4.5.4 Zusammenfassung
Eines der interessantesten Konzepte des Usbeken- und Usbekistanbildes ist ohne
Zweifel das Konzept „Essen und Trinken“. Das Konzept „usbekische Gastfreundschaft“
steht mit diesem in engem Zusammenhang.
Das oben Beschriebene lässt sich wie folgt zusammenfassen:
1) Essen gilt (nicht nur) in der usbekischen Kultur als Symbol des Vertrauens zwischen
Gast und Gastgeber. Einem Gast wird hohe Ehre erwiesen, indem der Tisch möglichst
reich gedeckt wird und ein Menü von mehreren Gängen angeboten wird. Das
beinhaltet der Begriff der typisch usbekischen Gastfreundschaft. Einer der am meisten
erwähnten Kritikpunkte in den Textkorpora, der im Zusammenhang mit dem Thema
Essen und Trinken auftaucht, sind die Üppigkeit, die großen Portionen, der aus ihrer
Sicht enorme Fettgehalt der Gerichte, über den sich die Reiseautoren beschweren.
Dies tun sie meist mit Humor, aber auch Geringschätzung und Verachtung sind
anzutreffen (siehe Tab. 23).
2) Das Hauptgericht der usbekischen Kultur, auf usbekisch
Palov
oder
Osch
genannt,
wird von den meisten Reiseautoren erwähnt und auch oft detailliert beschrieben. Es
wird jedoch meistens die russische Schreibweise des Realienwortes (
плов
) verwendet
(siehe Tab. 22).
3) Der grüne Tee wird in Reisetexten als Hauptgetränk der Usbeken beschrieben.
Angefangen von Vámbéry bis zu Christ setzt sich dieses Stereotyp durch, indem
manche Autoren auf die rhetorischen Stilmittel wie Periphrase, Epitheton und
Vergleich zurückgreifen, manche aber das Ritual des Teetrinkens mit der
orientalischen Ruhe oder gar mit der Zeitverschwendung – Nichtstun – verbinden. So
setzt sich Vámbérys Metapher „das süße Nichtstun“ bei anderen Autoren durch; ein
stereotypisiertes Bild des Usbeken, der seine Zeit in süßem Nichtstun mit Schlürfen
seines grünen Tees verbringt, bleibt in der ganzen Turkestan-Zeit konstant (siehe Tab.
24).
4) Die Realienwörter, in dem Fall die ortstypischen Namen der Gerichte und Getränke,
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zum Thema „Essen und Trinken“ werden von den Reiseautoren oft und gerne
gebraucht, auch die Beschreibungen einzelner Gerichte kommen in den Textkorpora
nicht selten vor. Oft verwenden die Autoren die russischen Analoge für einzelne
Gerichte, wie z.B.
Schurpa
statt
Scho’rva
,
Pilmen
statt
Tschutschvara
,
Libjoschka
statt
Yopgan non
(siehe Tab. 25).
5) Das Konzept „Usbekische Gastfreundschaft“, die häufig im Zusammenhang mit
einem Gastmahl ihre Erwähnung findet, wird in den deutschsprachigen Reisetexten
viel
und
oft
beschrieben.
Dieses
Konzept
hat
vor
allem
zwei
Wahrnehmungskonstrukte. Zum einem ist das
die übertriebene usbekische
Gastfreundschaft
nach dem Motto „Der Gast ist heilig“. Zum anderen ist das die in der
Vorstellung der Autoren fest verankerte These „
Der Gast muss bei einem usbekischen
Gastmahl viel essen, falls er den Gastgeber nicht kränken will
.“
Bereits Vámbéry beschwert sich über die übertriebene Gastfreundschaft, aber auch
Richter, der hundert Jahre später in das usbekische Land kommt, tut das. Karutz und
v. d. Pahlen betonen gerne die Herzlichkeit der Einheimischen, klagen jedoch auch
über die mehrgängigen Menüs. Der humorvolle Ausdruck von Christ „
mitteltiefe
Ohnmacht
“ (Christ 1976, S. 141) stellt dabei eine typisch deutsche Reaktion zu der
übertriebenen usbekischen Gastfreundschaft
dar.
Die Konzeptanalyse zeigt somit, dass dieses Bild über den gesamten Zeitraum
konstant bleibt.
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