Johann Wolfgang Goethe, ab 1782 von Goethe


Naturwissenschaftliche Schriften



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Johann Wolfgang von Goethe – Wikipedia

Naturwissenschaftliche Schriften
Die 
Solfatara
 von 
Pozzuoli

lavierte
 
Tuschezeichnung
 von Johann Wolfgang von Goethe, 1787
Ginkgo biloba
; Goethe erstellte von diesem Gedicht – unter Hinzufügung zweier getrockneter Ginkgo-Blätter – 1815
eine gesonderte Reinschriftfassung; Erstfassung unter 
Gingo biloba
.


Goethes Mittel der Naturerkenntnis war die Beobachtung; Hilfsmitteln wie dem 
Mikroskop
stand er misstrauisch gegenüber:
„Der Mensch an sich selbst, insofern er sich seiner gesunden
Sinne bedient, ist der größte und genaueste physikalische
Apparat, den es geben kann; und das ist eben das größte
Unheil der neuern Physik, daß man die Experimente
gleichsam vom Menschen abgesondert hat und bloß in dem,
was künstliche Instrumente zeigen, die Natur erkennen, ja,
was sie leisten kann, dadurch beschränken und beweisen
will.“
– J
W
G
Wilhelm Meisters Wanderjahre.
[305]
Er war bestrebt, die Natur in ihrem Gesamtzusammenhang mit Einschluss des Menschen zu
erkennen. Die Abstraktion, deren sich die Wissenschaft damals zu bedienen begann,
betrachtete Goethe wegen der damit verbundenen Isolierung der Objekte vom Betrachter mit
Misstrauen. Sein Verfahren ist mit der modernen exakten Naturwissenschaft jedoch nicht zu
vereinbaren: „er […] hat den Bereich des unmittelbar sinnlichen Eindrucks und der unmittelbar
geistigen Anschauung nicht überschritten in Richtung auf eine abstrakte, mathematisch
verifizierbare, unsinnliche Gesetzlichkeit,“ (
K
 R
 M
)
[306]
stellte der Physiker
Hermann von Helmholtz
1853 fest.
Farbenkreis zur Symbolisierung des menschlichen Geistes- und Seelenlebens, aquarellierte Federzeichnung Goethes,
1809


Goethes Beschäftigung mit der Naturwissenschaft fand vielfach Eingang in seine Dichtung,
so in den Faust und in die Gedichte Die Metamorphose der Pflanzen und 
Gingo biloba
. Der
Goethe zeitlebens beschäftigende Faust registriert für den Philosophen 
Alfred Schmidt
, wie
„die Abfolge von Gesteinsschichten, die Stadien seiner Naturerkenntnis“.
[307]
Die belebte Natur stellte Goethe sich als in ständigem Wandel begriffen vor. So versuchte er
in der 
Botanik
zunächst, die unterschiedlichen Pflanzenarten auf eine gemeinsame
Grundform, die „
Urpflanze
“, zurückzuführen, aus der sich sämtliche Arten entwickelt haben
sollten. Später richtete er seine Aufmerksamkeit auf die einzelne Pflanze und glaubte zu
erkennen, dass die Teile der Blüte und die Frucht letztlich umgebildete Blätter darstellen. Die
Ergebnisse seiner Beobachtungen veröffentlichte er in der Schrift 
Versuch die Metamorphose
der Pflanzen zu erklären
 (1790).
[308]
 In der 
Anatomie
 gelang Goethe 1784, gemeinsam mit
dem Anatomieprofessor 
Justus Christian Loder
, zu seiner großen Freude die (vermeintliche)
Entdeckung des 
Zwischenkieferknochens
beim menschlichen 
Embryo
.
[309]
Der
Zwischenkieferknochen, zur damaligen Zeit bei anderen Säugetieren bekannt, verwächst
beim Menschen vor der Geburt mit den angrenzenden Oberkieferknochen. Seine Existenz
beim Menschen wurde von der Mehrheit der damaligen Anatomen bestritten. Aber schon vier
Jahre vor Goethes Beobachtung hatte der französische Anatom 
Félix Vicq d’Azyr
vor der
Académie Royale des Sciences
 über seine Existenz an einem menschlichen 
Fötus
berichtet.
[310]
 Sein Nachweis beim Menschen galt damals als wichtiges Indiz für dessen –
von vielen Wissenschaftlern bestrittene – Verwandtschaft mit den Tieren.
[311]
Seine 
Farbenlehre
 (erschienen 1810) hielt Goethe für sein naturwissenschaftliches
Hauptwerk und verteidigte die darin vertretenen Thesen hartnäckig gegen zahlreiche Kritiker.
Im Alter äußerte er, dass er den Wert dieses Werks höher einschätze als den seiner Dichtung.
Mit der Farbenlehre stellte Goethe sich gegen diejenige 
Isaac Newtons
, der nachgewiesen
hatte, dass das weiße Licht sich aus 
Lichtern der unterschiedlichen Farben
 zusammensetzt.
Goethe glaubte dagegen aus eigenen Beobachtungen schließen zu können, „daß das Licht
eine unteilbare Einheit sei und die Farben aus dem Zusammenwirken von Hellem und
Dunklem, Licht und Finsternis entstünden, und zwar durch die Vermittlung eines ‚trüben‘
Mediums“. So erscheine beispielsweise die Sonne rötlich, wenn sich eine trübe Dunstschicht
vor ihr ausbreitet und sie abdunkelt.
[312]
Schon zu Goethes Zeiten erkannte man allerdings,
dass diese Phänomene sich auch mit der Theorie Newtons erklären lassen. Die Farbenlehre
wurde in ihrem Kern von der Fachwelt schon bald zurückgewiesen, übte aber auf die
zeitgenössischen und nachfolgenden Maler, vor allem 
Philipp Otto Runge
, großen Einfluss
aus. Zudem erwies sich Goethe damit als „Pionier der naturwissenschaftlichen
Farbpsychologie
“. Heute wird „sowohl Newton wie auch Goethe teilweise Recht und teilweise
Unrecht“ zugebilligt; beide Forscher seien „Beispiele für unterschiedliche Typen
experimentellen Arbeitens innerhalb des Systems der modernen Naturwissenschaft“.
[313]


In der 
Geologie
 befasste Goethe sich vor allem mit dem Aufbau einer 
Mineralien
-Sammlung,
die bei seinem Tode auf 17.800 Steine angewachsen war. Über die Einzelerkenntnis der
Gesteinsarten wollte er generelle Einsichten in die materielle Beschaffenheit der Erde und die
Erdgeschichte erlangen. Die neuen Erkenntnisse der 
chemischen Forschung
verfolgte er mit
großem Interesse. Im Rahmen seiner Zuständigkeit für die Universität Jena begründete er
den ersten Lehrstuhl für Chemie an einer deutschen Hochschule.

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