eigentliche Gegenstand seiner Theologie ist der schuldige und verlorene Mensch und der
rechtfertigende und rettende Gott. Ursprünglich verstand Luther unter der Gerechtigkeit vor
Gott eine Strafgerechtigkeit, in der Gott über die Menschen ähnlich einem gerechten Richter
urteile. Das trieb Luther anfangs zu den beschriebenen Selbstzweifeln und in eine tiefe Angst
vor eben dem strafenden Gott, bis er sich intensiv mit dem
Brief des Paulus an die Römer
auseinandersetzte. Hieraus zog er den Schluss, dass sich die Gerechtigkeit vor Gott im
Rechtfertigungsgeschehen fundamental von einer Strafgerechtigkeit und damit auch von
allen anderen Gerechtigkeitsformen im menschlichen Miteinander unterscheidet. Gottes
Gerechtigkeit äußere sich so in der Gerechterklärung des Glaubenden durch Gottes
Barmherzigkeit, den bußfertigen Glaubenden würde ihre Schuld nicht zugerechnet werden,
sondern gnädig vergeben. Gottesgerechtigkeit sei Gnadengerechtigkeit. Sie werde gnädig
geschenkt, aber nicht durch menschliche Werke verdient. Hierzu steht die lutherische
Interpretation im Sinne seiner
theologica crucis, dass das allumfassende
Erlösungshandeln
von
Jesus Christus am Kreuz nicht durch menschliche Mitwirkung geschmälert und dadurch
entwertet werden könne. Allein im Glauben an das Heil durch Jesu Kreuzesopfer werde den
Sündern die Rechtfertigung und Erlösung Gottes aus Gnade zuteil.
[183]
In der 62. These seiner 95 Thesen,
Disputatio pro declaratione virtutis indulgentiarum (1517)
wird als der wahre Schatz der Kirche das allerheiligste Evangelium von der Herrlichkeit und
Gnade Gottes angesehen. Damit wird die Haltung der römisch-katholischen Kirche zum
Gnadenschatz
,
Thesaurus meritorum oder
Thesaurus ecclesiae konterkariert. Nicht das
Verdienst der
Heiligen
, sondern einzig und allein im Evangelium finde sich die Herrlichkeit und
Gnade Gottes, es sei der wahre Schatz der Kirche.
[184]
Luthers komplexe Theologie wird systematisch oft mit dem vierfachen „Allein“
(solus/sola)
zusammengefasst:
solus Christus
: „Allein Jesus Christus“, der wahre Mensch und wahre Gott, schaffe durch
seine stellvertretende Hingabe am Kreuz ein für alle Mal des Glaubenden Rechtfertigung
und Heiligung, die ihm im mündlichen Evangelium und im Abendmahl zugeeignet werde. Dies
sei der tragende Grund der übrigen drei Prinzipien:
sola gratia
: „Allein durch Gnade“, ohne jedes eigene Zutun werde der Mensch von Gott
gerechtfertigt.
sola fide
: „Allein durch den Glauben“, die Annahme Jesu Christi, komme des Menschen Heil
zustande.
sola scriptura
: „Allein die Heilige Schrift“ sei die Quelle dieses Glaubens an und des Wissens
von Gott und daher der kritische Maßstab allen christlichen Redens und Handelns. Sie sei
aber von ihrer „Mitte“ Jesus Christus her kritisch zu beurteilen.
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