Johann Wolfgang Goethe, ab 1782 von Goethe


Advokat und Dichter in Frankfurt und Wetzlar (1771–1775)



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Johann Wolfgang von Goethe – Wikipedia

Advokat und Dichter in Frankfurt und Wetzlar (1771–1775)


Zurück in Frankfurt, eröffnete Goethe eine kleine 
Anwaltskanzlei
, die vornehmlich seinem
Vater als „bloße Durchgangsstation“ zu höheren Ämtern (etwa Schultheiß wie der Großvater)
galt.
[33]
 Die Advokatur betrieb er mit bald nachlassendem Interesse und geringem
Arbeitseifer vier Jahre lang bis zur Abreise nach 
Weimar
. Wichtiger als der Anwaltsberuf war
Goethe die Dichtung. Ende 1771 brachte er – innerhalb von sechs Wochen – die Geschichte
Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand zu Papier. Nach einer Überarbeitung
wurde das Drama 1773 als 
Götz von Berlichingen
im Selbstverlag veröffentlicht. Das mit allen
überlieferten dramatischen Regeln brechende Werk fand begeisterte Aufnahme und gilt als
ein Gründungsdokument des 
Sturm und Drang
.
[34]
Das der Epoche namengebende Drama
Sturm und Drang
stammte von 
Friedrich Maximilian Klinger
, der zum Freundeskreis aus
Goethes Jugendtagen gehörte.
Goethes Profil im 
Schattenriss
Die Leiden des jungen Werthers, Erstdruck von 1774 (bei einer späteren Überarbeitung entfiel das 
Genitiv
-s)


Im Januar 1772 erlebte Goethe in Frankfurt die „düstere Zeremonie“ der öffentlichen
Hinrichtung der Kindsmörderin 
Susanna Margaretha Brandt
durch das Schwert.
[35]
Sie bildete
nach 
Rüdiger Safranski
 den persönlichen Hintergrund für die „Gretchen-Tragödie“ im Faust,
an dem Goethe Anfang der 1770er Jahre zu arbeiten begonnen hatte.
[36]
Seine Schwester
Cornelia heiratete 1773 den Advokaten 
Johann Georg Schlosser
, Goethes zehn Jahre älteren
Freund, der als Anwalt an dem Prozess gegen die Kindsmörderin mitgewirkt hatte. 1783
plädierte Goethe später im parallel gelagerten Falle der Kindsmörderin 
Johanna Höhn
auf
Nachfrage des Herzogs 
Carl August von Weimar
, der ihre Todesstrafe zu lebenslänglicher
Haft umwandeln wollte, mit seiner ausschlaggebenden Stimme im Geheimen Consilium für
die Beibehaltung der Todesstrafe, wonach Höhn am 28. November 1783 mit dem Schwert
enthauptet wurde.
[37]
Häufige Besuche stattete er in diesen Jahren dem 
Darmstädter Kreis
 der 
Empfindsamen
um
Johann Heinrich Merck
ab, wobei er 25 Kilometer lange Wanderungen von Frankfurt nach
Darmstadt auf sich nahm.
[38]
Auf Mercks Urteil legte Goethe großen Wert; in seiner
Autobiographie bescheinigte er ihm, dass er „den größten Einfluß“ auf sein Leben gehabt
habe. Seiner Einladung folgend, schrieb Goethe 
Rezensionen
für die von Merck und Schlosser
geleitete Zeitschrift 
Frankfurter gelehrte Anzeigen
.
[39]
Zwischen den beiden Niederschriften des Götz hatte sich Goethe im Mai 1772, wiederum auf
Drängen des Vaters, als Praktikant beim 
Reichskammergericht
 in 
Wetzlar
eingeschrieben.
Sein dortiger Kollege 
Johann Christian Kestner
beschrieb später den damaligen Goethe:
„Er besitzt, was man Genie nennt, und eine ganz
außerordentliche Einbildungskraft. Er ist in seinen Affekten
heftig. Er hat eine edle Denkungsart. […] Er liebt die Kinder
und kann sich mit ihnen sehr beschäftigen. Er ist bizarre und
hat in seinem Betragen, seinem Äußerlichen verschiedenes,
das ihn unangenehm machen könnte. Aber bei Kindern, bei
Frauenzimmern und vielen andern ist er doch wohl
angeschrieben. – Er tut, was ihm gefällt, ohne sich darum zu
kümmern, ob es anderen gefällt, ob es Mode ist, ob es die
Lebensart erlaubt. Aller Zwang ist ihm verhaßt. […] Aus den
schönen Wissenschaften und Künsten hat er sein Hauptwerk
gemacht oder vielmehr aus allen Wissenschaften, nur nicht
denen sogenannten Brotwissenschaften.“
[40]


Wieder schenkte Goethe den juristischen Studien wenig Aufmerksamkeit. Stattdessen
befasste er sich mit den antiken Autoren. Auf einem ländlichen Tanzvergnügen lernte er
Kestners Verlobte, 
Charlotte Buff
, kennen, in die er sich verliebte. Goethe wurde regelmäßiger
und willkommener Gast im Haus der Familie Buff. Nachdem ihm Charlotte erklärt hatte, dass
er auf nichts als ihre Freundschaft hoffen dürfe und Goethe die Hoffnungslosigkeit seiner
Lage erkannt hatte, flüchtete er aus Wetzlar.
[41]
Anderthalb Jahre später verarbeitete er diese Erfahrung sowie weitere eigene und fremde
Erlebnisse in dem Briefroman 
Die Leiden des jungen Werthers
, den er Anfang 1774 innerhalb
von nur vier Wochen niederschrieb. Das hochemotionale Werk, das sowohl dem „Sturm und
Drang“ wie der gleichzeitigen literarischen Strömung der „Empfindsamkeit“ zugerechnet wird,
machte seinen Autor binnen kurzem in ganz Europa berühmt. Goethe selbst erklärte den
ungeheuren Erfolg des Buches und das von ihm ausgelöste „
Wertherfieber
“ später damit,
dass es genau die Bedürfnisse der damaligen Zeit getroffen habe. Der Dichter selbst rettete
sich mit der schöpferischen Arbeit am Werther aus einer eigenen krisenhaften
Lebenssituation: „Ich fühlte mich, wie nach einer Generalbeichte, wieder froh und frei, und zu
einem neuen Leben berechtigt.“
[42]
 Gleichwohl hielt er danach ein herzliches Verhältnis zu
Kestner und Lotte durch Briefwechsel aufrecht.
[43]
Bei der Rückkehr aus Wetzlar empfing ihn der Vater mit Vorwürfen, weil der dortige
Aufenthalt dem beruflichen Fortkommen des Sohnes nicht dienlich gewesen war.
[44]
Die
folgenden Frankfurter Jahre bis zur Abreise nach Weimar zählten zu den produktivsten in
Goethes Leben. Außer dem Werther entstanden die großen 
Hymnen
 (unter anderem 
Wandrers
Sturmlied

Ganymed

Prometheus
 und 
Mahomets Gesang
), mehrere Kurzdramen (unter
anderem 
Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern
 und 
Götter, Helden und Wieland
) sowie die
Dramen 
Clavigo
 und 
Stella. Ein Schauspiel für Liebende
. Auch griff Goethe in dieser Zeit zum
ersten Mal den 
Fauststoff
 auf.
Zu Ostern 1775 verlobte Goethe sich mit der Frankfurter Bankierstochter 
Lili Schönemann
.
Gegenüber 
Eckermann
äußerte er sich gegen Ende seines Lebens, sie sei die erste gewesen,
die er „tief und wahrhaft liebte“. Zum ersten Mal bot ihm Lili, wie Nicholas Boyle schreibt, „die
ganz reale Möglichkeit der Ehe“,
[45]
aber vor einer solchen Bindung schreckte der junge
Dichter zurück. Eine Ehe war mit seinen Lebensplänen nicht vereinbar. Als weitere
Hemmnisse kamen die unterschiedlichen Milieus und Konfessionen der Eltern hinzu. Um
Abstand zu gewinnen, folgte er einer Einladung der Brüder 
Christian
 und 
Friedrich Leopold zu
Stolberg-Stolberg
 zu einer mehrmonatigen Reise durch die 
Schweiz
. In Zürich war er bei
Lavater
, an dessen 
Physiognomischen
 Fragmenten Goethe mitwirkte, zu Gast und machte die
Bekanntschaft von 
Barbara Schultheß
 aus Lavaters Freundeskreis. Daraus entstand eine
lebenslange Freundschaft; Goethe nannte sie seine „treueste Leserin“.
[46]
Sie erhielt in
Abständen die fertigen Bücher des entstehenden Wilhelm Meister–Romans, die sie mit Hilfe


ihrer Tochter abschrieb. Einer ihrer Abschriften ist es zu verdanken, dass der Nachwelt die
1909 entdeckte und 1910 gedruckte Urfassung des Romans
Wilhelm Meisters theatralische
Sendung
, überliefert wurde.
[47]
Im Oktober 1775 wurde die Verlobung durch Lilis Mutter mit der Erklärung aufgelöst, dass
sich eine Heirat wegen der Verschiedenheit der Religionen nicht schicke.
[48]
Goethe, der unter
der Trennung sehr litt, nahm in dieser Situation eine Einladung des 18-jährigen Herzogs 
Carl
August
 zu einer Reise nach 
Weimar
 an.

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