Dramatik
Goethe hat seit seiner Jugendzeit bis in seine letzten Lebensjahre mehr als zwanzig
Dramen
verfasst, von denen
Götz von Berlichingen
,
Clavigo
,
Egmont
,
Stella
,
Iphigenie auf Tauris
,
Torquato Tasso
und vornehmlich die beiden Teile des
Faust
noch heute zum klassischen
Repertoire
der deutschen Theater gehören. Obgleich seine Theaterstücke die gesamte
Spannweite der Theaterformen –
Schäferspiel
,
Farce
,
Schwank
,
Komödie
,
heroisches Drama
,
Trauerspiel
– umfassen, bilden doch die klassischen Dramen und Tragödien den
Schwerpunkt seiner dramatischen Produktion. Drei seiner Theaterstücke wurden zu
Meilensteinen der deutschen Dramenliteratur.
Mit dem Sturm-und-Drang-Drama Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand gelang Goethe
der Durchbruch als Dramatiker; es machte ihn über Nacht berühmt.
[279]
Zeitgenossen sahen
in ihm „etwas von Shakespeares Geist“, ja in Goethe den „deutschen Shakespeare“.
[280]
Neben dem „
Götz-Zitat
“ schlug sich auch der auf die Hauptperson gemünzte Ausruf „Es ist
eine Wollust, einen großen Mann zu sehn“ im sprichwörtlichen Sprachschatz der Deutschen
nieder. Ein weiteres historisches Drama, der
Egmont
, ist gleichfalls um einen einzelnen
dominanten Charakter organisiert, auch er in stellvertretender Funktion für den Autor, der
seine Werke als „Bruchstücke einer großen Konfession“ verstand.
[281]
Das Drama
Iphigenie auf Tauris
gilt als vorbildlich für Goethes
Klassizismus
. Goethe selbst
bezeichnete es gegenüber Schiller als „ganz verteufelt human“.
[282]
Friedrich Gundolf
sah in
ihm sogar das „Evangelium der deutschen Humanität schlechthin“.
[283]
Die ursprüngliche
Prosaversion wurde in der endgültigen Fassung (1787) wie der zur gleichen Zeit vollendete
Torquato Tasso
, das „erste reine Künstlerdrama der Weltliteratur“,
[284]
in Blankversen verfasst.
Die Faust-Tragödie, an der Goethe mehr als sechzig Jahre lang arbeitete, bezeichnet der
Faust-Experte und Herausgeber des Bandes mit den Faust-Dichtungen in der Frankfurter
Ausgabe,
Albrecht Schöne
, als die „Summe seiner Dichtkunst“.
[285]
Mit dem Faust griff
Goethe einen Renaissance-
Stoff
über die
Hybris
des Menschen auf und spitzte ihn auf die
Frage zu, ob sich das Streben nach Erkenntnis mit dem Verlangen nach Glück vereinbaren
lässt.
[286]
Heinrich Heine
nannte das Faust-Drama „die weltliche Bibel der Deutschen“.
[287]
Der
Philosoph
Hegel
würdigte das Drama als die „absolute philosophische Tragödie“, in welcher
„einerseits die Befriedigungslosigkeit in der Wissenschaft, andererseits die Lebendigkeit des
Weltlebens und irdischen Genusses […] eine Weite des Inhalts gibt, wie sie in ein und
demselben Werke […] zuvor kein anderer dramatischer Dichter gewagt hat“.
[288]
Nach der
Reichsgründung
wurde Faust zum „nationalen Mythos“, zur „
Inkarnation
deutschen Wesens
und deutschen Sendungsbewußtseins“ verklärt.
[289]
Neuere Interpretationen drängen den
überkommenen Deutungsoptimismus des „Faustischen“ mit seiner Vorbildfigur für rastlosen
Drang nach Vervollkommnung zurück und verweisen stattdessen auf das „Ruheverbot“ und
den „Bewegungszwang“ im modernen Charakter des „Global Player Faust“ hin.
[290]
Die auf das
französische Drama
(vornehmlich das von
Pierre Corneille
und
Jean Baptiste
Racine
) fixierte Theatertheorie
Johann Christoph Gottscheds
hat Goethe abgelehnt, wie
schon vor ihm
Gotthold Ephraim Lessing
. Nachdem Herder ihn in Straßburg mit
Shakespeares Dramen bekannt gemacht hatte, erschien ihm als Stürmer und Dränger die von
Gottsched gemäß
Aristoteles
geforderte Einheit von Ort, Handlung und Zeit „kerkermäßig
ängstlich“ und „lästige Fesseln unserer Einbildungskraft“.
[291]
Mit Götz von Berlichingens
Bericht von seinem Leben fiel ihm ein Stoff in die Hände, der als „deutschnationale[r] Stoff […]
dem englischnationalen Stoff Shakespeares entsprach“.
[292]
Die im Götz gewählte offene
dramatische Form wagte Goethe gleichwohl nur noch im Faust.
[293]
Albrecht Schöne zufolge
ging das Stück schon im ersten Teil „aus den gewohnten dramatischen Fugen“ der
„traditionell-aristotelischen Einheitsregeln“; im zweiten Teil seien die
„Auflösungserscheinungen unübersehbar“.
[294]
Die späteren Dramen nach dem Götz näherten
sich – unter Lessings Einfluss – dem bürgerlichen Drama (
Stella
,
Clavigo
) und klassischen
Formen an, letzteres am deutlichsten in der Iphigenie, in der die Einheit des Orts (Hain vor
Dianas Tempel) und der Zeit gewahrt wird.
[295]
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