Das Thema: Vergangenheitsbewältigung in der Literatur
Gliederung:
1.Verschiedene Realisierungen des Bitterfelds Wegs
2.Vergangenheitsbewältigung in der Literatur
3.Dramatisierung und Adaptation historischer Stoffe
Grundbegriffe: Vergangenheitsbewältigung; das eigene Erleben; Franz Frühmanns Erzälzyklus; wichtige geschichtliche Ereignisse kommentieren; die Zeit des Faschismus zur Sprache kommen; die Ideologie anschaulich machen; polnisches Chetto; den Nationalsozialismus thematisieren; die Schicksalsgenossen ermutigen; die Todesstrafe; Affinität.
Am Anfang der 60-er Jahre ist bei vielen Schriftstellern die deutsche Vergangenheit und das eigene Erleben der Jahre 1933-1945 noch nicht bewältigt. Franz Frühmanns 1922-1984 Erzälzyklus „das Judenauto“ (1962) gilt als gelungenes Beispiel der Vergangenheitsbewältigung. In „vierzehn Tagen aus zwei Jahrzehnten“ kommentiert Frühmann wichtige geschichtliche Ereignisse aus der deutschen Geschichte von 1929-1949 aus sehr persönlicher Sicht, so dass in der Autobiographie Symptomatisches dieser Zeit erkennbar wird.
Auch in den Erzählungen unter dem Titel „König Odipus“ (1966) kommt noch einmal die Zeit des Faschismus zur Sprache; der Mechanismus der Verfügung durch diese Ideologie wird anschaulich gemacht. Jurik Beckers Roman „Jakob der Lügner“ (1969), der von einem polnischen Chetto erzählt, thematisiert ebenfalls die Zeit des Nationalsozialismus, Becker selbst hatte in einem solchen Chetto gelebt. Jakob Heym ermutigt seine Schicksalsgenossen, die im Chetto von der Außenwelt völlig isoliert sind, zum Durchhalten. Durch erfundene positive Nachrichten aus einem angeblich versteckten Radio macht er allen Gefangenen Hoffnung. Dem Besitz eines Radios droht im Chetto die Todesstrafe, so dass Heym ständig Mutproben bestehen muß für etwas, was gar nicht existiert. Der Erzähler ist ein Überlebender aus dem Chetto, der dem Leser am Ende des Romans zwei Schlüsse anbietet. Der ins Utopische gewendete Schluss erzählt vom Überleben des Jakob Heym, das realistischere deutet dessen Tod an.
Johannes Bobrowskis (1917-1965) Roman „Levines Mühle“34 Sätze über meinen Großvater“(1964) geht ebenfalls in die Vergangenheit zurück. Bobrowskis Affinität zum Osteuropäischen macht sich hier bemerkbar. Der Roman spielt um 1870 im westeuropäischen Grenzland zwischen Deutschland und Polen. Levin ist Jude und wird, wie die Polen und die Zigeuner, vom Großvater zutiefst verachtet. Dieser Nationalist kämpft auf seine Art gegen die „andersrassigen Minderheiten“. Er eröffnet eine Schleuse und lässt Levines Mühle durch Wasser überfluten, nachdem er vergeblich versucht hat, Levin die Mühle abzukaufen. Bobrowski stellt die einzelnen Charaktere volkstümlich dar, ohne einen Heimatroman geschrieben zu haben. Spannungen zwischen verschiedener Nationalität sind auch das Thema des Romans „Litauische Claviere“ (1966).
Auch Christa Wolfs Roman „Nachdenken über Christa T.“ (1968) stellt eine Akademikerin in den Mittelpunkt. Die Ich-Erzählerin nimmt sich vor, die Lebensgeschichte ihrer 1963 gestorbenen Freundin Christa T. zu erzählen. Das Erzählen wird zum Nachdenken über sie und auch zum Nachdenken über ihr eigenes Leben. Beide Figuren lassen sich im Verlauf dieses Romans nicht immer voneinander unterscheiden. Die Biographie der Erzählerin gleicht stark derjenigen von Christa T. Christa T. hat nach dem Germanistikstudium geheiratet und ist mit ihrer Familie auf das stille Land gezogen. Sie ist sensibel, oft etwas abwesend und melancholisch. Sie stirbt an Leukämie. Mehr gelitten hat sie jedoch an ihrer Umwelt, an den Verhältnissen in der DDR, die sich anders gestalteten, als die junge, begeisterungsfähige Generation es nach dem Krieg erwartet hatte. Christa T. ähnelt den Figuren aus den Romanen der Empfindsamkeit (s. S.69), sie hat aber auch Gemeinsamkeiten mit Gestalten aus Romanen der Bundesrepublik in ihren enttäuschten Abkehr vom zunächst enthusiastisch begrüßten neuen Leben.
Die bei vielen Autoren zunehmende Überzeugung, dass die Phase des Bitterfelder Wegs beendet sei, brachte Romane an die Öffentlichkeit, die das Geschehen häufig in die Historie verlegten. Kritiken durch die Partei und die Schwierigkeiten einiger Autoren, ihre Werke in der DDR zu veröffentlichen, trugen zu dieser Entwicklung bei.
Irmtraud Morgner (1933-1990) leistete für die DDR. Literatur den ersten literarischen Beitrag zum Thema Emanzipation der Frau mit dem Roman „Leben und Abenteuer der Trobadora Beatritz nach Zeugnissen ihrer Spielfrau Laura. Roman in dreizehn Büchern und sieben Intermezzos“ (1974). Die Trobadora Beatritz erwacht 1968 nach achthundertjährigem Schlaf. Sie erlebt die Pariser Studentenunruhen und zieht in die DDR, wo sie Laura trifft. Beide Frauen müssen erfahren, dass die Rechte der Frauen auch in der DDR zwar theoretisch, aber kaum praktisch realisiert sind. Irmtraud Morgner stellt die Zustände nur fest, sie gibt keine Ideen für die Zukunft.
In die Bereich gehört auch Maxime Wanders (1933-1977) Dokumentation „Guten Morgen, du Schöne“ (1977). Hier kommen Frauen aus den verschiedensten Berufen zu Wort, die völlig unbefangen ihr Leben und ihre Sorgen in der DDR schildern.
Diese dritte Phase der Literatur der DDR erbrachte neben zahlreichen Romanen auch viele Dramen und Gedichte. Die DDR-Dramatik zeigt zwei Tendenzen: Man erfand Märchenhandlungen oder dramatisierte geschichtliche Stoffe, wozu auch die Adoptationen historischer Dramen gehören.
Peter Hacks, Heiner Müller, Ulrich Plonzdorf, Volker Braun sind die bedeutendsten Dramatiker der Zeit. (Siehe S. 264-265)
Fragen:
Was ist am Anfang 60-er Jahre noch nicht bewältigt?
Erzählen Sie über F.Frühmanns Erzählzyklus „das Judenauto“.
Worum handelt es sich im Roman „Jakob und der Lügner“ von Jurik Becker?
Wessen Roman ist „Levins Mühle“?
Wo und wann spielt die Handlung im Roman „Levins Mühle“?
Was ist das Thema des Romans „Litausche Claviere“?
Erzählen Sie über den Roman „Nachdenken über Christa T.“ von Christa Wolf.
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