Kippeln - vor allem, wenn man sie
mit der ungleich kruderen, aber üblichen Vorgehensweise des kompletten Stuhlzerlegens vergleicht. Auf seine einfühlsame Arbeitsweise ist Lambrecht besonders stolz.
"Meist ist von mehreren Verbindungen an einem Stuhl nur eine einzige lose. Durch Zerlegen richtet man unnötig Schaden an", erklärt der Möbeldoktor. Der Austausch einzelner Teile schont dagegen nicht nur die Substanz eines Sitzmöbels, sondern sogar den Geldbeutel seines Besitzers. (RHZ08/MAI.19556 Rhein-Zeitung, 24.05.2008; Kippeln - vor allem, wenn man sie mit...)
Leiminjektionen gegen Wurmstich: Um intakte Verbindungen nicht zu schädigen, sieht Christoph Lambrecht gern davon ab, Stühle zu zerlegen. Wie man sie dennoch vom Kippeln abhält, gibt der Restaurator in Wochenendkursen freimütig an seine Kundschaft weiter.
Fotos: Röder-
Moldenhauer (RHZ08/MAI.19690 Rhein-Zeitung, 24.05.2008; Leiminjektionen gegen Wurmstich: Um...)
Und ernte doch schon Hohn und Spott. Nicht etwa, weil ich die Schrauben mit dem Akkuschrauber direkt in die Wände drehe. Nein, das hält wirklich. Vielmehr, weil ein Bekannter zufällig einen Blick auf mein Werkzeug geworfen hat: Mein Akkuschrauber passt in jede Damenhandtasche. Er ist halt sehr zierlich. Und ich finde das überhaupt nicht zum Lachen. Schließlich kann so ein Miniaturwerkzeug sehr hilfreich sein. Wenn Sie im Lokal sitzen und der Stuhl wackelt, zum Beispiel. Handtasche auf, Schrauber gezückt, Schluss mit dem lästigen Kippeln.Wer weiß, vielleicht kann man mit dem Teil sogar Handtaschenräuber in die Flucht jagen. Also: Die Frau von heute sollte den Mini-Schrauber so selbstverständlich wie Lippenstift und Haarbürste dabeihaben. Man kann doch nie wissen ...
Land & Leute
Markus Meid ist Zimmermeister (RHZ10/MAI.00798 Rhein-Zeitung, 06.05.2010; Guten Morgen Der Mini-Schrauber muss mit...)
Eindrucksvoll wirkt der Baum, wenn die Sonne dahinter versinkt. Den schönen Winterabend auf dem „Hunzler Kippel“ in Richtung Miehlen hat Monika Schramm geknipst. (RHZ11/JAN.18666 Rhein-Zeitung, 20.01.2011, S. 26;)
Die Veranstaltung, an der sich sechs Mainzer Schulen beteiligen, wird von der Schott AG im Rahmen des Wissenschaftsjahrs unterstützt. Damit sich die Jury vor der Preisverleihung ein Bild machen kann, reihen sich im Neubau Chemie der Uni Mainz die Stände der 99 Teilnehmer aus Mainz-Rheinhessen aneinander.
Die 54 Projekte sind in sechs Fachgebiete unterteilt, der Kehrroboter fällt in die Kategorie „Technik“. „Kehren ist anstrengend und kostet Zeit, deshalb haben wir den Roboter entwickelt“, berichtet Paul Ritter (11).
Handwerkliches Geschick haben auch Alison Sonnberger (14) und Nina Dietrich (15) vom Gutenberg-Gymnasium bewiesen. „Viele Leute Kippeln mit den Stühlen, das kann gefährlich werden. Mit unserem Kippelblocker xD wird die Schule sicherer“, betont Dietrich. Die Konstruktion aus Holzleisten und einem Gewicht klappt sich auf, sobald der Kippelnde das Gleichgewicht verliert – und ist dabei noch variabel einsetzbar.
Das diesjährige Motto des Wettbewerbs, „Bring frischen Wind in die Wissenschaft“, hat Jan Glensk (15) ganz wörtlich genommen: „Es muss leichter werden, kleine Tankstellen mit Elektrostrom zu versorgen.
Mit einem H-Darrieus-Rotor zur Umsetzung von Windkraft ist das möglich.“ Die Erfindung der bodennahen, flexiblen Rotoren geht bereits auf das 18. Jahrhundert zurück, wird aber noch heute eingesetzt, etwa im Gebirge. Glensk hofft, dass sein System, die Rotoren zusammen mit Solarzellen für kleine Elektrotankstellen nutzbar zu machen, bald in die Realität umgesetzt wird. (RHZ11/FEB.30065 Rhein-Zeitung, 26.02.2011, S. 3; Die Flaschenbürste als Roboter)
Damit sich die Jury vor der Preisverleihung ein Bild machen kann, reihen sich im Neubau Chemie der Uni Mainz die Stände der 99 Teilnehmer aus Mainz-Rheinhessen aneinander.
Die 54 Projekte sind in sechs Fachgebiete unterteilt, der Kehrroboter fällt in die Kategorie „Technik“. „Kehren ist anstrengend und kostet Zeit, deshalb haben wir den Roboter entwickelt“, berichtet Paul Ritter (11).
Handwerkliches Geschick haben auch Alison Sonnberger (14) und Nina Dietrich (15) vom Gutenberg-Gymnasium bewiesen. „Viele Leute Kippeln mit den Stühlen, das kann gefährlich werden. Mit unserem Kippelblocker xD wird die Schule sicherer“, betont Dietrich. Die Konstruktion aus Holzleisten und einem Gewicht klappt sich auf, sobald der Kippelnde das Gleichgewicht verliert – und ist dabei noch variabel einsetzbar.
Das diesjährige Motto des Wettbewerbs, „Bring frischen Wind in die Wissenschaft“, hat Jan Glensk (15) ganz wörtlich genommen: „Es muss leichter werden, kleine Tankstellen mit Elektrostrom zu versorgen.
Mit einem H-Darrieus-Rotor zur Umsetzung von Windkraft ist das möglich.“ Die Erfindung der bodennahen, flexiblen Rotoren geht bereits auf das 18. Jahrhundert zurück, wird aber noch heute eingesetzt, etwa im Gebirge. Glensk hofft, dass sein System, die Rotoren zusammen mit Solarzellen für kleine Elektrotankstellen nutzbar zu machen, bald in die Realität umgesetzt wird. (RHZ11/FEB.30065 Rhein-Zeitung, 26.02.2011, S. 3; Die Flaschenbürste als Roboter)
„Nachdem sich ein Schüler den Arm beim Kippeln gebrochen hat, haben wir den Kippelblocker erfunden.“
Nina Dietrich, Gutenberg-Gymnasium (RHZ11/FEB.30611 Rhein-Zeitung, 26.02.2011, S. 3;)
Konzentration und Fingerspitzengefühl sind gefordert beim Aktionsspiel mit den orangen Kunststoffstühlen. Die stehen im Schulungsraum alle auf der Kippe, die Schüler ringsum dürfen sie jeweils nur mit einer Hand festhalten und müssen doch Position um Position vorrücken. Am wichtigsten ist daher die Abstimmung. „Eins, zwei, drei“ – so ertönt ein Kommando im Kreis.
So üben die angehenden Busordner der IGS und der DOS in Nastätten die Teamarbeit. Ihre spätere Tätigkeit ist schließlich ebenfalls eine Gemeinschaftsaufgabe, denn es arbeiten immer fünf Ordner in einem Bus zusammen. Einer davon fungiert als Kapitän und muss gegebenenfalls Vorgaben machen, so wie beim Spiel mit den kippelnden Stühlen. 16 Schüler nehmen an diesem Tag teil, insgesamt bilden die Nastättener Schulen 48 Busordner im laufenden Schuljahr aus.
Sicheres Auftreten, eine klare Ansprache oder die Vorstellung beim Busfahrer gehören zum Schulungsprogramm. Der Einsatz von Stimme und Körperhaltung wird trainiert. Augenkontakt zu halten und bei Bedarf einen Busordner-Kollegen zu rufen sind beispielsweise Ratschläge für die Schüler. „Sie sollten im Kopf ein ganzes Drehbuch entwickeln für bestimmte Situationen“, zum Beispiel wenn ein jüngeres Kind sich bei der Fahrt nicht hinsetzen will, erklärt Julia Kuhn.
Die Diplom-Sozialarbeiterin arbeitet wie Werner Schreiner im Jugendhaus Hahnenmühle. Sie leiten die Ausbildung gemeinsam mit den Lehrern Ulrich Hennemann und Michael Scholl. (RHZ11/SEP.26222 Rhein-Zeitung, 21.09.2011, S. 21; Busordner erarbeiten Drehbücher)
Frücht möchte Energie aus Wind erzeugen
Rat Zustimmung für Änderung des Flächennutzungsplans
Frücht. Eigentlich können in Frücht keine Windkraftanlagen errichtet werden. Denn bei einer Überprüfung der Positivflächen fanden Experten in der Früchter Gemarkung keine geeigneten Flächen. Bei beiden untersuchten Varianten – Radien von 1000 und 750 Meter zur Wohnbebauung – könnten keine solchen Anlagen errichtet werden. Mit dieser Entscheidung wollen sich Gemeinderat und Ortsbürgermeister Dieter Hahn aber nicht abfinden. Deshalb beschloss der Rat für die fünfte Fortschreibung des Flächennutzungsplanes den Bereich „Auf dem Kippel“ als Vorrangfläche aufzunehmen und andere Abstände zur Wohnbaufläche zu prüfen. Den Rat beschäftigte auch die Frage, ob das Gebiet „Im Weikert“ als Baugebiet ausgewiesen werden kann. Denn gerade dieser Bereich sei im Rahmen der Dorfmoderation als Vorzugfläche ausgewiesen worden, gab der Ortsbürgermeister zu bedenken. Vor einer Entscheidung sollen noch weitere Gespräche mit den Planern geführt werden.
Die ablaufende Gewährleistungspflicht für die neu ausgebaute Schweizertalstraße war ebenfalls Thema. Im Rat hieß es, dass sich Anlieger darüber beklagten, die Pflastersteine seien an vielen -Stellen mit zu großen Fugen verlegt worden, und an einigen Stellen fehlten sie komplett. Noch -vor Ablauf der Reklamationsfrist sollen die Mängel aufgenommen werden. (RHZ11/OKT.17600 Rhein-Zeitung, 17.10.2011, S. 12; Frücht möchte Energie aus Wind erzeugen)
man schon; eine meisterhaft oberflächliche, unterschwellige, erwartungsgemäße Nebenmusik; die klischierten Signale funktionieren noch bei schlafendem Intellekt, Requisiten aus dem alten Varietéfundus: „Melodien aus ‚Rosemarie‘ von R. Frimi.“
Also „Plüsch“? Es ist hier alles „Plüsch“, auch wenn/der sogenannte „Plüsch“ aus Nylon ist und staubsaugergepflegt und chemisch gereinigt. „Plüsch“ ist dem Varieté immanent, denn Varieté ist von Grund auf altmodisch; es erhält sich, weil es gut gemacht wird. Und tatsächlich steigen Anprüche und Können. Wenn laut Programm Punkt 8.06 Uhr der Vorhang aufgeht, wird schon die Skepsis überspielt.
Es kommt „Der Große Coray“. hereingefedert, vollführt lächelnd, elegant, leicht, perfekt: einen Ein-Finger-Handstand mit weißem Handschuh auf schwarzem Zylinder, linke Hand an der Hosennaht; einen „Ein-Arm“-Handstand auf silberner Krücke; noch einen Einarmer auf kippelnder Stuhllehne; und dann auf der silbernen Krücke eine „einarmige freie seitliche Stützwaage“, er dreht sich auch noch dabei. The Great Coray lächelt. „Und jetzt“, sagt seine Frau Rosemarie erst französisch, dann deutsch, „habe ich das Vergnügen, Ihnen die jüngste, die kleinste – und doch die größte Attraktion vorzustellen“ – und herein hopst Gaby, fünfeinhalb Jahre alt, mit dem Papi.
Belustigung, Staunen, Raunen, ahhh, bravo, wie süß, Gaby macht auf Papis angewinkelten Unterarm Handstand, schon wieder unten, bückt sie sich, streckt die Hände zwischen den Beinen hindurch nach hinten, Vater ergreift sie, ogott geht das schnell, Gaby steht schon im Handstand auf Vaters Händen, der wirbelt sie plötzlich um ihre Längsachse, Gaby ist wieder unten, hüpft vergnügt herum, gleitet in den Spagat, macht Kopfstand, da beugt sich Vater nieder, faßt ihre Hände, drückt ihre Füße sich ans Kinn, zieht sie blitzschnell hoch in einen neue (Z69/MAR.00269 Die Zeit, 21.03.1969, S. 76; Bühne frei bei „Note drei“)
Lehrerinnen. Das kann nur richtig schmecken, wer sie vorher gekannt hat. Sicher, Lehrer zu werden – einzelne legten Wert auf das Statusziel Studienrat – war auch ihr Berufswunsch nach dem Abitur gewesen. Doch Lehrer eigentlich, die mit dem überkommenen Berufsbild nichts mehr gemein gehabt hätten. Ihren Unterricht stellten sie sich als angstfreie Veranstaltung vor. Kinder sollten nicht mehr geknechtet werden. Soziales Lernen, solidarisches Verhalten, kein Leistungsdruck und kein Notenknüppel – alles das war während der eigenen Schulzeit häufig genug ersehnt worden. Und heute? Gut, die Ideale sind noch nicht über Bord geworfen, aber auf der Reling kippeln sie doch immerhin. Aufmüpfige Schüler und hohe Stundenbelastung, überfüllte Klassen und fehlende Unterrichtsmittel, dazu der Wunsch, neben dem Beruf einem kleinen privaten Bereich eine Chance zu geben – die Konsequenzen sind wie selbst erlebt: disziplinarische Maßnahmen, Drohungen mit Klassenbucheintragung, Elternbrief und notfalls auch Verweis. Das persönliche Leben bleibt auf den Samstagnachmittag beschränkt. Am Sonntag wird die nächste Woche vorbereitet. Die Ferien sind nicht mehr als vorgezogene Kuren.
Einzig Tine hat sich noch freie Luft erhalten. „Ich hatte eine volle Stelle und habe sie auf halbe Stundenzahl reduzieren lassen“, berichtet sie. Um noch etwas Zeit für sich zu behalten. Für sich ganz persönlich, aber auch für die politische Arbeit. (Z78/NOV.00495 Die Zeit, 24.11.1978, S. 65; Waren wir Spinner - und sonst nichts?)
Um Kopf und Kragen redet sie gegen ihren eigenen Unglauben an. Ab und zu scheint sie sich in den Kopf zu schauen, das Bild zu betrachten, was da aufgetaucht ist, dann guckt sie still vor sich hin, und ich sehe das Bild auch, glaube ich. Das war Peter Brook, „Zauberer“, „Theatermann“, mit dem Wort „zaubern“ muß man vorsichtig sein, meint Miriam Goldschmidt, „Chemiker“, „Geschäftsmann“, alles Namen, die sie ihm gibt, von dem sie immer wieder zärtlich spricht, einem Freund.
Gestern habe ich sie als Felicité in den „Negern“ gesehen. Hier, an Peter Steins Schaubühne, ist sie beim „Meister der Sprache“. Die Sonne scheint, der Stuhl kippelt, auf dem sie sitzt, das, was gerade ist, versperrt mir immer wieder den Weg ins Ausholen, ins Erinnern. Ich habe sie doch neulich gesehen in „Kalldewey“ von Botho Strauß. Wenn sie da so sitzt, ist derartig viel Leben los, daß man von der Bühne gar nicht reden muß. Jetzt versteh ich, was sie meinte, als sie sagte, daß sie keine Schauspielerin sei. Jetzt kommt auch noch eine Dame an den Tisch. Sie sagt, wie beeindruckt sie war vom „Dibbuk“; sie war in der Vorstellung, bei der es in der Schaubühne gebrannt hat.
Schon wieder eine Katastrophe. Aber Miriam Goldschmidt erzählt etwas anderes: die Szene vom deutschen Feuerwehrmann. (Z83/OKT.00384 Die Zeit, 21.10.1983, S. 53; Wer bist du? Ich.)
Gerade im Hinblick auf die Aufgaben der nächsten Jahre muß dieses gemeinsame Gremium gestärkt statt abgebaut werden. Seine fachliche Kompetenz sollte allerdings nicht allein auf die Kultusbürokratie beschränkt bleiben, sondern durch eine begleitende „Bildungsberatung“, durch unabhängige Fachleute und durch internationale, vor allem europäische Zusammenarbeit, erweitert werden. Unter ihrer gemeinsamen Obhut sollten unbedingt auch die Modellversuche in allen Bereichen des Bildungssystems fortgeführt und finanziert werden.
All das liegt in der gemeinsamen Kompetenz von Bund und Ländern. Die Verantwortlichen haben Ende der sechziger Jahre die Grundgesetzergänzungen mitgetragen. Sie haben Anfang der siebziger Jahre die vertraglichen Weichen zur Zusammenarbeit gestellt und somit ein gemeinsames Boot bestiegen. Sie tragen nun auch die Verantwortung dafür, daß dieses kippelnde Boot vor dem Kentern bewahrt und sein künftiger Kurs neu festgelegt wird.
Auch müssen die Regierungschefs dafür sorgen, daß klare parlamentarische Zuständigkeiten wiederhergestellt werden. Die Arbeit darf nicht mehr in den Grauzonen der Gremien und Verwaltungsvereinbarungen untergehen, sondern muß wieder im Parlament getan werden. Es ist ein Skandal, daß den Abgeordneten des Bayerischen Landtags (trotz eines gemeinsamen Beschlusses) die Einsicht in Protokolle der Kultusministerkonferenz verwehrt wird. Das ist der Anfang vom Ende eines glaubwürdigen Kulturföderalismus.
Insgesamt wird es in den nächsten Jahren vor allem darauf ankommen, die Bildungspolitik unseres Landes stetig und beständig weiterzuentwickeln. Alle Anstrengungen müssen darauf gerichtet sein, ein Mindestmaß an Gemeinsamkeit zurückzuerlangen, wie es Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre durchaus vorhanden war. (Z83/NOV.00033 Die Zeit, 04.11.1983, S. 41; Ein Zankapfel der Nation)
Unübersehbar sind die Versuche des Staates, den Alltag noch mit den aberwitzigsten Anordnungen zu durchdringen. Es gibt weit über zwanzigtausend Normen; im vorigen Jahr wurden uns sechzehnhundert neue beschert. In den Schubladen des Deutschen Instituts für Normung, in dem an Stelle von Bürgern nur Interessengruppen regieren, dräuen unterdessen Tausende von neuen.
Angst vor der Verantwortung
Kein Einzelfall könnte absonderlich genug sein, ob es den Schreibtischstuhl auf Rollen betrifft, der uns verbietet zu kippeln, oder Kleiderschränke im Wohnbereich, oder Wende-Teilzirkel für Schulreißzeuge. Die Beamten der Europäischen Gemeinschaft haben, nicht faul, allein für Motorrad-Rückspiegel elf Druckseiten lang Regeln konstruiert. Sind wir blöd?
Jedenfalls lassen wir uns derlei Schwachsinn gefallen, weil er unter das Rubrum „Sicherheit“ gestellt wird. Kein Unfall kann geschehen, ohne daß er sich nicht in zusätzlichen, noch strengeren Vorschriften und in noch absurderen Normierungen niederschlüge. In München verfing sich ein silbriger Kinderluftballon in der U-Bahn-Oberleitung und löste einen Kurzschluß aus – schon setzte das den Normenausschuß in Trab.
Normen, konzipiert als eine Hilfe im produktionsseligen Alltag der Industriegesellschaft, werden zur Strafe. Eigentlich gedacht als „eine Erfahrungsniederschrift für eine intelligente und liberale Praxisregelung“ und nichts weiter als eine freundlich gemeinte Empfehlung, bekommen sie, wie der DIN-Direktor beklagte, imme (Z84/OKT.00323 Die Zeit, 19.10.1984, S. 1; Die schlimme Lust, alles zu regeln)
Etwas später wird sich die Frau auf ihrem Drehsessel drehen, und nun sehen wir ihr Gesicht: graue Haut, wirre graue Haare, der Mund und die Augen aufgerissen zur Maske des Schreckens. Wenn sie ihr graues Haupt bewegt, steigt Staub (wie Rauch) aus ihrer Perücke.
Aber da haben längst, vom Schlag der Holzstöcke gerufen, auch andere Figuren die Bühne betreten. Ein Mädchen ist zum Baum ohne Blätter gegangen, hat sich an den Baumstamm gelehnt Drei schöne Frauen, drei sonderbare Schwestern, haben sich an den langen Tisch gesetzt und starr geblickt und gelächelt. Das heißt genauer: Sie haben ihre Stühle mit einem eleganten Körperschwung zur Seite gekippelt, sitzen nun schräg am Tisch, jede balanciert auf zwei Stuhlbeinen. Mit den Fingernägeln der rechten Hand kratzen sie leise auf der Tischplatte, mit den Fingernägeln der linken etwas später ihre Scheitel (und die Frau im Drehsessel tut dasselbe, und wieder steigt Rauch aus ihrem Schädel).
Ganz in der Ferne hat eine Klaviermusik begonnen, leise, verloren, als würde ein Kind die immer selben Takte üben. Aus noch weiterer Ferne hört man einen Gesang, vielleicht ist es auch ein Wolfsgeheul. Man sieht lauter einzelne Bilder und Bewegungen, ein strenges Zeremoniell aus Erwachen und Erstarren, Versteinerung und Wiedergeburt – und doch scheinen alle Figuren unter einem gemeinsamen Bann zu stehen. (Z86/OKT.00234 Die Zeit, 10.10.1986, S. 63; Sachsen ist nicht Texas)
Die Zivilisation bleibt unten – Ein Besuch auf der Lauchernalp im Walliser Lötschental,
Von Ernst Hess
Beim katalonischen Aufstand waren sie alle dabei: die Kalbermatten, Imboden, Henzen oder Lehner. Als Söldner standen sie im Dienst der spanischen Krone zwar, aber zäh und ausdauernd, wie Lötschentaler Bergbauern eben sind. Laut Sterbebuch fielen in der Schlacht von Lerida (1644) sechs Männer aus Wiler, ihr weißes Seidenbanner mit dem roten Kreuz kann man noch heute im Pfarrarchiv von Kippel bewundern.
Schon möglich, daß der Lehner Kari auch Söldner geworden wäre statt Hüttenwirt auf der Lauchernalp. Aber seit 1848 verbietet die Schweizer Bundesverfassung den Kriegsdienst unter fremder Fahne, nur der Vatikan darf seine Garde noch aus den Walliser Bergtälern rekrutieren. So ist der Kari Skilehrer geworden, Bergführer und nach dem Tode seines kinderlosen Onkels auch noch Inhaber einer urgemütlichen Hütte. Über den blankgescheuerten Holztischen hängt ein Diplom vom 12. 1. 1982. Darin wird „Herrn Karl Lehner vom Finanzdepartement des Kantons Wallis“ die Fähigkeit bescheinigt, ein Hotel zu führen.
Nun ist die Lauchernalp im Lötschental weiß Gott alles andere als ein Hotel. Und als Gast kommt man schon gar nicht in Versuchung, sich über die Minibar herzumachen. (Z86/NOV.00429 Die Zeit, 28.11.1986, S. 65; Legenden um lange Nächte)
Wenn man so will, dann hinkte das Lötschental dem Fortschritt schon immer ein wenig hinterher. Das hat natürlich – wie wir längst wissen – auch seine guten Seiten. Originelles Brauchtum und unverfälschte Architektur überlebten leichter als anderswo, von Massentourismus keine Spur. Erst 1868 eröffnete ein kleines Hotel in Ried seinen Betrieb; und als im Jahr darauf 25 englische Alpinisten kamen, hieß es gleich besorgt, das Tal sei voll von Fremden. Den eigentlichen Anschluß an die übrige Welt brachte dann der Bau des Lötschbergtunnels (1913) von Kandersteg nach Goppenstein. Um ihr Tal mit dem Bahnhof zu verbinden, bauten die Lötscher sogar eine richtige „Wagenstraße“ nach Kippel, später auch bis Blauen. Aber erst seit 1970 fahren die Postautos zur Fafleralp, wo man jeden Augenblick damit rechnet, der Heidi oder dem Geißenpeter zu begegnen.
Statt dessen serviert dort Hotelier Paul Eggel höchstpersönlich Aprikosentorte mit Nußfüllung und eine Flasche samtigen Dole, damit dem Gast am Ende der Welt auch nur ja nichts fehlt. Im offenen Kamin prasselt das Feuer, ein paar Gentlemen aus London langweilen sich hinreißend kultiviert, und durch die Fenster blinkt schmutziggrün das Eis des Langgletschers. Direkt hinter dem schindelverkleideten Hotel hört das Lötschental auf: ein paar Wiesen noch, hier und da gigantische Granitfindlinge und dann nur noch Schnee, so weit das Auge reicht. (Z86/NOV.00429 Die Zeit, 28.11.1986, S. 65; Legenden um lange Nächte)
Daß die Piste „National“ gewisse Anforderungen stellt, geht schon daraus hervor, daß an gleicher Stelle 1974 die Schweizer Abfahrtsmeisterschaften der Damen stattfanden.
Auch hier also Qualität vor Quantität. Verglichen mit den renommierten Skistationen nehmen sich die knapp 30 Kilometer präparierte Pisten im Lötschental in der Tat bescheiden aus. Und mehr als fünf Lifte sind beim besten Willen nicht auszumachen. Weil man aber nur selten anstehen muß, addieren sich die Tageskilometer zu stattlichen Zahlen. Wem das immer noch nicht genügt, der kann jeden Mittwoch beim „Swiss Handicap“ starten, einem Rennen gegen die Uhr. Die Richtzeit hat der Schweizer Damentrainer Markus Murmann vorgelegt, der in Kippel zu Hause ist und dort nebenbei ein Sportgeschäft betreibt.
Wir saßen mittags lieber beim Kari Lehner auf der Terrasse, tranken Fendant und ließen uns die mit Käse überbackenen Rösti schmecken. Bratwurst, Speck und Kartoffelsuppe komplettieren das kulinarische Angebot der Lauchernalp, dazu natürlich Käse in allen Variationen und selbstgebackenes Roggenbrot.
Später, in der holzgetäfelten Arvenstube, gesellte sich Kater „Susi“ zu uns, ließ sich kraulen und fing zum Dank zwei lästige Fliegen. Der getigerte Schwerenöter gehört ebenso zum Inventar der Lauchernalp wie die doppelstöckigen Betten, wo der Gast wie in Apfelregalen zur Nacht gebettet wird, oder die Waschschüsseln aus Nirosta-Stahl. Mit maximal 44 „Touristenlagern“ wird die sonnengeschwärzte Hütte im „Verzeichnis der Schweizerischen Berghäuser“ geführt, „aber wenn die wirklich alle auf einmal kommen, wird’s eng“, befürchtet der Lehner Kari. (Z86/NOV.00429 Die Zeit, 28.11.1986, S. 65; Legenden um lange Nächte)
Mitten im Zug wird ein Transparent hochgereckt: „Demorecht im Hessenland, Polizistentod von Mörderhand!“ Als der Ministerpräsident davon spricht, daß der „Haß überwunden und der Frieden gewonnen werden muß“, da schallt ihm entgegen: „Das ist zu wenig, Herr Wallmann!“
Die meisten der knapp tausend Polizisten kennen sich aus am Südende der Startbahn-West. Oft haben sie beklagt, daß sie dort ihre Knochen hinhalten müssen. Keiner hat geahnt, daß zwei von ihnen sogar ihr Leben lassen würden – überhaupt, die ersten Fälle in der Geschichte der Bundesrepublik, daß Polizisten von Demonstranten getötet worden sind. Die wirklich heißen Zeiten sind dabei längst vorbei. Damals, vor sechs, sieben Jahren, zogen Zehntausend aus Walldorf und Mörfelden durch den Wald bis hart heran an die Betonpiste.
Die sozial-liberale Regierung kippelte damals ständig. Am Ende wurden, wie geplant, 300 Hektar Wald gerodet. Und längst dröhnen Großraumflugzeuge in den Himmel über dem Startbahn-Wald.
In Wiesbaden ist eine neue Regierung am Ruder. Draußen im Wald liefen bis zum vergangenen Montag die alten Rituale ab. An den Sonntagen spazierten die Einheimischen wie eh und je durch den hohen, nicht allzu dichten Wald. Es waren nicht mehr viele – und fast immer dieselben. Zur Flughafenmauer flanierte man in Walldorf-Mörfelden wie anderswo zur Zonengrenze. Jubiläen werden gefeiert: Gerade fand der 300.
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