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in Frankfurt, eröffnete Goethe eine kleine
Anwaltskanzlei
, die vornehmlich seinem
Vater als „bloße Durchgangsstation“ zu höheren Ämtern (etwa Schultheiß wie der Großvater)
galt.
[33]
Die Advokatur betrieb er mit bald nachlassendem Interesse und geringem
Arbeitseifer vier Jahre lang bis zur Abreise nach
Weimar
. Wichtiger als der Anwaltsberuf war
Goethe die Dichtung. Ende 1771 brachte er – innerhalb von sechs Wochen – die
Geschichte
Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand zu Papier. Nach einer Überarbeitung
wurde das Drama 1773 als
Götz von Berlichingen
im Selbstverlag veröffentlicht. Das mit allen
überlieferten dramatischen Regeln brechende Werk fand begeisterte Aufnahme und gilt als
ein Gründungsdokument des
Sturm
und Drang
.
[34]
Das der Epoche namengebende Drama
Sturm und Drang
stammte von
Friedrich Maximilian Klinger
, der zum Freundeskreis aus
Goethes Jugendtagen gehörte.
Goethes Profil im
Schattenriss
Die Leiden des jungen Werthers, Erstdruck von 1774 (bei einer späteren Überarbeitung entfiel das
Genitiv
-s)
Im Januar 1772 erlebte Goethe in Frankfurt die „düstere Zeremonie“ der öffentlichen
Hinrichtung der Kindsmörderin
Susanna Margaretha Brandt
durch das Schwert.
[35]
Sie bildete
nach
Rüdiger Safranski
den persönlichen Hintergrund für die „Gretchen-Tragödie“ im
Faust,
an dem Goethe Anfang der 1770er Jahre zu arbeiten begonnen hatte.
[36]
Seine Schwester
Cornelia heiratete 1773
den Advokaten
Johann Georg Schlosser
, Goethes zehn Jahre älteren
Freund, der als Anwalt an dem Prozess gegen die Kindsmörderin mitgewirkt hatte. 1783
plädierte Goethe später im parallel gelagerten Falle der Kindsmörderin
Johanna Höhn
auf
Nachfrage des Herzogs
Carl August von Weimar
, der ihre Todesstrafe zu lebenslänglicher
Haft umwandeln wollte, mit seiner ausschlaggebenden Stimme im Geheimen Consilium für
die Beibehaltung der Todesstrafe, wonach Höhn am 28. November 1783 mit dem Schwert
enthauptet wurde.
[37]
Häufige Besuche stattete er in diesen Jahren dem
Darmstädter Kreis
der
Empfindsamen
um
Johann Heinrich Merck
ab, wobei er 25 Kilometer lange Wanderungen von Frankfurt nach
Darmstadt auf sich nahm.
[38]
Auf Mercks Urteil legte Goethe großen Wert;
in seiner
Autobiographie bescheinigte er ihm, dass er „den größten Einfluß“ auf sein Leben gehabt
habe. Seiner Einladung folgend, schrieb Goethe
Rezensionen
für die von Merck und Schlosser
geleitete Zeitschrift
Frankfurter gelehrte Anzeigen
.
[39]
Zwischen den beiden Niederschriften des
Götz hatte sich Goethe im Mai 1772, wiederum auf
Drängen
des Vaters, als Praktikant beim
Reichskammergericht
in
Wetzlar
eingeschrieben.
Sein dortiger Kollege
Johann Christian Kestner
beschrieb später den damaligen Goethe:
„Er besitzt, was man Genie nennt, und eine ganz
außerordentliche Einbildungskraft. Er ist in seinen Affekten
heftig. Er hat eine edle Denkungsart. […] Er liebt die Kinder
und kann sich mit ihnen sehr beschäftigen. Er ist bizarre und
hat in seinem Betragen, seinem Äußerlichen verschiedenes,
das ihn unangenehm machen könnte. Aber bei Kindern, bei
Frauenzimmern und vielen andern ist er doch wohl
angeschrieben. – Er tut, was ihm gefällt, ohne sich darum zu
kümmern, ob es anderen gefällt, ob es Mode ist, ob es die
Lebensart erlaubt. Aller Zwang ist ihm verhaßt. […] Aus den
schönen Wissenschaften und Künsten hat er sein Hauptwerk
gemacht oder vielmehr aus allen Wissenschaften, nur nicht
denen sogenannten Brotwissenschaften.“
[40]
Wieder schenkte Goethe den juristischen Studien wenig Aufmerksamkeit. Stattdessen
befasste er sich mit den antiken Autoren. Auf einem ländlichen Tanzvergnügen lernte er
Kestners Verlobte,
Charlotte Buff
, kennen, in die er sich verliebte. Goethe wurde regelmäßiger
und willkommener Gast im Haus der Familie Buff. Nachdem ihm Charlotte erklärt hatte, dass
er auf nichts als ihre Freundschaft hoffen dürfe und Goethe die Hoffnungslosigkeit seiner
Lage erkannt hatte, flüchtete er aus Wetzlar.
[41]
Anderthalb Jahre später verarbeitete er diese Erfahrung sowie weitere eigene und fremde
Erlebnisse
in dem Briefroman
Die Leiden des jungen Werthers
, den er Anfang 1774 innerhalb
von nur vier Wochen niederschrieb. Das hochemotionale Werk, das sowohl dem „Sturm und
Drang“ wie der gleichzeitigen literarischen Strömung der „Empfindsamkeit“ zugerechnet wird,
machte seinen Autor binnen kurzem in ganz Europa berühmt. Goethe selbst erklärte den
ungeheuren Erfolg des Buches und das von ihm ausgelöste „
Wertherfieber
“ später damit,
dass es genau die Bedürfnisse der damaligen Zeit getroffen habe. Der Dichter selbst rettete
sich mit der schöpferischen Arbeit am
Werther aus einer eigenen krisenhaften
Lebenssituation: „Ich fühlte mich, wie nach einer Generalbeichte, wieder froh und frei,
und zu
einem neuen Leben berechtigt.“
[42]
Gleichwohl hielt er danach ein herzliches Verhältnis zu
Kestner und Lotte durch Briefwechsel aufrecht.
[43]
Bei der Rückkehr aus Wetzlar empfing ihn der Vater mit Vorwürfen, weil der dortige
Aufenthalt dem beruflichen Fortkommen des Sohnes nicht dienlich gewesen war.
[44]
Die
folgenden Frankfurter Jahre bis zur Abreise nach Weimar zählten zu den produktivsten in
Goethes Leben. Außer dem
Werther entstanden die großen
Hymnen
(unter anderem
Wandrers
Sturmlied
,
Ganymed
,
Prometheus
und
Mahomets Gesang
), mehrere Kurzdramen (unter
anderem
Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern
und
Götter, Helden und Wieland
) sowie die
Dramen
Clavigo
und
Stella. Ein Schauspiel für Liebende
. Auch griff Goethe in dieser Zeit zum
ersten Mal den
Fauststoff
auf.
Zu Ostern 1775 verlobte Goethe sich mit der Frankfurter Bankierstochter
Lili Schönemann
.
Gegenüber
Eckermann
äußerte er
sich gegen Ende seines Lebens, sie sei die erste gewesen,
die er „tief und wahrhaft liebte“. Zum ersten Mal bot ihm Lili, wie Nicholas Boyle schreibt, „die
ganz reale Möglichkeit der Ehe“,
[45]
aber vor einer solchen Bindung schreckte der junge
Dichter zurück. Eine Ehe war mit seinen Lebensplänen nicht vereinbar. Als weitere
Hemmnisse kamen die unterschiedlichen Milieus und Konfessionen der Eltern hinzu. Um
Abstand zu gewinnen, folgte er einer Einladung der Brüder
Christian
und
Friedrich Leopold zu
Stolberg-Stolberg
zu einer mehrmonatigen Reise durch die
Schweiz
. In Zürich war er bei
Lavater
,
an dessen
Physiognomischen
Fragmenten Goethe mitwirkte, zu Gast und machte die
Bekanntschaft von
Barbara Schultheß
aus Lavaters Freundeskreis. Daraus entstand eine
lebenslange Freundschaft; Goethe nannte sie seine „treueste Leserin“.
[46]
Sie erhielt in
Abständen die fertigen Bücher des entstehenden
Wilhelm Meister–Romans, die sie mit Hilfe
ihrer Tochter abschrieb. Einer ihrer Abschriften ist es zu verdanken, dass der Nachwelt die
1909 entdeckte und 1910
gedruckte Urfassung des Romans,
Wilhelm Meisters theatralische
Sendung
, überliefert wurde.
[47]
Im Oktober 1775 wurde die Verlobung durch Lilis Mutter mit der Erklärung aufgelöst, dass
sich eine Heirat wegen der Verschiedenheit der Religionen nicht schicke.
[48]
Goethe, der unter
der Trennung sehr litt, nahm in dieser Situation eine Einladung des 18-jährigen Herzogs
Carl
August
zu einer Reise nach
Weimar
an.
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