Polemische Spätschriften
Herzog
Heinrich II. von Braunschweig-Wolfenbüttel
war nach dem Tod Georgs von Sachsen
einer der profiliertesten Fürsten auf altgläubiger Seite.
[197]
Er trat auch publizistisch hervor. In
seiner gegen Kurfürst Johann Friedrich I. gerichteten, polemischen Duplik (1540) bezeichnete
er diesen als „Trunkenbold von Sachsen“ und behauptete, Luther würde ihn „seinen lieben
andächtigen
Hans Wurst
“ nennen. Luther verfasste eine Gegenschrift (
Wider Hans Worst
,
1541), die mit ihrer Schärfe und Grobheit unter seinen sonstigen polemischen Schriften
auffällt;
[198]
sie enthält aber auch eine Darstellung seiner
Ekklesiologie
.
[199]
Luther erwartete in seinen letzten Lebensjahren das Weltende. Er beschäftigte sich in
größerem Maße mit der Johannesapokalypse, die er in jüngeren Jahren noch als problematisch
betrachtet hatte. Den Papst identifizierte er als
Antichrist
, nachdem dieser
Bücherverbrennungen von Luthers Schriften anordnete. Die Türken und das Papsttum waren
die beiden Mächte, die die letzte Bedrohung der Christenheit darstellten. Erschüttert
reagierte er deshalb auf den Friedensschluss, den Kaiser und Papst 1544 mit den Türken
erzielten, in Luthers Sicht ein „verbrecherischer und wahnwitziger Vorgang“.
[200]
Zur Trias der
vermeintlichen Feinde Christi, die Luther in seinen letzten Jahren mit Polemik überzog,
gehörten außerdem die Juden. Die Schrift
Von den Juden und ihren Lügen
(1542) war dadurch
veranlasst, dass Luther nicht akzeptierte, dass Juden in einigen protestantischen Territorien
geduldet wurden. Sie fand, wie alle antijüdischen Schriften Luthers, ein recht geringes
Publikumsinteresse. Aber das kursächsische Judenmandat vom 6. Mai 1543 berief sich
ausdrücklich auf Luthers Schrift, und Luther war am Tag der Ausstellung beim Kurfürsten zu
Gast.
[201]
Musik
→
Hauptartikel:
Liste der Kirchenlieder Luthers
und
Geschichte des geistlichen Liedes auf dem
europäischen Kontinent #Martin Luther und sein Umfeld
Schon früh kam Luther mit der Musik in Berührung, wichtige Markierungspunkte dürften die
Zeit in Eisenach von 1498 bis 1501 gewesen sein, wo er als Kurrendensänger sein
Lebensunterhalt verbesserte und im Chorus musicus der Georgenkirche sang. Sein Studium
der Sieben Freien Künste, Septem artes liberales in Erfurt führte ihn auch musiktheoretischen
Themen zu. Als er im April 1503 in der Nähe von Erfurt durch einen Degenstich verletzt wurde,
zwang ihn die stark blutende Stichverletzung am Oberschenkel zur nachhaltigen Bettruhe.
Während des Krankenlagers lernte und verbesserte er sein
Lautenspiel
. Luther erhielt dabei
Unterricht von Erfurter Studenten. Auch mit dem Niederschreiben von Musikstücken, etwa der
Intabulierung
, einem damals üblichen Verfahren, Singstimmen (
Vokalmusik
), also Gesänge in
Instrumentalmusik zu übertragen, befasste er sich vermehrt in dieser Zeit. So verstand er es,
im polyphonen Stil seiner Zeit zu komponieren. Seine besondere Wertschätzung fanden die
Kompositionen
von
Josquin Desprez
und
Ludwig Senfl
, zu dem er um 1520 brieflichen Kontakt
hielt. Denn während seiner Romreise von 1511 bis 1512 lernte er in Italien, die sich wandelnde
Kirchenmusik kennen. So war er durch die Kompositionen von Josquin Desprez stark bewegt,
seine Werke beeinflussten nachhaltig Luthers Vorstellungen von einer reformatorischen
Kirchenmusik.
[202]
Kurfürst Friedrich der Weise, der auf reichhaltige Hofmusik bedacht war, stellte um das Jahr
1525
Johann Walter
als Sänger und Komponist in die kursächsische Hofkapelle zu Torgau ein.
Der Kurfürst starb bereits im selben Jahr. Sein Nachfolger Kurfürst
Johann der Beständige
legte hingegen keinen Wert auf Figuralmusik und löste 1526 die Hofkantorei auf, nachdem
Walter noch im Herbst 1525 zusammen mit Martin Luther in Wittenberg die Reform der
deutschen Messe in die Wege geleitet hatte. Für die Reformation wurde der
Gemeindegesang, bis dahin in der römisch-katholischen Messe unüblich, zu einem
wesentlichen Element der Gottesdienste. Obzwar es seit dem Mittelalter in der Römischen
oder Lateinischen Kirche Bücher mit liturgischen Gesängen gab, wie
Graduale
und
Antiphonale
,
waren sie nicht für den Gemeindegesang bestimmt. Sie enthielten lateinische Gesänge des
Gregorianischen Chorals
und waren für den Chor oder die
Choralschola
ausgelegt.
Luther maß der Musik wie der Theologie höchste Bedeutung für das
Seelenheil
des
Menschen zu, weil sie „den Teufeln zuwider und unerträglich sei“ und „solches vermag, was nur
die Theologie sonst verschafft, nämlich die Ruhe und ein fröhliches Gemüte.“
[203]
Er war selbst
ein geübter Sänger, Lautenspieler und Liedkomponist und kannte Werke von Komponisten wie
Josquin Desprez, Ludwig Senfl,
Pierre de la Rue
und
Heinrich Finck
.
[204]
Dabei wies Luther, im Unterschied zum mittelalterlichen Verständnis der Musikausübung, der
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