Luthers Positionierung im Bauernkrieg (1524–1525)
Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern (Druck von Hans Hergot, Nürnberg 1525)
Luther erfand für seine Gegner eine Reihe von wertenden Bezeichnungen, die von der
konfessionellen Geschichtsschreibung unbesehen übernommen wurden und sich auf diese
Weise etablierten: „Schwärmer“ nannte er Christen, die irgendwie Unruhe verursachten
(dahinter steht das Bild schwärmender Bienen). Wer religiöse Bilder aus Kirchen entfernte, war
ein „Bilderstürmer“, wer sich in abgesonderten Gruppen traf, ein „Rottengeist“; diese beiden
Begriffe beinhalten den Aspekt des Illegitimen und Gewalttätigen.
[129]
In deutschen Gebieten kam es 1524 bis 1526 zum
Bauernkrieg
. Auch in einigen Städten
erhoben sich ärmere Schichten gegen herrschende Patrizier und den Klerus. Mit den
12
Artikeln
gaben sich die Aufständischen einheitliche Ziele, die von der bloßen
Wiederherstellung ihrer Gewohnheitsrechte bis zur Aufhebung der
Leibeigenschaft
und zu
demokratischen Grundrechten reichten. Sie beriefen sich dabei auf das „göttliche Recht“ und
Luthers Schriftprinzip sola scriptura. Wie er erklärten sie sich bereit, ihre Forderungen
fallenzulassen, sobald man ihnen aus der Bibel ihr Unrecht beweise. Dies gab ihren schon
früher religiös begründeten Hoffnungen auf soziale Befreiung erstmals Durchschlagskraft.
[130]
Luther distanzierte sich von den 12 Artikeln wegen ihrer aus seiner Sicht falschen Berufung
auf die Bibel. In der wohl vor dem 6. Mai gedruckten Flugschrift Ermahnung zum Frieden auf
die zwölf Artikel der Bauerschaft in Schwaben griff er einige berechtigte Forderungen der
Bauern auf (die er hier allerdings schon als „Rotten- und Mordgeister“ etikettierte) und wies
sowohl sie als auch die Fürsten zurecht. Die Ermahnung fand zwar mit 19 Drucken 1525 eine
recht weite Verbreitung, kam aber zeitlich zu spät, um auf den Gang der Ereignisse Einfluss zu
nehmen. Auf einer Reise nach Eisleben Anfang Mai 1525 predigte Luther über die
Leidensbereitschaft des Christen und traf auf eine aggressive Zuhörerschaft. Hier standen die
Bauern unter dem Eindruck von
Thomas Müntzers
Lehre von der Gleichheit aller
Menschen.
[131]
Direkt nach der Rückkehr nach Wittenberg am 6. Mai verfasste Luther seine
Schrift
Wider die Mordischen und Reuberischen Rotten der Bawren
. In ihr verdammte er die
Aufstände als Werk des Teufels und forderte alle Fürsten gleich welcher Konfession dazu
auf, die Bauern mit aller notwendigen Gewalt niederzuschlagen. Müntzer sei der „Erzteufel von
Mühlhausen“. Er forderte: „Drum soll hie zuschmeißen (zerschmettern), würgen, und stechen,
heimlich und öffentlich, wer da kann, denn ein aufrührerischer Mensch, gleich als wenn man
einen tollen Hund totschlagen muß, schlägst du nicht, so schlägt er dich und ein ganzes Land
mit dir.“
[132]
Am 15. Mai wurden die thüringischen Bauern in der
Schlacht bei Frankenhausen
durch Philipp von Hessen, Georg von Sachsen, Heinrich von Braunschweig sowie Albrecht und
Ernst von Mansfeld vernichtend geschlagen. Müntzer wurde wenige Tage später gefasst und
enthauptet. Luther hat sich später in Predigten und vor allem Tischreden gern auf Müntzer als
auf seinen theologischen Erzfeind bezogen: „Ich (!) habe Müntzer getötet, der Tod liegt auf
meinem Hals. Ich habe es aber deswegen getan, weil er meinen Christus töten wollte.“
[133]
Durch Propagandaschriften aus Luthers Umkreis (
Agricola
: Ein nützlicher Dialog zwischen
einem müntzerischen Schwärmer und einem evangelischen Bauern, Melanchthon: Historie
Thomas Müntzers) wurde Müntzers Bild in der Geschichtsschreibung stark geprägt.
[133]
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