Sigmund freud



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SIGMUND FREUD 2

Siehe auch: Studien über Hysterie
Psychoanalyse im Werden
→ Hauptartikel: Psychoanalyse und Geschichte der Psychoanalyse
Die Verwendung der Hypnose als Behandlungsmethode hatte Freud bereits bei dem ihm aus Meynerts Klinik bekannten und befreundeten Arztkollegen Josef Breuer kennengelernt; und er versuchte sich nach den Pariser Erfahrungen auch selbst an ihr, als er sich im April 1886 mit eigener Praxis selbstständig machte. Daneben kümmerte er sich während der zehn folgenden Jahre um Aufbau und Betrieb der neurologischen Ambulanz am Ersten öffentlichen Kinder-Krankeninstitut im 1. Wiener Gemeindebezirk.[24] Dieses Betätigungsfeld lieferte ihm „Anschauungsmaterial von unschätzbarer Bedeutung“, so Alt, da er „seine spätere Sexualtheorie wesentlich auf Beobachtungen infantiler und pubertärer Veränderungsprozesse gründete.“[25]

Familie Freud 1898. Vorne: Sophie, Anna and Ernst Freud. Mitte: Oliver und Martha Freud, Minna Bernays. Hinten: Martin und Sigmund Freud.

Das Haus Berggasse 19 in Wien - hier lebte Freud mit seiner Familie 47 Jahre lang von 1891 bis zur Emigration nach London 1938
Aufgang zu Freuds Wohnung und Praxis in der Berggasse 19. Hier kamen und gingen fast ein halbes Jahrhundert die Patienten zu Freuds Arbeitsraum mit der berühmten Couch. Die Couch und die meisten Bücher, Sammlungsstücke und Möbel stehen heute im Freud Museum (London), der Exilwohnung der Freuds.
Mit der eigenen Privatpraxis, die allerdings zunächst nur spärliche Einnahmen erbrachte, schienen nun auch die Voraussetzungen für eine Eheschließung gegeben. Nach vierjähriger Verlobungszeit heirateten Sigmund Freud und Martha Bernays am 13. September 1886 standesamtlich im Rathaus von Wandsbek bei Hamburg; tags darauf folgte die Trauung nach jüdischem Ritus.[26] In den Jahren 1887 bis 1895 brachte Martha Freud sechs Kinder zur Welt: Mathilde (1887–1978), Jean-Martin (1889–1967), Oliver (1891–1969), Ernst (1892–1970), Sophie (1893–1920) und Anna (1895–1982). 1891 bezog die Familie die Wohnung in der Wiener Berggasse 19, Freuds Domizil bis 1938. Im Vorgängergebäude auf diesem Grundstück hatte 1882 bis 1889 Victor Adler, ursprünglich Eigentümer des Hauses und Begründer der österreichischen Sozialdemokratie, als Armenarzt praktiziert.[27]
Seelenarzt in eigener Mission
Kurz nach Beendigung der in Travemünde verbrachten Flitterwochen stieß Freud im Oktober 1886 mit einem Vortrag Über männliche Hysterie in der Wiener Gesellschaft der Ärzte auf teils heftige Ablehnung, die auch sein vormaliger Förderer Meynert zum Ausdruck brachte, indem er männliche Hysterie als ein abwegiges „Spezifikum französischer Dekadenz“ bezeichnete und damit die Erträge von Freuds Parisreise herabwürdigte. In der Folge sah sich Freud von den klinischen Kapazitäten in der Wiener Ärzteschaft weitgehend isoliert und ins Abseits gestellt. Entsprechend schleppend war während der ersten Jahre der Zulauf zu seiner Praxis.[28]
Seine an nervösen Erkrankungen leidenden, vorwiegend weiblichen Patienten behandelte Freud mit den bereits erprobten Verfahren, darunter neben der Hypnose auch Elektrotherapie. Anfang der 1890er Jahre kehrte er sich aber davon ab. Er legte sein Augenmerk nun stärker auf die wahrscheinliche Wirkung sexueller Konflikte hinsichtlich neurotischer Erkrankungen bis hin zu der gegenüber Wilhelm Fließ 1893 geäußerten Hypothese, „daß die Neurasthenie überhaupt nur eine sexuelle Neurose ist.“[29] Der seinerseits theoriefreudige Berliner Arztkollege und Nasenspezialist Fließ wurde in diesen Jahren, in denen Freud wenig Anerkennung in seinem beruflichen Umfeld fand, als Brief- und gelegentlicher Partner für den persönlichen Austausch mit seinen Ideen, Anregungen und mit dem Lektorieren von Freuds Manuskripten zum wichtigsten Förderer von dessen psychoanalytischen Ansätzen.[30]
Einen bedeutenden Beitrag in der Entstehungsgeschichte der Psychoanalyse leistete auch Josef Breuer, der den Fall der „Anna O.“ (Bertha Pappenheim) in den mit Freud gemeinsam publizierten Studien zur Hysterie schilderte. Die von Breuer 1880 begonnene Behandlung, über die Freud orientiert war, ließ trotz letztlich ausgebliebenen Heilerfolgs erkennen, dass eine therapeutische Gesprächssituation und -dynamik die wirksame Behandlung von Krankheitssymptomen ermöglichte. Bis in die frühen 1890er Jahre, so Gay, versuchte Freud nach Art Breuers, durch Hypnose zu therapeutischen Effekten zu gelangen. Doch manche Patienten ließen sich von ihm nicht hypnotisieren; unzensiertes Sprechen stellte sich ihm dann als überlegenes Untersuchungsmittel dar. „Die Technik der ‚freien Assoziation‘ war im Entstehen begriffen.“[31]
Dass nervöse Krankheitserscheinungen auf Vererbung beruhten, wie von Charcot gelehrt, hielt Freud nur noch teilweise für zutreffend. Nunmehr zog er es vor, „nach frühen traumatischen Erlebnissen als Schlüssel für die verborgenen Ursachen der merkwürdigen Störungen seiner Patienten zu suchen.“[32] Im Rückblick auf die von Breuer angelegte kathartische Behandlungstechnik erläuterte Freud: „Wir lenkten die Aufmerksamkeit des Kranken direkt auf die traumatische Szene, in welcher das Symptom entstanden war, suchten in dieser den Konflikt zu erraten und den unterdrückten Affekt frei zu machen.“[33] Den Begriff „Psychoanalyse“ verwendete Freud erstmals im Jahr 1896 in zwei Aufsätzen, in der französischsprachigen Revue Neurologique am 30. März, im Neurologischen Zentralblatt am 15. April. Die einzige Methode, den Krankheitsursachen bei Neurosen zuverlässig nachzugehen, hieß es dort, sei die „Psychoanalyse zur Bewußtmachung des bisher Unbewußten“.[34]
Das Material, aus dem Freud seine Theorie entwickelte, waren die Leidensgeschichten, die er in seiner Behandlungspraxis über die Jahre analysiert und aufgezeichnet hatte. Dabei handelte es sich zunächst um „ein Hören, ein Hineinfinden in die Schwingungen der fremden Seele, aus der dann Zusammenhänge des Unbewußten abgeleitet wurden.“ Denn für Freud sei eine Theorie nur dann etwas wert gewesen, wenn sie einen Bezug zur praktischen Erfahrung aufwies. Das Recht zur Publikation seiner wichtigsten Fallgeschichten habe Freud aus einem rein wissenschaftlichen Interesse bezogen. „Entscheidend blieb die analytische Zielsetzung, die Intimes in ‚aller Freimütigkeit‘ offenbarte, aber nicht der Aufreizung erotischer Phantasien diente.“[35]
Verbreitungsansätze
In der Wiener Ärzteschaft war Freud seit längerem weitgehend isoliert, als er im September 1897 der jüdischen B’nai-B’rith-Loge beitrat, um in geselliger Runde geistigen Austausch zu pflegen.[36] Aus seiner Nichtgläubigkeit und Distanz gegenüber allen religiösen Riten, die er zum Beispiel seiner Frau gegenüber zur Geltung brachte und im Familienalltag durchsetzte, machte er auch in diesem Kreis keinen Hehl. Gleichwohl bekannte sich Freud zeitlebens zu seiner jüdischen Herkunft und Zugehörigkeit. Die Loge war der Aufklärung über das Judentum, über seine Werte und Geschichte gewidmet; man diskutierte Vorträge zum Beispiel über jüdische Geistesgrößen wie Baruch Spinoza und Heinrich Heine. Dass unter den Mitgliedern auch streng gläubige waren, die sich gern mit theologischen Fragen beschäftigten, hinderte Freud nicht daran, etwa auch zu seiner Traumforschung vorzutragen, was sehr wohlwollend und teils begeistert aufgenommen wurde.[37]
Den Sommer 1895 verbrachte Freud bei der Familie Ritter von Schlag in deren Schloss Belle Vue am Cobenzl, oberhalb Grinzings, in Wien. Am 24. Juli enthüllte sich ihm in der Deutung des Traumes von ‚Irmas Injektion’ gemäß einer Mitteilung an Fließ vom 12. Juni 1900 „das Geheimnis des Traumes“.[38] Daran erinnert eine Stele mit Inschrift an der Stelle des 1963 abgerissenen Schlosses: „Glaubst Du eigentlich, daß an dem Hause dereinst auf einer Marmortafel zu lesen sein wird?: ‚Hier enthüllte sich am 24 Juli 1895 dem Dr. Sigm. Freud das Geheimnis des Traumes‘. Die Aussichten sind bis jetzt hierfür gering.“
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