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dessen Vermittlung über den Iran nach Baktrien un-
bestritten ist. Stilisierte (weil auf der kleinen Bildfläche
anders nicht umsetzbare) Kaunakesdarstellungen finden
sich auf vielen der transelamischen Rollsiegel, ebenso
aber auch bei den stilistisch mit diesen eng verwandten
aber etwas jüngeren Frauendarstellungen auf der Silber-
vase von Persepolis (Calmeyer 1989). Diese in die Zeit des
Puzur-Inshushinak datierte Vase wiederholt detailliert
Frisuren, Kleiderschnitt und das Kaunakesgewand mit
den geflammten bewegten Zotten, wie sie auf den baktri-
schen Compartimentsiegeln und in der baktrischen Stein-
plastik wieder zu finden sind (Winkelmann 1998). Sie
weist auch die Begrenzung des Bildfeldes mit einem Guil-
loche- oder Flechtbandmotiv auf, das den Rahmen des
eingangs besprochenen baktrischen Compartimentsiegels
ziert, wenngleich das altorientalische Motiv des Flecht-
bandes selbst bereits schon wesentlich früher Eingang in
die Kunst des Kerman- und Seistangebietes gefunden hat
(Hakemi 1997: 532 Ja.7, 322 und 613 Fk.8; Amiet 1986: Abb.
128).
Motivische Parallelen
[Abb. 6c]
Führte uns bereits die stilistische Umsetzung des Motivs
in den iranischen Bereich, so wird die Verbindung zur
iranischen Kunst noch deutlicher, wenn wir nach dem
Ursprung des Motivs selbst suchen. Das Motiv der Frau,
die auf einem schreitenden Feliden bzw. Felidenmisch-
wesen thront, erscheint bereits in einer anderen stilisti-
schen Umsetzung auf einem Siegel aus der Sammlung
Foroughi, das sich heute im Louvre befindet (Musée du
Louvre, AO 26067; Amiet 1973: Abb. 5; 1986: Abb. 183)
[Abb. 6c]. Hier sitzt wieder eine Frau im langen, die Füße-
bedeckenden Kleid mit rundem Halsausschnitt auf einem
Felidenmischwesen. Sie blickt nach rechts und hält einen
Kelch in der Hand, aus dem sie zu trinken scheint. Das
Mischwesen, auf dessen Rücken sie thront, läuft nach
links und nimmt dieselbe Schreitbewegung mit einem
erhobenen Bein ein, wie das Tier auf dem oben bespro-
chenen Siegel. Der Felide besitzt einen Löwenkopf mit
deutlich erkennbarem ziseliertem Mähnenwulst, verse-
hen aber mit Horn und Bart und einer aus dem aufgeris-
senen Maul herausgestreckten Zunge. Seine kräftigen
Beine sind deutlich mit Muskeln, Gelenken und Krallen
gearbeitet. Es dürfte sich um einen Löwendrachen han-
deln, der sich mit dem baktrischen Siegel der Abbildung
6a verbinden läßt.
Datierung und Herkunft
Entscheidend für die Frage des Ursprungs dieses Motivs
ist die Datierung dieses Siegels, das aus dem Kunsthandel
stammt und bisher abwechselnd als baktrisch und als
südostiranisch interpretiert wird (Amiet 1986: Abb. 183).
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Analysiert man den Stil der Siegeldarstellung, wird je-
doch sehr schnell deutlich, da
β
sich dieses Siegel nicht als
baktrisch einordnen läßt und einem anderen Kunstkreis
zugeordnet werden muß [Abb. 7].
Auffällig ist bereits die Gedrungenheit der Figuren im
Gegensatz zu den schlanken baktrischen Darstellungen.
Noch deutlicher sind die Einzeldetails: die Physiognomie
und Frisur der Frau weichen völlig von denen der baktri-
schen Siegel ab. Die Frau besitzt eine fliehende Stirn und
eine große vorspringende Hakennase mit betontem Na-
senflügel, die Lippen sind ungegliedert und wulstig, das
übrige Gesicht ist flach gehalten, die Augen sind groß,
mandelförmig und doppelt umrahmt, das Ohr ist stili-
siert. Das Kinn ist kräftig und relativ lang. Nahezu identi-
sche Physiognomien zeigen die Menschendarstellungen
auf den Chloritgefäßen im ‘Intercultural Style’ (Zarins
Abb. 7: Vergleich der Frauendarstellung auf dem Kermansiegel mit Darstellungen in der südostiranischen kunst, Mitte 3. Jarhtausend v.Chr.
(Zeichnungen der Autorin). A) Abb. 6c; B) Nach Amiet 1986: Abb. 71; C) Nach Durrani 1964: Tf. II.6; D) Nach Hakemi 1997: 333 Textabbildung, La.
6; E) Nach Porada 1993: Abb. 31; F) Nach Amiet 1986: Abb. 128; G) Nach Collon 1997: Abb. 1).
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