* * *
Es liegen acht Mann auf unserer Stube. Die schwerste Verletzung hat Peter,
ein schwarzer Krauskopf – einen komplizierten Lungenschuss. Franz Wächter
neben ihm hat einen zerschossenen Arm, der anfangs nicht schlimm aussieht.
Aber in der dritten Nacht ruft er uns an, wir sollten klingeln, er glaube, er blute
durch.
Ich klingele kräftig. Die Nachtschwester kommt nicht. Wir haben sie
abends ziemlich stark in Anspruch genommen*, weil wir alle neue Verbände
und deshalb Schmerzen hatten. Der eine wollte das Bein so gelegt haben, der
andere so, der dritte verlangte Wasser, dem vierten sollte sie das Kopfkissen
aufschütteln; – die dicke Alte hatte böse gebrummt zuletzt und die Türen
geschlagen. Jetzt vermutet sie wohl wieder so etwas, denn sie kommt nicht.
Wir warten. Dann sagt Franz: »Klingle noch mal.«
Ich tue es. Sie lässt sich immer noch nicht sehen. Auf unserem Flügel ist
nachts nur eine einzige Stationsschwester, vielleicht hat sie gerade in andern
Zimmern zu tun. »Bist du sicher, Franz, dass du blutest?« frage ich. »Sonst
kriegen wir wieder was auf den Kopf.«
»Es ist nass. Kann keiner Licht machen?«
Auch das geht nicht. Der Schalter ist an der Tür, und niemand kann
aufstehen. Ich halte den Daumen auf der Klingel, bis er gefühllos wird.
Vielleicht ist die Schwester eingenickt. Sie haben ja sehr viel Arbeit und sind
alle überanstrengt, schon tagsüber. Dazu das ständige Beten.
»Sollen wir Flaschen schmeißen?« fragt Josef Hamacher mit dem
Jagdschein.
»Das hört sie noch weniger als das Klingeln.«
Endlich geht die Tür auf. Muffelig erscheint die Alte. Als sie die
Geschichte bei Franz bemerkt, wird sie eilig und ruft: »Weshalb hat denn keiner
Bescheid gesagt?«
»Wir haben ja geklingelt. Laufen kann hier keiner.«
Er hat stark geblutet und wird verbunden. Morgens sehen wir sein Gesicht,
es ist spitzer und gelber geworden, dabei war es am Abend noch fast gesund im
Aussehen. Jetzt kommt öfter eine Schwester.
* * *
Manchmal sind es auch Hilfsschwestern vom Roten Kreuz. Sie sind
gutmütig, aber mitunter etwas ungeschickt. Beim Umbetten tun sie einem oft
weh und sind dann so erschrocken, dass sie einem noch mehr weh tun.
Die Nonnen sind zuverlässiger. Sie wissen, wie sie anfassen müssen, aber
wir möchten gern, dass sie etwas lustiger wären. Einige allerdings haben Humor,
sie sind großartig. Wer würde Schwester Libertine nicht jeden Gefallen tun,
dieser wunderbaren Schwester, die im ganzen Flügel Stimmung verbreitet, wenn
sie nur von weitem zu sehen ist? Und solcher sind noch mehrere da. Wir würden
für sie durchs Feuer gehen. Man kann sich wirklich nicht beklagen, man wird
direkt wie ein Zivilist hier behandelt von den Nonnen. Wenn man dagegen an
die Garnisonlazarette denkt, in denen man mit angelegter Hand im Bett liegen
muss, kann einem die Angst kommen.
Franz Wächter kommt nicht wieder zu Kräften. Eines Tages wird er
abgeholt und bleibt fort. Josef Hamacher weiß Bescheid: »Den sehen wir nicht
wieder. Sie haben ihn ins Totenzimmer gebracht.«
»Was für ein Totenzimmer?« fragt Kropp.
»Na, ins Sterbezimmer – «
»Was ist denn das?«
»Das kleine Zimmer an der Ecke des Flügels. Wer kurz vor dem Abkratzen
ist, wird dahin gebracht. Es sind zwei Betten darin. Überall heißt es nur das
Sterbezimmer.«
»Aber warum machen sie das?«
»Sie haben dann nicht so viel Arbeit nachher. Es ist auch bequemer, weil es
gleich am Aufzug zur Totenhalle liegt. Vielleicht tun sie es auch, damit keiner in
den Sälen stirbt, wegen der andern. Sie können ja auch besser bei ihm wachen,
wenn er allein liegt.«
»Aber er selber?«
Josef zuckt die Achseln. »Gewöhnlich merkt er ja nicht mehr viel davon.«
»Weiß es denn jeder?«
»Wer länger hier ist, weiß es natürlich.«
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