kippelt
CDU und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, den Bergbau unter dem Rhein bis 2009 zu beenden – wenn möglich sogar schon früher. Bis dahin will die Zeche Walsum einen weiteren 980 Meter langen Abschnitt abbauen. Doch das Nein der neuen Landesregierung ist kippelig: Sie stimmte einer lange anhängigen Grundwasserregulierung im Naturschutzgebiet Mommbach zu und machte damit erst einmal den Weg für den Abbau frei. Naturschützer und Bürgerinitiativen werfen der schwarz-gelben Koalition nun Wortbruch vor.
JOE (T05/AUG.01833 die tageszeitung, 11.08.2005, S. 2; Das Land kippelt)
Kinder, so die Museumsmacher, „sind bei uns besonders willkommen”. Doch auch Erwachsene – mit und ohne Familie – können hier schmieden und filzen, imkern, weben, Körbe flechten oder einfach nur ganz entspannt in die Vergangenheit spazieren. Etwa 180.000 Besucher zählt das Freilichtmuseum mit seinen neun Nebenstellen jährlich.
Bei den Drittklässlern der Grundschule Scheeßeler Kehre in Sinstorf dreht sich an diesem sonnigen Dienstag alles ums Brot. Mit Klassenlehrerin Kathein Niemann-Baecker haben sie im Sachkundeunterricht gerade das Thema „Vom Korn zum Brot” behandelt. Nun übernimmt Museumsmitarbeiterin Ilse Nehrmann: „Wie wurde wohl vor 200 Jahren Mehl gewonnen”, fragt sie in die Runde. Erzählt von einer Zeit, als noch Ochse oder Pferd vor den Pflug gespannt und zum Düngen Mist auf die Felder gekarrt wurde. Weil der eine oder andere inzwischen auf seinem kleinen Hocker kippelt, folgt jetzt wieder ein praktischer Teil.
„Das Backen war toll”, kommentiert die neunjährige Fatma zufrieden. „Gleich gehen wir noch zum Dreschen, ich bin mal gepannt, wie das wird.” In erster Linie anstrengend, weiß Fatma wenige Minuten später. Der altertümliche Dreschflegel ist schwer, die Kinder mühen sich zaghaft, einige Mutige hauen schließlich auch mal kräftig auf die Ähren. Als Ilse Nehrmann fragt, welches Getreide sie denn hier bearbeiten, kann sie mit der Antwort zufrieden sein. „Roggen!”, ruft die Gruppe fast einstimmig, und Nehrmann erklärt, dass dieser früher in der Heide besonders gut gedieh. Zur Belohnung kommt jetzt noch die Windfege zum Einsatz, die die Spreu vom Korn trennt, und alle drehen begeistert an der Kurbel. (T05/SEP.04229 die tageszeitung, 24.09.2005, S. 24; Reise in die Vergangenheit)
Die Geschichte der Wiedervereinigung ist eine der Deindustrialisierung. Beim Samsung-Röhrenwerk in Schöneweide gab es wenigstens eine Dekade der Hoffnung. Doch nun will der koreanische Konzern das Traditionswerk schließen. Ein Schicksal, das fast jeder Ostberliner Großbetrieb kennt
VON RICHARD ROTHER
Wolfgang Kippel ist ein viel beschäftigter Mann, noch. Der Betriebsratschef des von der Schließung bedrohten Samsung-Werkes in Oberschöneweide wälzt in seinem schmucklosen Büro Akten und organisiert den Protest. Alle zwei Minuten kommt ein Anruf. „Gysi kommt”, sagt Kippel nach einem Telefonat, und die Augen des 56-Jährigen leuchten kurz auf.
An der Wand in Kibbels Büro hängt eine detaillierte Europakarte, ein Bild mit Symbolwert: Berlin liegt auf dieser Karte zentral. Aber Korea, wo die Entscheidungen bei Samsung fallen, ist nicht zu sehen. Dafür Budapest, ein paar Zentimeter unterhalb Berlins. Dort, in der Nähe der ungarischen Hauptstadt, hat Samsung ein neues Werk gebaut, dort werden die neuen Flachbildschirme produziert, die die alten in Berlin gefertigten Bildröhren ersetzen. (T05/OKT.00177 die tageszeitung, 01.10.2005, S. 27; Das Ausnahme-Werk, das die Regel bestätigt)
Die Geschichte der Wiedervereinigung ist eine der Deindustrialisierung. Beim Samsung-Röhrenwerk in Schöneweide gab es wenigstens eine Dekade der Hoffnung. Doch nun will der koreanische Konzern das Traditionswerk schließen. Ein Schicksal, das fast jeder Ostberliner Großbetrieb kennt
VON RICHARD ROTHER
Wolfgang Kippel ist ein viel beschäftigter Mann, noch. Der Betriebsratschef des von der Schließung bedrohten Samsung-Werkes in Oberschöneweide wälzt in seinem schmucklosen Büro Akten und organisiert den Protest. Alle zwei Minuten kommt ein Anruf. „Gysi kommt”, sagt Kippel nach einem Telefonat, und die Augen des 56-Jährigen leuchten kurz auf.
An der Wand in Kibbels Büro hängt eine detaillierte Europakarte, ein Bild mit Symbolwert: Berlin liegt auf dieser Karte zentral. Aber Korea, wo die Entscheidungen bei Samsung fallen, ist nicht zu sehen. Dafür Budapest, ein paar Zentimeter unterhalb Berlins. Dort, in der Nähe der ungarischen Hauptstadt, hat Samsung ein neues Werk gebaut, dort werden die neuen Flachbildschirme produziert, die die alten in Berlin gefertigten Bildröhren ersetzen. Und zum Jahreswechsel, so plant Samsung, macht der letzte Großbetrieb in Schöneweide dicht, das jahrzehntelang den Kern der Ostberliner Industrie bildete. Die Geschichte der Wiedervereinigung ist eine der Deindustrialisierung. (T05/OKT.00177 die tageszeitung, 01.10.2005, S. 27; Das Ausnahme-Werk, das die Regel bestätigt)
Samsung-Protest geht weiter
Jeden Freitag gehen die Beschäftigten des vor der Schließung stehenden Samsung-Werkes in Schöneweide auf die Straße. Ziel des Protestes am 7. Oktober: die koreanische Botschaft in Schöneberg. „Dort übergeben wir eine Unterschriftensammlung zum Erhalt unseres Werkes”, sagte gestern Wolfgang Kippel, Schöneweider Betriebsratschef des koreanischen Konzerns. Anschließend geht es zur großen Samsung-Werbung am Charlottenburger Tor. An der Kundgebung werden der DGB-Landeschef Dieter Scholz und der Bundestagsfraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi, teilnehmen. Dass der Protest am 7. Oktober, zum 56. Jahrestag der DDR-Gründung, stattfindet, sei „zufällig, aber symbolträchtig”, so Kippel. Die Beschäftigten im Samsung-Glaswerk im brandenburgischen Tschernitz sollen indes auf Lohn verzichten. Eine entsprechende Forderung habe die Geschäftsführung dem Betriebsrat übermittelt, sagte Betriebsratschef Ralf Lorenz gestern. Die rund 400 Arbeitsplätze sah Lorenz aber nicht akut gefährdet.
ROT (T05/OKT.00565 die tageszeitung, 05.10.2005, S. 21; Samsung-Protest geht weiter)
Samsung-Protest geht weiter
Jeden Freitag gehen die Beschäftigten des vor der Schließung stehenden Samsung-Werkes in Schöneweide auf die Straße. Ziel des Protestes am 7. Oktober: die koreanische Botschaft in Schöneberg. „Dort übergeben wir eine Unterschriftensammlung zum Erhalt unseres Werkes”, sagte gestern Wolfgang Kippel, Schöneweider Betriebsratschef des koreanischen Konzerns. Anschließend geht es zur großen Samsung-Werbung am Charlottenburger Tor. An der Kundgebung werden der DGB-Landeschef Dieter Scholz und der Bundestagsfraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi, teilnehmen. Dass der Protest am 7. Oktober, zum 56. Jahrestag der DDR-Gründung, stattfindet, sei „zufällig, aber symbolträchtig”, so Kippel.Die Beschäftigten im Samsung-Glaswerk im brandenburgischen Tschernitz sollen indes auf Lohn verzichten. Eine entsprechende Forderung habe die Geschäftsführung dem Betriebsrat übermittelt, sagte Betriebsratschef Ralf Lorenz gestern. Die rund 400 Arbeitsplätze sah Lorenz aber nicht akut gefährdet.
ROT (T05/OKT.00565 die tageszeitung, 05.10.2005, S. 21; Samsung-Protest geht weiter)
Entsprechend genervt klingt das „außerordentliche Bedauern” der Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD): „Ich hoffe, dass die Baufirma die Probleme schnell lösen wird.” Eventuell anfallende höhere Baukosten würden nicht vom Land getragen. Dazu sei die Firma Hochtief per Vertrag verpflichtet. Dort wollte sich niemand äußern.
Unter Berlins schickstem Platz ist einiges schief gegangen: Im Moment heben Bagger die 19 Meter tiefe Grube aus. Zuvor wurden ringsum Betonwände in die Erde gerammt, um das Grundwasser abzuhalten. Eine erste Bodenplatte hat sich jetzt als löchriger als geplant erwiesen. Die Folge: „Die Firma muss langsamer graben, weil die Erde in der Grube abdichtend wirkt”, sagt Reetz. Um zu verhindern, dass das Hotel Adlon oder das Brandenburger Tor kippeln, wollen Bauplaner die Flut eindämmen: mit „Betoninjektionen”, die abdichten, mit verstärkten Grubenwänden und mit Pumpen, die mehr Nass absaugen.
Während die Senatorin dies alles „enttäuschend” findet, sagt der Fahrgastverband Igeb Ja zum deutschen Wasser. „Es ist doch gut, dass höhere Gewalt einen so teuren wie provisorischen Frühstart verhindert”, sagt der Vorsitzende Christfried Tschepe. Eine vorübergehende Inbetriebnahme zur WM wäre mehrere zehntausend Euro teurer gewesen – durch Änderungen an der Baustelle und den Einsatz von mehr Personal. CDU-Verkehrsexperte Alexander Kaczmarek hält die Verspätung für einen „schlechten Scherz”. Er plädiert für einen zügigen Weiterbau der „einer Hauptstadt unwürdigen” Stummelbahn. „Auf zweifelhafte Zwischenlösungen sollte Berlin verzichten und stattdessen die wichtige Cityverbindung U5 bis zum Alex herstellen.” Die grüne Verkehrsfachfrau Claudia Hämmerling bezeichne (T05/OKT.04529 die tageszeitung, 27.10.2005, S. 21; Kanzler-U-Bahn säuft ab)
Zudem hatte er sich wie auch Hanns-Peter Hartmann von seiner Abfindung eine Eigentumswohnung in Kassel zugelegt, die unvermietbar war, so dass er bald auch noch einen Haufen Schulden hatte. Heute ist er in der Initiative Berliner Bankenskandal aktiv.
Der Betriebsratsvorsitzende von Narva, Michael Müller, ein gelernter Schweißer, kuckte sich erst in Lateinamerika nach einem Job auf einer Finca um, dann nahm er eine Stelle als Hausmeister auf dem ehemaligen Narva-Gelände an. Unauffindbar sind der ehemalige Betriebsratsvorsitzende von Orwo, Hartmut Sonnenschein, sowie der Betriebsratsvorsitzende der DDR-Reederei DSR, Eberhard Wagner: Angeblich soll er in Bremerhaven für ein Forschungsschiff verantwortlich sein.
Bis jetzt gehalten hat sich dagegen der Betriebsratsvorsitzende des Werks für Fernsehelektronik in Oberschöneweide, Wolfgang Kippel.Bei unserem letzten Gespräch war er noch ganz optimistisch: „Wer es schafft, bei Samsung reinzukommen, der verlässt den Betrieb als Rentner”, meinte er. Damit wird es nun leider nichts mehr, auch sein Job läuft wohl aus. Einer, der nie so optimistisch war, aber dennoch immer noch als Betriebsrat wirkt, ist Gerhard Lux. Er arbeitet in einem AEG-Werk in Marienfelde. Auch die AEG wurde inzwischen abgewickelt, aber seinen Betriebsteil übernahm ein französischer Konzern: „Wie lange das gut geht, weiß ich nicht”, meinte er auf der letzten 1.-Mai-Demo der Gewerkschaften. Und schlug dann ein Treffen aller bis 1994 in der Betriebsräteinitiative Engagierten vor. Oben Stehende sind nur ein Teil davon und selbst bei ihnen fehlen uns Adressen. (T05/OKT.04543 die tageszeitung, 27.10.2005, S. 28; HELMUT HÖGE über das Verschwinden der Betriebsräte)
Ich stech dir in den Hals und danach in den Bauch, um sicher zu sein, dass du auch wirklich tot bist, fick ich auf dich ein, bis alles blutrot ist.
B-Tight, Märkisches Viertel, nicht auf dem Index
Nur noch ein paar Zentimeter, dann kippt der Sessel um. Dennis* turnt gedankenverloren auf dem Mobiliar herum, hebt es hoch, lädt es sich auf den Bauch. Was er an diesen Texten von B-Tight so toll findet, wurde er gefragt. Dennis hat keine Antwort und kippelt verlegen mit dem Polstermöbel. Der elfjährige Junge mit dem blondierten Kurzhaarschnitt und den Jogging-Klamotten scheint überhaupt nicht zu merken, dass er schon wieder eine der „Regeln für den Umgang mit den Räumen und Gegenständen in der Gruppe Ypsilon” bricht.
„Du willst unbedingt ans Licht …”, fängt er an und wippt dabei rhythmisch mit dem Sessel. „Doch kommst nicht an mir vorbei, schenk mir weiter böse Blicke und ich fetze dich zu Brei”, geht der Text weiter. Aber Dennis wird nach dem ersten Satz unterbrochen. „Hey!”, ruft die Aufsicht, „kennst Du die Regeln nicht?!” Innerhalb einer Minute hat Dennis zwei Regeln gebrochen – eine im Umgang mit Gegenständen und eine im Umgang mit Menschen: „Ich singe oder spreche keine Liedtexte, die in der Tagesgruppe verboten sind (Sido, Fler, B-Tight etc.), auch keine Sätze oder Passagen daraus.” (T05/NOV.02657 die tageszeitung, 16.11.2005, S. 3; Sabotage aus dem Kopfhörer)
„Ich will das Kino nicht als Ganzes auf einen einzigen Sektor festreden. Ich glaube nur, dass es ärmer ist, wenn es nicht von den Leuten handelt, die auch im Publikum sitzen.”
Nike und Katrin, die beiden Liebessucherinnen in Andreas Dresens neuem Film „Sommer vorm Balkon”, könnten tatsächlich unser aller Nachbarinnen sein. Schnell ist man mittendrin in ihren großen und kleinen Alltagssorgen. In der Welt der allein erziehenden Mutter Katrin, gespielt von Inka Friedrich, die verzweifelt einen Job sucht und sich beim Vorstellungsgespräch immer denkbar unbeholfen benimmt. Etwa wenn sie das Angebot auf ein Glas Cognac voreilig annimmt oder gleich vom Stuhl zu kippeln droht. Mit ihrer besten Freundin, der Altenpflegerin Nike (Nadja Uhl), radelt sie zu noch einsameren Existenzen: zur alten Helene, die traurige Lieder auf dem Akkordeon spielt und von ihrer schnippischen Tochter ausgeschimpft wird; zum Witwer Oskar, der immer seinen Kaffee sucht und das Spülen auf der Toilette vergisst. Abends, wenn alles hinter ihnen liegt, kommen Nike und Katrin auf dem Balkon zusammen, besprechen in lauen Sommernächten den Tag, ihre Gefühlslage und was sonst noch alles ansteht. Dabei trinken sie gehörig einen über den Durst.
Eigentlich eine ganz alltägliche Szenerie, doch sie ist auch mit einer Magie belegt, mit der verwunschenen Stimmung einer endlosen Nacht, in der Melancholie und Lebenslust, Träume und Wirklichkeit zusammen an einem Tisch Platz nehmen. (T06/JAN.00688 die tageszeitung, 05.01.2006, S. 17; Zwei Sätze, und alles ist gesagt)
Ebenso menschlich engagierte sich Leder zu DDR-Zeiten. Den Stasi-Spitzeln erzählte er „hochgradige Belanglosigkeiten”. Ostdeutsche Freunde unterstützte er. Er verwaltete ihre Konten im Westen, schaffte Papiere für Republikflüchtige nachträglich über die Grenze und transportierte für einen Ostzahnarzt, der in München geblieben war, einen Kasten Zahngold als Altersversorgung von Berlin nach Bayern. „Ich hätte den Grenzern gesagt, dass das Kupfer ist, wenn die mich kontrolliert hätten”, sagt Wolf Leder.
Er ist nie in Schwierigkeiten geraten. Den Kulturfunktionären im Osten war Wolf Leder zwar suspekt. Deshalb blieb ihm vermutlich der Nationalpreis der DDR verwehrt, für den ihn die Verantwortlichen vom Friedrichstadtpalast dreimal vorgeschlagen hatte. Sein Job im Friedrichstadtpalast kippelte keine Sekunde. „Ich habe gut gearbeitet und hatte viel Glück”, erklärt sich Leder selbst seine steile Karriere. Sie begann 1927 am Landestheater Schneidemühl, dem heutigen Pila in Westpolen. Sein offizielles Arbeitsleben als Bühnenbildner endete 1992 mit der Ausstattung von „Ein Käfig voller Narren” am Schleswig-Holsteinischen Landestheater.
Langweilig ist es dem Junggesellen in den vergangenen Jahren nicht geworden. Leder liest, entwirft manchmal ein Bühnenbild, besucht Theatervorstellungen. Die letzten Monate suchte er in seinem Privatarchiv Kostümfigurinen, Bühnenentwürfe, Fotos, Dokumente und Kostüme für „seine” Ausstellung im Ephraim-Palais zusammen. „Es macht Spaß, alt zu werden”, freut sich Leder. Das glaubt man dem 100-jährigen Mann gern, der in Farbe träumt und die vier Stockwerke zu seiner Wohnung immer noch alleine schafft. (T06/JAN.05547 die tageszeitung, 31.01.2006, S. 23; Der Mann, der dem Regenbogen Farbe gab)
Alle stöhnten, aber ich überschlug mich fast vor Freude über die Gelegenheit, verfehlte Handballpässe wettzumachen. Bis ich am Reck Meyers Pranke an meinem Hintern fühlte. Selbst irritiert von seinem Treffer, murmelte er etwas von Hilfestellung, während ich mich versuchte zu erinnern, ob seine Hand gerade noch in der Pomade gewühlt hatte. Zur Sicherheit beschloss ich, mich bei der nun folgenden Sprungkastenübung nur mit einer Hand auf dem Lederdeckel abzustützen und mit der anderen den Fettfleck auf meiner Hose zu verdecken. Und so landete ich nach gelungenem Absprung genau auf der oberen Kante des Kastens, wo ich mich mit dem linken Arm gerade so abstützen konnte, dass er ordentlich ins Kippeln geriet, und der Arm fein säuberlich brach, während die rechte Hand hinter meinem Rücken panisch auf- und abflatterte.
Die Männer bei Benz bauen in drei Wochen etwa zweihundert solcher Kästen und stellen sie dann in allen möglichen Schulen Deutschlands ab. Aber auch Seitpferde, Turnmatten, Schwebebalken. Originale Foltergeräte. Und original, so die Eigenwerbung, „heißt bei Benz mehr als made in Germany. Original – das heißt bei Benz schwäbische Wertarbeit”. Wenn wieder Holz gebraucht wird, schnürt sich Schreinermeister Butz die Stiefel und sucht in den Wäldern um Winnenden das beste Material für die Turngeräte aus. Im Moment lagern auf dem Hof etwa fünfhundert Kubikmeter Kiefer und Esche. (T06/APR.02361 die tageszeitung, 15.04.2006, S. V; Foltergeräte in Wertarbeit)
Einzeller für die einen, Abschiebung für die anderen: Am traditionellen türkischen Kindertag in der Bürgerschaft mussten die Abgeordneten gestern auch sehr schwierige Antworten geben
von Anna Teweler
Vor dem Rathaus warten hundert schick gekleidete Kinder. Als sie hinein dürfen, setzt schüchternes Gedrängel in der Tür des Plenarsaals ein. Der rote Teppich und der Prunk des Gebäudes scheinen die Besucher befangen zu machen. Ein Glöckchen bimmelt. Das Kippeln auf den weichen Klappsesseln der Bürgerschaftsabgeordneten hört auf.
Dort sitzt eine Delegation von Hamburger Kindern mit türkischen Eltern: Es ist der traditionelle türkische Kindertag. 1920 wurde der von Kemal Atatürk eingeführt, Kinder und Erwachsene tauschen an diesem Tag die Rollen. Doch noch darf mit Bürgerschaftspräsident Berndt Röder ein Erwachsener sprechen. Es ist ein bisschen wie im Theater: erst gespannte Ruhe und schließlich Röders Stimme im Kasperle-Tonfall. Dann aber muss er Wort, Glocke und Stuhl an die Kinderpräsidentin Gülcan Yilmaz abgeben.
Erst recken sich nur zögerlich Finger nach oben, aber dann wollen so viele Kinder ihre Fragen loswerden, dass der türkische Fernsehmoderator Bedo gar nicht allen das Wort erteilen kann: Wie viele Tage es gedauert habe, bis das Rathaus fertig war, will jemand wissen. (T06/APR.03613 die tageszeitung, 22.04.2006, S. 32; "Gesetze nicht unbedingt gut")
Der erotisch abermals Entflammte schaut sich die fast vergessene Devotionalie noch mal genau an: „eine Rose aus roten Plastikblättern auf grün ummanteltem Drahtstängel, die Dornen stumpf; ich schnüffelte daran, und sie roch immer noch nach Plastik, nach Kindheit, und so tot sie schon immer gewesen war, sie hatte einunddreißig Jahre überlebt, ohne auch nur ein Blatt zu verlieren.”
Die imaginierte „künstliche”, mit anderen Worten: die literarische Liebe ist zwar von vornherein „tot” beziehungsweise „nicht echt”, hält dafür aber ewig. Und was noch wichtiger ist, ihre Dornen sind „stumpf”! Aber Bodo hört ja nicht … Das leitmotivische „Mühlrad-Rätsel” variiert seine heikle arkadische Existenz – als Kippfigur zwischen Ideal und Realität, Literatur und Leben. Auch das darf man leider nicht verraten. Als Bodo, der in den vorangegangenen 500 Seiten immer gern – wie ein Kind! – auf seinem Stuhl gekippelt hat, des Rätsels Lösung erfährt, fällt er hin. Das ist schon ein bisschen dick aufgetragen und trotzdem wunderschön. Der arkadische Mensch, der seine Selfmade-Idylle über mehrere Jahre schön ausbalanciert, in der Schwebe gehalten hat, landet auf dem Boden der Tatsachen. Die Realität hat ihn wieder, und in der wird gestorben. So sind die letzten 50 Seiten eine zum Weinen schöne Totenklage für Spyro, den griechischen Freund.
Vom Ende her lässt sich der ganze Roman denn auch als monumentales Epitaph lesen. Wie Schulz diesen Roman ästhetisch organisiert, wie er den Plot mit Vorausdeutungen und langen Rückblenden subtil unter Spannung hält, wie er stimmige, nie gesucht wirkende Leitmotive setzt und schlüssig verzahnt, das zeigt sein Stilgefühl und seine stupende formale Begabung. (T06/JUN.03126 die tageszeitung, 17.06.2006, S. 15; Stadium Arcadium)
Zusammenschluss von Sony und BMG kippelt
Der Fortbestand des Musikriesen Sony BMG ist gefährdet. Ein EU-Gericht erklärt die vor zwei Jahren erfolgte Genehmigung zur Fusion für nichtig. Die EU-Kommission habe das Vorhaben nicht genau genug untersucht
FREIBURG taz (T06/JUL.02430 die tageszeitung, 14.07.2006, S. 8; Zusammenschluss von Sony und BMG kippelt)
Gesundheits-Reform kippelt
DÜSSELDORF ap
Nach den Krankenkassen wollen nun auch Wohlfahrtsverbände gegen die Gesundheitsreform mobilisieren. „Wir werden den gesamten Einfluss unserer 28 Mitgliedsorganisationen in den Wahlkreisbüros, in den Städte- und Gemeindeparlamenten und bei den Landesregierungen in die Waagschale werfen, um diese Reform zu verhindern”, zitiert das Handelsblatt den Hauptgeschäftsführer der Krankenhausgesellschaft, Georg Braun. Er bezifferte die Belastungen, die wegen des Gesundheitsfonds auf die Hospitäler zukämen, auf fast 1,3 Milliarden Euro. Juso-Chef Björn Böhning forderte, SPD und Union müssten jetzt die Notbremse ziehen. Mit dem Fonds eröffneten die Kassen „die Jagd auf junge, gesunde und damit kostengünstige Versicherte”. Alte und Arme dagegen würden künftig abgewimmelt. (T06/AUG.02264 die tageszeitung, 14.08.2006, S. 7; Gesundheits-Reform kippelt)
Stuhl von Halutz kippelt
Weil Israels Generalstabschef kurz vor Kriegsbeginn Aktien abstieß, wird nun sein Rücktritt gefordert
BERLIN dpa (T06/AUG.02627 die tageszeitung, 16.08.2006, S. 2; Stuhl von Halutz kippelt)
„Aber es muss auch immer reflexive Phasen geben, in denen die Ergebnisse auf eine abstrakte Ebene gebracht werden.”
Das Fach ist gerade erst fünf Wochen alt und der Unterricht noch sehr anschaulich. Die Kinder sollen lernen, über ihren Körper und ihre Identität nachzudenken. „Wie ist das, wenn euer Bein einschläft?”, will Herr Winkler etwa wissen. Das kribbelt so, das fühlt sich voll cool an, das kann man nicht mehr richtig spüren, lauten die Antworten. Herr Winkler spielt mit seiner Brille wie früher Erich Böhme in seiner Fernseh-Talkshow. Winkler versucht den Dreh ins Abstrakte. „Gehört das Bein dann noch zu mir, wenn ich es nicht mehr spüren kann?”, fragt er. „Natürlich”, antwortet der zwölfjährige Mohammed und kippelt lässig auf seinem Stuhl, „sonst könnte ich es ja abschneiden und einfach wegwerfen.” Die Fähigkeit zur Abstraktion sei noch recht unterschiedlich ausgeprägt, bemerkt Winkler nach der Stunde.
Die meisten Schüler konnten sich vor Schuljahresbeginn unter Ethik nicht viel vorstellen. „Wir wussten nur, dass wir ein neues Fach bekommen”, sagt etwa Berivan. Von dem langjährigen Streit, den es um das Fach gegeben hat, hat in der 7.3 keiner was mitbekommen. Vor allem die Kirchen haben erbittert gegen Ethik gekämpft, hatten zuletzt die Eltern dazu aufgerufen, ihre Kinder vom Ethikunterricht abzumelden. Sie fürchteten, dass deutlich weniger Schüler den freiwilligen Religionsunterricht zusätzlich zu Ethik besuchen würden. (T06/SEP.04828 die tageszeitung, 27.09.2006, S. 23; Selbstbildnis in der sechsten Stunde)
Allerdings ist man laut Kirchenschulrat Spieckermann nur mit elf Schulen im Gespräch.
Den Schülern der 7.3 ist das egal. Sie sind eifrig bei der Sache. Wenn Herr Winkler nach eingeschlafenen Beinen oder abgeschnittenen Haaren fragt, schnellen fast alle Finger in die Höhe. „Das Interesse am Fach ist grundlegend vorhanden”, sagt der Ethik-Lehrer über die hohe Motivation seiner Schüler. „Sie wollen sich gegenüber anderen darstellen – daher ihr Interesse an Fragen wie: Wer bin ich?”
Irgendwann gegen Ende der sechsten Stunde lässt die Konzentration dann doch nach. Die Schüler rutschen auf ihren Stühlen hin und her, ihre Blicke schweifen auf den sonnigen Pausenhof, sie kippeln und tuscheln. Für die meisten von ihnen ist der Schultag aber noch nicht zu Ende. Die Siebtklässler an Berlins Gymnasien müssen jetzt bereits nach zwölf Jahren zum Abitur antreten, ihr Stundenpensum hat sich entsprechend erhöht. Da wird der Ethikunterricht, in dem man so viel diskutieren kann, als willkommene Abwechslung begrüßt. „Es ist schön, dass man hier über Menschen redet. Außerdem muss man nicht so viel denken wie in Mathe”, fasst der zwölfjährige Loay seine ersten Ethik-Stunden zusammen. Und Zainab geht die Sache noch entspannter an. „Das ist fast so wie 'ne Freistunde”, sagt sie und blickt sich schnell um, ob Herr Winkler das gehört hat.
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