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5.1.3 Begriffe im Umfeld der Neuen Medien
Im Bereich Computer, Internet und Software hat sich im Laufe der Jahre ein
Jargon entwickelt, mit dem spezifische Eigenschaften von z.B. Lernsoftware be-
schrieben werden. Leider wird der Wortschatz oft unreflektiert verwendet. Viele
Benutzern sind sich nicht bewusst, was die benutzten Wörter eigentlich bedeu-
ten. Daher erachte ich es als zwingend notwendig, auf die zentralen Begriffe
Multimedia, Interaktion und Interaktivität im Kontext Neuer Medien und
Lernsoftware einzugehen.
a) Multimedia
Da der Begriff Multimedia „in höchstem Masse heterogen und inflationär“ ver-
wendet wird (Pfammatter 1998: 9), ist eine genaue Definition unumgänglich.
Pfammatter verwendet den Begriff ausschließlich im Kontext von computerba-
sierten, digitalen Medien, welche mittels Digitalisierung eine Integration von
zeitabhängigen und zeitunabhängigen ermöglichen und macht als weiteres ent-
scheidendes Merkmal die Interaktivität aus. So definiert er Multimedia als „in-
teraktive, digitale Medienintegration“ (Pfammatter 1998: 10).
Diese Koexistenz von kontinuierlichen und diskreten Medien ist jedoch keine
hinreichende, sondern eine notwendige Bedingung. Erst wenn eine Computer-
anwendung „neben Text und Bild mindestens ein zeitunabhängiges Medium ent-
hält, also Video, Ton, Animation oder Simulation“ (Hasebrook 1998: 103), und
sie dem Benutzer die Möglichkeit gibt, in den Ablauf einzugreifen (Interaktivität)
ist der Begriff Multimedia angebracht.
Ähnlich beschreibt Doelker den Begriff Multimedia. Er gibt an, dass die
Darstellung von Text, Bild und Ton auf einem Computer zunächst nur ‚Multikode’
und nicht Multimedia sei. Erst durch die Existenz der „Option des Rezipienten
im Sinne von Interaktivität“ (Doelker 1998: 37) wird die multicodale Präsenta-
tion zu einer multimedialen.
Weitere Merkmale von Multimedia sind bei Klimsa (1997: 7) zu finden. Neben
der Interaktivität sind hier des Weiteren die Möglichkeit zur Ausführung mehre-
rer Prozessen nebeneinander (Multitasking) und die „simultane Eingabe von
Daten über mehrere Geräte (Datenhandschuh, Maus, Touch-Screen, Instrumente
usw.)“ (ebd.) Teil des Multimedia-Begriffs. Die alleinige gleichzeitige Darstellung
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von Bild, Ton, Text, Grafik – von mehreren Informationsträgern also und somit
das, was von vielen unter dem Begriff Multimedia im Sinne der Multicodalität
(s.u.) verstanden wird – wird hier als Parallelität bezeichnet.
Für Weidenmann (2002: 47) ist die multimediale Eigenschaft nur eine von ins-
gesamt dreien, die unter dem Begriff Multimedia zusammengefasst sind. Der
multimediale Aspekt bezeichnet hier nur die Kombination von verschiedenen
Informationsträgern. Multicodalität und Multimodalität (s.u.) vervollständigen
seine Definition von Multimedia.
Vergleichbare Beschreibungen des Begriffes Multimedia analysiert Schulmeister
(2002: 19-22) und leitet daraus folgende Beschreibung für Multimedia ab, wel-
cher ich für meiner Arbeit übernehme: Informationen von unterschiedlichen
Datenträgern werden durch einen Computer miteinander verknüpft und dem
Benutzer so angeboten, dass dieser sie über mögliche Interaktion mit verschie-
denen Sinnen erfassen und interpretieren kann. Kurz: Multimedia ist eine „in-
teraktive Form des Umgangs mit symbolischem Wissen in einer computergestütz-
ten Interaktion“ (Schulmeister 2002: 22).
b) Multicodalität
Als multicodal bezeichnet Weidenmann (2002: 47) „Angebote, die unterschied-
liche Symbolsysteme
[23]
bzw. Codierungen aufweisen“, also z.B. ein Text mit
Bildern oder Zeichnung mit Erklärungen. Dabei geht er in seinen Beispielen nur
auf die Kombination zweier Codes ein. Doelker (1998: 37) erweitert die
Multicodalität auf drei mögliche, simultan benutzte Codesysteme (Text, Bild und
Ton). Diese Multicodalität ist es auch, die häufig mit dem Begriff Multimedia ge-
meint ist: das gleichzeitige Darstellen von visuell und auditiv erfassbaren
Codierungen.
c) Multimodalität
Die Sinnesmodalität beschreibt, mit welchem der fünf Sinne die codierte
Botschaft erfasst werden kann. So kann ein geschriebener Text nur mit dem
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23 Informationen lassen sich in verschiedenen Formaten – in Symbolsystemen wie dem ver-
balen oder piktorialen System– darstellen. Diese wiederum bestehen aus Codes und
Subcodes (vgl. Weidenmann 2002: 46)
Sinneskanal Auge erfasst werden, der gleich Text vorgetragen nur mit den
Ohren. So muss der jeweils in Worten codierte Text je nach Präsentationsform
unterschiedlich aufgenommen werden. Multimodalität bezeichnet somit das
gleichzeitige Ansprechen mehrerer Sinneskanäle (vgl. Reinmann 2005: 77).
d) Interaktion und Interaktivität
Reinmann (2005) verweist auf Metzer und Schulmeister, die vier Möglichkei-
ten zur Interaktion nennen: Die Interaktion kann zwischen Nutzer und
1. der Hardware des Computers,
2. der Benutzerschnittstelle des Computers,
3. dem Inhalte (z.B. eines Lernprogramms) und
4. anderen Nutzern (soziale Interaktion).
stattfinden. Da diese Definition zu undifferenziert ist, benutzt Schulmeister spä-
ter den Begriff der Interaktivität, um die Einflussnahme auf den Gegenstand im
virtuellen Raum zum Zwecke des Lernens zu beschreiben (Reinmann 2005: 79).
Ähnlich definiert Pfammatter (1998: 10) Interaktivität. Für ihn zeichnet sie sich
durch die Möglichkeit zur bewussten Manipulation durch den Benutzer aus. So
kann eine interaktive Software reagieren, indem sie z.B. verzweigte, vom Autor
programmierte Wegen anbieten und der Nutzer sich nach Interesse entscheiden
kann, welchem der Wege er folgt oder die Software ‚intelligent’ reagiert, die
Manipulationen durch den Nutzer selbst deutet und so das weitere Vorgehen
steuert. Der Benutzer ist so nicht nur Empfänger, sondern kann auch Sender sein,
was ein weiteres Merkmal von Interaktivität ist.
In diesem Sinne werde ich im Folgenden Interaktivität als die Möglichkeit des
Nutzers zur Manipulation der Informationsdarstellung bezeichnen. Diese um-
fasst die Steuerung der Art (Codierung) und Geschwindigkeit der Darstellung
sowie den Inhalt der Information selbst. Dabei wird keine Unterscheidung ge-
troffen, ob der Nutzer sich selbst und bewusst für diese Manipulation entschei-
det (z.B. Wahl einer anderen Darstellungsform) oder ob die Software (durch ent-
sprechend verzweigte Programmierung oder „Intelligenz“) während der
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Benutzung den Kenntnisstand des Nutzers erkennt und ihm die Informationen
auf einem angemessenen Schwierigkeitsniveau präsentiert. Als Interaktion wer-
de ich den realen oder virtuellen Kontakt zwischen den Lernenden untereinan-
der oder mit den Lehrenden bezeichnen.
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