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Bog'liq
23 SYLVIA WINKELMANN Ein baktrischer Ede

Stilistische Parallelen 
Der zweite Bezugspunkt ergibt sich aus stilistischen 
Gründen. Die schlanken gelangten Frauenfiguren mit 
ihren bodenlangen, die Füße bedeckenden Kleidern, den 
schmalen Taillen, den breiten Schultern mit ausgepräg-
ten Schulterkugeln, die fein gearbeiteten Gesichter mit 
dem schlanken leicht seitlich versetztem Hals, die Dar-
stellung im Wechsel von Profil zu 
en face
und die kanoni-
sierte Armhaltung mit den vor der Taille zusammenge-
legten kleinen reduzierten Händen finden ihre genaue 
Entsprechung in den Frauendarstellungen auf den trans-
elamischen Rollsiegeln der bronzezeitlichen Kermankul-
tur und hier besonders bei den Siegeln des plastischen 
Stils aus dem frühdynastisch bis Anfang der Akkadzeit zu 
datierenden Friedhof A von Shahdad.
9
Auf diesen trans-
elamischen Rollsiegeln wie auch auf anderen Objekten 
der transelamischen Kleinkunst begegnen uns auch eine 
Vielzahl von geflügelten Frauen wie auch von Mischwe-
sen, deren nach oben innen eingerollte Flügel die Form 
der baktrischen Flügel direkt vorwegnehmen (Potts 1981: 
Abb. 1 TY 32, 2 TY 34; Legrain 1921: Nr. 279, Tf. XVIII; 
Lamberg-Karlovsky 1973: Tf. XXVIc; Porada 1982: Abb. 9a-
b; Amiet 1986: Abb. 132-137; Hakemi 1997: 661 Ib.3). Ob-
wohl der Bildträger hier ein anderer ist, dürften Stil und 
Form der Darstellungen auf diesen Rollsiegeln wohl als 
der direkte Ausgangspunkt für die baktrische Umsetzung 
der anthropomorphen geflügelten Wesen in Form eines 
Compartimentsiegels zu betrachten sein sein. Für diese 
Einflußrichtung spricht auch das Kaunakesgewand der 
Frauen auf den baktrischen Siegeln, dessen Ursprungsge-
biet im spätfrühdynastischen Mesopotamien liegt und 


192 
dessen Vermittlung über den Iran nach Baktrien un-
bestritten ist. Stilisierte (weil auf der kleinen Bildfläche 
anders nicht umsetzbare) Kaunakesdarstellungen finden 
sich auf vielen der transelamischen Rollsiegel, ebenso 
aber auch bei den stilistisch mit diesen eng verwandten 
aber etwas jüngeren Frauendarstellungen auf der Silber-
vase von Persepolis (Calmeyer 1989). Diese in die Zeit des 
Puzur-Inshushinak datierte Vase wiederholt detailliert 
Frisuren, Kleiderschnitt und das Kaunakesgewand mit 
den geflammten bewegten Zotten, wie sie auf den baktri-
schen Compartimentsiegeln und in der baktrischen Stein-
plastik wieder zu finden sind (Winkelmann 1998). Sie 
weist auch die Begrenzung des Bildfeldes mit einem Guil-
loche- oder Flechtbandmotiv auf, das den Rahmen des 
eingangs besprochenen baktrischen Compartimentsiegels 
ziert, wenngleich das altorientalische Motiv des Flecht-
bandes selbst bereits schon wesentlich früher Eingang in 
die Kunst des Kerman- und Seistangebietes gefunden hat 
(Hakemi 1997: 532 Ja.7, 322 und 613 Fk.8; Amiet 1986: Abb. 
128). 
Motivische Parallelen
[Abb. 6c]
 
Führte uns bereits die stilistische Umsetzung des Motivs 
in den iranischen Bereich, so wird die Verbindung zur 
iranischen Kunst noch deutlicher, wenn wir nach dem 
Ursprung des Motivs selbst suchen. Das Motiv der Frau, 
die auf einem schreitenden Feliden bzw. Felidenmisch-
wesen thront, erscheint bereits in einer anderen stilisti-
schen Umsetzung auf einem Siegel aus der Sammlung 
Foroughi, das sich heute im Louvre befindet (Musée du 
Louvre, AO 26067; Amiet 1973: Abb. 5; 1986: Abb. 183) 
[Abb. 6c]. Hier sitzt wieder eine Frau im langen, die Füße-
bedeckenden Kleid mit rundem Halsausschnitt auf einem 
Felidenmischwesen. Sie blickt nach rechts und hält einen 
Kelch in der Hand, aus dem sie zu trinken scheint. Das 
Mischwesen, auf dessen Rücken sie thront, läuft nach 
links und nimmt dieselbe Schreitbewegung mit einem 
erhobenen Bein ein, wie das Tier auf dem oben bespro-
chenen Siegel. Der Felide besitzt einen Löwenkopf mit 
deutlich erkennbarem ziseliertem Mähnenwulst, verse-
hen aber mit Horn und Bart und einer aus dem aufgeris-
senen Maul herausgestreckten Zunge. Seine kräftigen 
Beine sind deutlich mit Muskeln, Gelenken und Krallen 
gearbeitet. Es dürfte sich um einen Löwendrachen han-
deln, der sich mit dem baktrischen Siegel der Abbildung 
6a verbinden läßt. 
Datierung und Herkunft 
Entscheidend für die Frage des Ursprungs dieses Motivs 
ist die Datierung dieses Siegels, das aus dem Kunsthandel 
stammt und bisher abwechselnd als baktrisch und als 
südostiranisch interpretiert wird (Amiet 1986: Abb. 183).
10
Analysiert man den Stil der Siegeldarstellung, wird je-
doch sehr schnell deutlich, da
β
sich dieses Siegel nicht als 
baktrisch einordnen läßt und einem anderen Kunstkreis 
zugeordnet werden muß [Abb. 7]. 
Auffällig ist bereits die Gedrungenheit der Figuren im 
Gegensatz zu den schlanken baktrischen Darstellungen. 
Noch deutlicher sind die Einzeldetails: die Physiognomie 
und Frisur der Frau weichen völlig von denen der baktri-
schen Siegel ab. Die Frau besitzt eine fliehende Stirn und 
eine große vorspringende Hakennase mit betontem Na-
senflügel, die Lippen sind ungegliedert und wulstig, das 
übrige Gesicht ist flach gehalten, die Augen sind groß, 
mandelförmig und doppelt umrahmt, das Ohr ist stili-
siert. Das Kinn ist kräftig und relativ lang. Nahezu identi-
sche Physiognomien zeigen die Menschendarstellungen 
auf den Chloritgefäßen im ‘Intercultural Style’ (Zarins
Abb. 7: Vergleich der Frauendarstellung auf dem Kermansiegel mit Darstellungen in der südostiranischen kunst, Mitte 3. Jarhtausend v.Chr. 
(Zeichnungen der Autorin). A) Abb. 6c; B) Nach Amiet 1986: Abb. 71; C) Nach Durrani 1964: Tf. II.6; D) Nach Hakemi 1997: 333 Textabbildung, La. 
6; E) Nach Porada 1993: Abb. 31; F) Nach Amiet 1986: Abb. 128; G) Nach Collon 1997: Abb. 1). 

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