ein Bild überquellender Fruchtbarkeit
“ (ebd.: S. 19). Er
ist verwundert und zugleich amüsiert über das Verhalten eines usbekischen Dichters
im Basar, wie er „
mit einer großzügigen Handbewegung […] gleichsam den ganzen
Bazar zu Füßen [legt]
“
(ebd.):
„
Mit jovialer Freundlichkeit nimmt er Weintrauben von den Tischen, hält sie hoch und
läßt sich mit ihnen fotografieren. Er geht in der sich drängenden und schiebenden
Menschenmenge von Stand zu Stand, begrüßt jeden und läßt sich begrüßen. Er will
einen Granatapfel kaufen, aber der Händler nimmt kein Geld von ihm an.
“
222
(Ebd.)
Richter sieht nicht mehr „
in geringer Höhe angebrachte Bedachungen aus Matten oder
Tüchern über Holzgerüsten und aus Stein gemauerte Gewölbe
“ (Karutz 1904, S. 61),
sondern „
ein zweistöckiges, modernes Haus, in dem die Verkaufsstände wie in einem
Warenhaus angeordnet sind: kühle Räume mit Fleisch, Molkereiprodukten, Fisch
“
(Richter 1966, S. 19)
.
Nichtdestotrotz sieht er aber auch die Bauern und Händler mit
heißem grünem Tee, eigener Teekanne und Teeschale – „
Bräuche, die Jahrtausende
alt sind
“ (ebd.: S. 21).
Christ schwärmt von den Basaren in Mittelasien, getreu seinem Schreibstil setzt er
Superlative zur Steigerung der Emotionalität ein:
„
Nirgendwo ist Mittelasien bunter, lebhafter als auf seinen Basaren, und Basare gibt es
überall, so fällt schwer, nur von einem zu erzählen: […]. Aber der bunteste, lebhafteste,
orientalischste Basar?
“
(Christ 1976, S. 173)
Im Weiteren entwirft der Journalist ein Bild des usbekischen Obstbasars im Oktober,
wo er verknappende elliptische Sätze verwendet:
„
Ende Oktober ist besonders das Früchteangebot für ein von der mitteleuropäischen
Ernte wenig verwöhntes Auge überwältigend. Rote, gelbrote, grüne, grasgrüne Äpfel in
unterschiedlichen Größen. Grüne Weintrauben, rund, alle Größen, alle sehr süß. Violette
Trauben, die bei uns Portugiesen heißen und zu den zeitig reifenden Sorten gehören.
Eine gelblichgrüne Weinbeerensorte, hier Damenfinger, auch Brautfinger genannt. Auf
dem Boden gestapelte Zuckermelonen, Wassermelonen, geformt wie Fußbälle,
Medizinbälle, Rugbybälle, von dunklem Grün, gelb, grünlich-weiß gestreift, am Rand des
Stapels eine aufgeschnittene Frucht mit tiefrotem Fleisch und schwarzen Kernen.
“
(Christ 1976, S. 174)
Neben den elliptischen Sätzen sind im angeführten Beispiel viele neutral-
beschreibende Epitheta und humorvolle Vergleiche zu sehen, „
…Wassermelonen,
geformt wie Fußbälle…
“, die zur Verbildlichung dienen. Neben verschiedenen
Menschen auf dem Basar („
Die Uhrmacher mit der eingeklemmten Lupe, wie Insekten
mit gestielten Augen, die Juweliere vor blitzender Auslage tief in den Gewölben, […]
“
(ebd.: S. 178)) beschreibt Christ die Frauen auf dem Basar:
223
„
Erstaunlich war, daß die Frauen saßen, gingen, standen, kauften, verkauften – mit
einem Wort, das Erstaunliche waren die Frauen auf allen Bazaren im sowjetischen
Mittelasien. Denn als die älteren unter ihnen noch junge Mädchen waren, da durften
sie selbst weder einkaufen noch verkaufen, mit keinem Mann sprechen, es sei denn
mit dem einen, dem sie in die Ehe verkauft wurden, sie durften ihr Gesicht zeigen. Die
Frau durfte vor der Revolution keinen Bazar unverschleiert besuchen.
Bei aller Buntheit: Was müssen das für graue Bazare gewesen sein.
“
(Christ 1976, S. 179-180)
In oben angeführtem Beispiel sind die Bilder der Frauen zur Sowjetzeit und vor der
Oktober-Revolution dargestellt. Christ setzt dabei solche Stilmittel wie Accumulatio
(„
saßen, gingen, standen, kauften, verkauften
“) und Antithese („
Bei aller Buntheit: Was
müssen das für graue Bazare gewesen sein
“) ein.
Auch in seinem Reisebuch über Usbekistan, das er 1979 in Zusammenarbeit mit dem
slowakischen Fotographen Karol Kállay veröffentlichte, erzählt er ausführlich von den
Basaren in Usbekistan. Er zitiert zum Bespiel ein Sprichwort, das viel über die
usbekische Mentalität sagt:
„
Ein kinderloses Haus ist wie ein Friedhof, aber ein Haus mit vielen Kindern ist wie ein
Basar, sagt der Usbeke, und wie er den Basar liebt, liebt er das Haus voller Kinder
[…].
“
60
(Christ/Kállay 1979, S. 31)
Er beschreibt die Basare von Buchara und gebraucht dabei Realienwörter „
Tak-i-
Sargaron
“, „
Tak-i-Telpak
“, „
Tak-i-Sarrafon
“ (ebd.: S. 122). Seine Beschreibungen sind
prosaisch, gesättigt mit den für seinen Schreibstil typischen Aufzählungen –
Accumulatio und elliptische Sätze:
„
Im Schatten der Mauern eine Art Flohmarkt. An der Außenwand der Kaljan-Moschee
hängt [sic!] farbiges Tuch, Baumwolle, Seide. Schulkleider, Käppchen, Schuhe,
Galoschen, Stiefel. Teppiche. Abgezogene Lämmer. Metalltöpfe. Wo immer wir auch in
einen Eingang des Basargewölbes geraten, ist Ware ausgebreitet, und die Straßen
ringsum im Viertel sind horizontale und die Mauern vertikale Warenlager, dazwischen ist
ein Gedränge, Geschiebe, Gerufe, Geschäftigkeit ohne Eile – wenn irgendetwas aus der
mittelasiatischen Vergangenheit seine Wahrheit behalten hat, dann der Satz: Der
Orientale liebt den Basar.
“
60
Im Usbekischen lautet das Sprichwort: „Болали уй бозор, боласиз уй мозор.“ (Übersetzung von G.R.)
224
(Ebd.: S. 127)
Somit findet das Stereotyp „der Orientale liebt den Basar“ erneut seine Bestätigung.
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