg 1969, S.37
92
Rümmele: Mikrokosmos, S.37f.
93
Vgl. Ken Moulden: Der Stammbaum der Buddenbrooks, in: Ders., von Wilpert (Hrsg.):
Buddenbrooks-Handbuch, S.27
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Großmutter Antoinette, Jean ist kein tatkräftiger Johann Buddenbrook, noch weniger
Hanno.
Erika Weinschenks Tochter heißt,
wie Tonys Mutter, Elisabeth. Sie wird ihrer
Urgroßmutter kaum ähnlich werden können, da die finanziellen Mittel, die Bethsys
elegante Erscheinung ermöglichten, am Ende fast verbraucht sind. Jedoch stehen
ohnehin alle zur Familie Buddenbrook gehörenden Personen im Bann ihres
schicksalshaften Nachnamens.
Nach Thomas Manns eigenen Angaben hat sein Bruder Heinrich ihn darauf
gebracht, "als ich nach einem irgendwie plattdeutschen und dabei seriösen Namen
suchte. 'brook' ist offenbar 'Bruch', und 'Budden-brook' bedeutet ein 'niedriges', flaches
Moorland."
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Diese Bedeutung des Namens ist nicht unwichtig. Thomas
Mann weist explizit im
Roman selbst darauf hin, als er das Familienwappen der Buddenbrooks beschreibt: Auf
dem "melancholischen Wappenschilde" sei "ein flaches Moorland mit einer einsamen
und nackten Weide am Ufer" zu sehen (M,I,76, Hervorhebungen v. d. V.). Dieses
Wappen, in Zusammenwirkung mit dem Namen und seiner Bedeutung, illustriert
sinnreich den Untertitel der Buddenbrooks: Verfall einer Familie. In der sumpfigen,
modrigen Moorlandschaft darauf ist der Untergang der Familie schon angedeutet.
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