Als Jean die Gäste bis an die Haustür geleitet, werden die Öllampen, die über der
leise ein Motiv aus dem Revolutions-Kapitel angeschlagen - dort wird Jean seinem
Ärger über die Lübecker "Revolution" anläßlich des Verstoßes gegen die Ordnung, den
das Unterlassen des Lampenanzündens für ihn darstellt, Luft machen.
kurz darauf das Zeitliche zu segnen (M,I,194ff.), und als Jean seine Gäste verabschiedet
hat und ins Haus zurückkehrt, hat er eine kurze Unterredung mit der Köchin Trina
Vgl. M,I,192
28
(M,I,44), die anläßlich der Revolution so umstürzlerische Ansichten vertreten wird, daß
man ihr kündigt.
64
Hier werden also dicht hintereinander Personen und Gegenstände erwähnt,
die im
Revolutions-Kapitel eine wichtige Rolle spielen.
Die Stimmung dieser Abschiedsszene ist trostlos und düster, die Lampen flackern,
"feuchtes Gras sproß zwischen dem schlechten Pflaster", alles ist in "Schatten,
Dunkelheit und Regen" gehüllt (M,I,43f.).
65
Jean wirkt hier - wie schon mehrfach vorher
in einzelnen Momenten des Abends - einsam, isoliert und auf sich selbst
zurückgeworfen. Lange horcht er noch auf die Schritte, die "in den menschenleeren,
nassen und mattbeleuchteten Straßen verhallten" (M,I,44). Ausgerechnet in diesem
traurigen Augenblick fällt sein Blick auf das "Dominus providebit" über der Haustür.
Über Jeans Gefühle und Gedanken bei diesem Anblick erfährt der Leser nichts,
66
und
doch legt die Situation es nahe, daß er angesichts der trüben
Stimmung und der
unangenehmen, noch ausstehenden Aussprache mit seinem Vater voller Sorge ist.
Inwieweit er das Gottvertrauen, das der Spruch über der Haustür ausdrückt, teilt, ist -
wenn Jean sich auch später oft auf Gottes Willen beruft - in seiner skeptisch-
pessimistischen Äußerung über die Notwendigkeit des Niedergangs der Ratenkamps
deutlich geworden.
Jedoch läßt sich der Spruch nicht nur als Ausdruck eines ungebrochenen, naiv-
gläubigen Gottvertrauens lesen ("Der Herr wird vorsorgen"). Man kann ihn auch
übersetzen als "Der Herr wird voraussehen". Dann ist die Aussage zunächst neutral -
Was der Herr voraussehen wird, ob Gutes oder Böses für die Buddenbrooks,
ist damit
nicht gesagt.
67
Aber eine Deutung liegt für den Leser bereits nahe. Bei der
Abendunterhaltung hat er erfahren, daß das Haus der Buddenbrooks vorher den
Ratenkamps gehört hat, die Bankrott gemacht haben. Davor jedoch hatten sie eine
ebenso glänzende Zeit gehabt wie jetzt die Buddenbrooks. Und auch zu ihrer Glanzzeit
wie zur Zeit ihres Niedergangs stand über der Haustür "Dominus providebit". Der
Spruch hat den glänzenden Auf- und den entwürdigenden Abstieg begleitet und steht
nun unerschütterlich da, als Buddenbrooks ihren prunkvollen Einzug halten. Es liegt also
nahe, auch bei ihnen an die Möglichkeit des Niedergangs zu denken, zumal eine Fülle
anderer darauf hindeutender Anspielungen im Text zu finden ist. Wenn am Ende des
Romans Hagenströms in der Mengstraße einziehen, steht der Spruch noch immer da.
Auch Hagenströms beziehen das Haus auf dem Zenith ihres Wohlstandes - und auch für
den ihnen bevorstehenden Abstieg sind zahlreiche Anzeichen erkennbar, wenngleich
64
Vgl. M,I,177f.
65
Vgl. Vogt: Buddenbrooks, S.24
66
Vgl. Schleifenbaum: Gestaltanalyse, S.41
67
Vgl. Vogt: Buddenbrooks, S.24f.
29
dieser nicht mehr im Roman selbst stattfindet.
68
Der Erzähler weist explizit darauf hin,
daß "nun unter dem 'Dominus providebit' der Name Konsul Hermann Hagenströms zu
lesen war" (M,I,609). Die Deutung dieser Aussage überläßt er jedoch dem Leser, der
rückblickend auf den Beginn des Romans das Schicksal der Hagenströms ahnt.
Do'stlaringiz bilan baham: