SIGMUND FREUD
Sigmund Freud (geboren am 6. Mai 1856 in Freiberg in Mähren als Sigismund Schlomo Freud; gestorben am 23. September 1939 in London) war ein österreichischer Arzt, Neurophysiologe, Tiefenpsychologe, Kulturtheoretiker und Religionskritiker. Er ist der Begründer der Psychoanalyse und gilt als einer der einflussreichsten Denker des 20. Jahrhunderts. Seine Theorien und therapeutischen Methoden werden bis heute angewandt, diskutiert und kritisiert.
Sigmund Freud (Fotografie von Freuds Schwiegersohn Max Halberstadt, 1921)
Freuds damals neue Vorstellungen einer großen Bedeutung kindlicher sexueller Konfliktlagen und Traumata bei der Entstehung von Neurosen fanden zunächst wenig Resonanz in der Ärzteschaft, sodass er eine lange Phase der Ausgrenzung durchlebte, bevor sich, ausgehend von Wien, allmählich ein Kreis von Anhängern um ihn scharte, um die psychoanalytische Lehre weiterzuentwickeln und zu verbreiten.
Grundlegendes Werk zur Erforschung des Unbewussten war Freuds 1899 erschienenes Buch Die Traumdeutung. Populär wurde auch seine Studie Zur Psychopathologie des Alltagslebens von 1904. Daraus sind bis heute berühmt die später nach Freud benannten Fehlleistungen. Seine 1916/17 veröffentlichten Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse kommen einem Lehrbuch am nächsten und gelten bis heute als Freuds meistgelesenes Werk. Hohe Bekanntheit hat daraus das Strukturmodell der Psyche mit den drei Instanzen Es, Ich und Über-Ich. Besonders in seinem Spätwerk zeigte sich Freud als scharfer Religionskritiker. Sein Bekenntnis zum Judentum war nicht religiös motiviert.[1]
Eine kritische Auseinandersetzung mit Freuds Lehrmeinungen ließ schon unter seinen frühen Anhängern nicht lange auf sich warten. Eigene Lehren entwickelten erst Alfred Adler, dann auch der von Freud zunächst als Nachfolger vorgesehene C. G. Jung. Zur Hüterin von Freuds Erbe wurde seine Tochter Anna Freud, die sich zur Psychoanalytikerin ausbilden ließ, selbst publizierte und ihren 1923 an Gaumenkrebs erkrankten Vater bei Vorträgen und Kongressen vertrat. Sie blieb auch bei ihm, als er nach der Bücherverbrennung 1933 in Wien ausharrte und begleitete ihn nach dem Anschluss Österreichs 1938 ins Londoner Exil.
Werdegang und Wegmarken
Familiäre Verhältnisse
Freuds Geburtshaus in Freiberg (heute Sigmund-Freud-Museum Příbor)
Freud wurde als Sohn jüdischer Eltern aus Galizien in Freiberg in Mähren (tschechisch Příbor) – damals Teil des Kaisertums Österreich, heute in Tschechien – geboren und hieß ursprünglich Sigismund Schlomo Freud. Sein Vater Jacob Freud war Wollhändler, entstammte einer chassidischen Familie, war bei Sigmunds Geburt bereits 40 Jahre alt und in dritter Ehe verheiratet mit der wesentlich jüngeren Amalia Nathansohn.[2] Jacob Freud las zwar die Bibel in hebräischer Schrift und vermittelte seinem Sohn die Faszination für die Geschichten des Alten Testaments, gab die religiösen Bräuche seiner chassidischen Vorfahren aber auf und ließ nur noch einzelne jüdische Feste als Familienfeste feiern. Freud äußerte im Rückblick: „Mein Vater ließ mich in voller Unwissenheit über alles, was das Judentum betrifft, aufwachsen.“[3]
Sigmund Freud hatte zwei ca. 20 Jahre ältere Halbbrüder aus der ersten Ehe seines Vaters, die Österreich aber noch in seinen Kindertagen verließen, um in Manchester ihr Auskommen zu suchen. Der nach ihm geborene jüngere Bruder Julius starb noch vor Freuds zweitem Geburtstag; seine Schwester Anna wurde zum Jahresende 1858 geboren. Als der im Tuchhandel tätige Jacob Freud in Freiberg für sich keine Zukunftsperspektive mehr sah, zog die Familie 1859 erst nach Leipzig und wegen einer für Leipzig nicht erteilten Aufenthaltsgenehmigung weiter nach Wien, wo sie in den von Juden bewohnten Quartieren der Leopoldstadt unterkam und in der Folgezeit noch mehrfach umzog. In den Jahren 1860 bis 1864 kamen Freuds jüngere Schwestern Rosa, Maria, Adolfine und Pauline zur Welt und 1866 sein Bruder Alexander, dessen Namen Sigmund hatte aussuchen dürfen.[4]
Einen argen Reputationsverlust erlitt die Familie 1865, als Jacobs Bruder Josef Freud wegen des Verdachts auf Verbreitung gefälschter russischer Rubel festgenommen und 1866 zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde,[5] die er bis 1870 absitzen musste. Polizeiberichten zufolge führte die Spur nach Manchester, wo sich Jacobs Söhne Emmanuel und Philipp Freud aufhielten, ohne dass diese jedoch erwähnt wurden. Sigmund fiel auf, dass die Haare seines Vaters binnen weniger Tage stark ergrauten.[6]
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