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Elementen. Der Versuch der Lehrwerksverlage authentische Dialoge und Texte
zu konstruieren, ist paradox und kann meiner Einschätzung nach nicht gelingen.
Dabei ist die Authentizität von Texten, Bildern und Hörmaterial nicht nur für die
Ausbildung einer echten kommunikativen Kompetenz wichtig. Nach Aussage
von Smolka (2004: 73) erhöhen authentische Materialien die Motivation der
Schülerinnen und Schüler. Dass sich die Lernenden der Künstlichkeit der Lehr-
/Lernmaterialien bewusst sind, wird deutlich in Smolkas Aussage, dass „die
Schüler (...) oft darüber [staunen], wie sich etwas auf der Begleitkassette zum
Lehrbuch
‚
echt
‘
anhört.“ (ebd.).
Weiterhin kann man davon ausgehen, dass das Lehrwerk nicht stark genug dif-
ferenziert. Wie bereits erwähnt, ist es für eine durchschnittlich gute fiktive Klasse
erstellt, so dass leistungsschwächere und -stärkere Schülerinnen und Schüler
nicht entsprechend ihres Entwicklungsstandes gefordert und gefördert werden
können. Dieser Missstand kann leicht zum Verlust der Motivation zum Lernen
führen (vgl. ebd. S. 66 und Abschnitt 3.4).
Durch die Verwendung von Lehrbüchern kann keine eigene Wissenskonstruktion
stattfinden, da sie „normalerweise alles ausblenden, was zur Genese des Wissens
gehört“ (Ruf/Goetz 2002 : 69). Es werden meist nur fertige Ergebnisse präsen-
tiert (Rückschauwissen) und nicht der Weg dort hin erarbeitet. Weiterhin zeigen
Lehrbücher nur einen Teilausschnitt aus dem Gesamtbereich und geben keine
Hinweise darauf, „wie Wissen in der Praxis genutzt wird“ (ebd.) und erweitert
werden kann.
c) Gestaltung der Lernumgebung
Die Konstruktion von neuem Wissen findet im Unterricht nicht zwangsläufig
statt, sondern es muss ein »Zwang« zur Konstruktion bestehen (vgl. Wolff 2002:
346). Dieser entsteht nur in Lernumgebungen, in denen ein authentischer Kon-
struktionsprozess möglich ist. Es ist den Schülerinnen und Schülern durchaus
bewusst, dass es sich bei „So-tun-als-ob“-Handlungen um reine Wissensver-
mittlung handelt. Somit sind sie nicht mehr gezwungen, selbst zu konstruieren
und tun dies auch nicht (vgl. S. 355).
Der Versuch, „die Welt – so wie sie
‚
ist
‘
- abbilden zu können“ (Reich 2006: 127)
kann aus konstruktivistischer Sicht schon deshalb nicht gelingen, weil die
Schülerinnen und Schüler die äußere Welt nicht einfach abbilden, sondern sie
selbst aktiv und individuell konstruieren (ebd.). Deshalb ist eine Lernumgebung,
die sich an der realen Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler orien-
tiert absolut notwendig. Dazu muss die Lernumgebung, die Lernwelt,von den
Schülerinnen und Schülern selbst (mit-)konstruiert und nicht durch die Lehr-
kraft vorgegeben werden. Es besteht sonst die Gefahr, dass die Motivation für
den Unterricht sinkt. Der Wissenserwerb würde oberflächlich erfolgen und nur
von kurzer Vorhaltezeit sein (vgl. Wolff 2002: 355).
d) Förderung des Konstruktionsvermögens
Alleine das Schaffen einer Lernumgebung, welche die Lernenden zur
Konstruktion »zwingt«, reicht noch nicht aus. Es müssen Strategien entwickelt
werden, mit denen die Schülerinnen und Schüler ihre individuellen Konstruk-
tionsprozesse durchführen können (Wolff 2002: 346f). Somit sind diese
Strategien sowohl Lernziel als auch der Weg die Lernziele zu erreichen (vgl. ebd.
347). Neben den Sprachverarbeitungs- und Lernstrategien (vgl. Bimmel/
Rampillon 2000) nennt Wolff (2002: 347) noch die Interaktionsstrategien
(zum gemeinsamen Konstruieren von Bedeutungen) als Ziele des (Fremdspra-
chen-)Unterrichts. Dabei reicht eine Vermittlung der Strategien durch die Leh-
renden alleine nicht aus. Die Strategien müssen durch in den Fachunterricht in-
tegrierte Anwendung erworben und automatisiert werden (vgl. Bimmel/
Rampillon 2000: 91–98). In Bezug auf das Fremdsprachenlernen stellt Wolff
(2002: 359) fest, dass „die Förderung des Konstruktionsverhaltens (...) zu einer
Verbesserung dieses Verhaltens [führt]; ein verbessertes Konstruktionsverhalten
führt zu einer besseren Sprachverarbeitung und diese wiederum zu einem effi-
zienteren Sprachlernen“. Das Konstruktionsverhalten wird unterstützt, wenn die
Schülerinnen und Schüler ihr eigenes Lernen evaluieren. Dazu müssen sie ler-
nen zu reflektieren, ob der eingeschlagene Lernweg zu dem selbst gesteckten
Ziel geführt hat und ob die zum Erreichen des Ziels verwendeten Strategien die
richtigen waren
17
. Neben dem Lernziel, also dem, was gelernt werden muss, soll
den Schülerinnen und Schülern auch bewusst werden, was nicht gelernt werden
muss. Reich (2006: 192) macht deutlich, dass dazu unbedingt ein Lernen als
„learning by doing“ stattfinden muss.
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17 Als geeignetes Instrument zur Reflexion hat sich das Portfolio erwiesen (vgl. dazu z.B.
Brunner, I./Häcker, Th./Winter, F. (Hrsg.) (2006): Das Handbuch Portfolioarbeit:
Konzept, Anregungen, Erfahrungen aus Schule und Lehrerbildung. Velber, Erhard
Friedrich Verlag.
e) Lehr- und Lernhandeln
Im herkömmlichen Unterricht ist es der Lehrende, der die Handlungsabläufe
plant und steuert (Lehrhandeln). In einem konstruktivistischen Unterricht müs-
sen allerdings auch die Schülerinnen und Schüler an der Planung und Aus-
führung dieser Handlungsabläufe beteiligt werden (Lernhandeln). Nur so ist si-
cherzustellen, dass es zu einem individuellen Konstruieren von Bedeutungen
kommen kann (vgl. Wolff 2002: 362f). Eine Kommunikation zwischen Lehren-
den und Lernenden ist auch in weniger offenen, stärker gesteuerten Lernphasen
notwendig. Nur so können die Lehrenden erfahren, mit welchem Vorwissen und
mit welchen Erwartungen die Schülerinnen und Schüler dem zu vermittelnden
Inhalt begegnen. Diese Abstimmung erleichtert die Wissenskonstruktion bei den
Lernenden (vgl. Ruf/Goetz 2002: 71).
Findet das Lernhandeln in der Fremdsprache statt, wird gewährleistet, dass auch
Sprachverarbeitungsprozesse durchgeführt werden und dass die Zielsprache „im
Sinne eines gemeinsamen Konstruierens von Bedeutung gebraucht wird“ (Wolff
2002: 365). Das gemeinsame Vorgehen und Abstimmen von Lehrenden und
Lernenden bezeichnet Reich (2006: 252f) als „partizipatives Lehren und Ler-
nen“. Dabei soll der Unterricht (zumindest phasenweise) gemeinsam geplant
werden und die Notwendigkeit der Inhalte gemeinsam erörtert und begründet
werden. Eine anschließende Evaluation der Planung sorgt dafür, dass die ge-
meinsam erarbeiteten Ziele in einem realistischen Rahmen bleiben. Damit im
weiteren Verlauf des Unterricht die vereinbarten Ziele auch eingehalten werden,
schlägt Reich „reflecting teams“ vor, „die bestimmte Stunden oder Phasen beob-
achten und gezielt Rückmeldungen nach Inhalten und Beziehungen geben“
(ebd. S. 253). Zum Abschluss der Lehr-/Lerneinheit soll die Gesamtevaluation
nicht nur bei den Lehrenden liegen (z.B. durch Noten), sondern auch die Schü-
lerinnen und Schüler müssen daran beteiligt sein. Durch Feedback von beiden
Seiten kann so bestimmt werden, wie erfolgreich der Unterricht war.
Solche Forderungen lassen sich am Besten in einem handlungsorientierten
Szenario umsetzen. Als Beispiel – und weil ich diese Form für die von mir ge-
plante Unterrichtseinheit verwenden werde – ist der Projektunterricht zu nen-
nen. Die Schülerinnen und Schüler entwickeln gemeinsam mit dem Lehrenden
einen Projektplan. Er dient zur Orientierung während des Verlaufs, ist aber so
flexibel, dass er angepasst werden kann. Die Notwendigkeit dazu kann entste-
hen, wenn in einer der regelmäßigen Reflexionsphasen festgestellt wird, dass das
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Ziel auf dem eingeschlagenen Weg oder in dem festgelegten Umgang nicht er-
reicht werden kann. Den Abschluss bildet die Präsentation der arbeitsteilig er-
stellten Endergebnisse und deren Evaluation (vgl. Legutke 2003: 259f).
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