Eigenheim
– zu wohnen, gilt in Deutschland als
bürgerliches Ideal.
Wohnkultur
Die Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren
durch eine kontinuierliche Verbesserung der Wohnqualität
gekennzeichnet, allerdings mit einer deutlichen zeitlichen
Verschiebung zwischen West- und Ostdeutschland.
Dieses Zimmer in einem Magdeburger Museum vermittelt das
Wohngefühl der späten 1950er-
und 60er-Jahre.
Wohnqualität
Die Zahl der Wohnräume pro Person stieg im Westen von nur 0,9 im Jahr
1950 auf 2,1 im Jahr 2012. In der DDR kamen noch 1986 auf eine Person
durchschnittlich 1,6 Wohnräume.
Mit der Ausweitung der Wohnflächen und -räume ging eine
differenziertere Nutzung einher: Über eine eigene Küche und ein Bad/WC
verfügten in Westdeutschland 1989 94 bzw. 87 % der Wohnungen. Zum
gleichen Zeitpunkt besaß ein Viertel aller Wohnungen in der DDR noch
kein Innen-WC. Immerhin 63 % der Wohnungen hatten 2011 Balkon,
Terrasse oder Wintergarten.
Steckbrief
Richard Sapper
Zu den herausragenden Designern von Alltagsgegenständen der Gegenwart zählt der in
München geborene Richard Sapper (*1932), der mit seinen Arbeiten „der Form einen Sinn
geben“ will. Mit dem Modell „Tizio” schuf er 1972 eine der erfolgreichsten
Arbeitsplatzleuchten der Welt.
Nierentisch, Eiche rustikal oder Billy-Regal
In den Nachkriegsjahren bedeutete Wohnkultur wesentlich
Bedarfssicherung. Mit der ersten Möbelmesse in Köln 1949 und dem 1951
in Darmstadt gegründeten „Rat für Formgebung“ wurde ein langsamer
Prozess der Ästhetisierung der Inneneinrichtung eingeleitet. Bei einer
Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 1954 präferierten allerdings noch 60
% der Befragten das „Stilmöbel“-Wohnzimmer der Vorkriegszeit mit
wuchtigen Polstermöbeln, schwerem Buffet und großem Esstisch. Nur 7
% bevorzugten Nierentisch und Tütenlampen. Eine neue Möbelära läutete
1974 die Eröffnung des ersten schwedischen (IKEA-) Einrichtungshauses
in München ein. Das Unternehmen verfügt inzwischen (2014) über 46
Einrichtungshäuser in Deutschland und gilt als Marktführer in der
Branche.
Vom Funktionsraum zum Lebensmittelpunkt
Bis weit in die 1950er-Jahre bestand die typische Kücheneinrichtung aus
einem Sammelsurium von Schränken, technischen Geräten und einem
Spülbecken. In den meisten Mietwohnungen war der knapp bemessene
Küchenraum auf reine Funktionalität ausgelegt – 4 m
2
waren gängig.
1956 wurde die „Arbeitsgemeinschaft moderne Küche“ gegründet, an der
mehr als 100 Küchen- und Gerätehersteller beteiligt waren – mit dem
Ziel einer Harmonisierung des Küchenmobiliars. Der Werkstoff
„Resopal“, widerstandsfähig, hitzebeständig und pflegeleicht, wurde in
den 1960er-Jahren zum Kennzeichen moderner (Einbau-)Küchen.
Die Grundlage für eine seit den 1980er-Jahren aufkommende neue
Küchenkultur schuf der deutsche Designer Otl Aicher (1922–91): Er
plädierte für eine Umwertung der Küche vom reinen Funktionsraum zum
ästhetisch anspruchsvollen Zentrum häuslicher Wohn- und Lebenskultur.
Von der Nasszelle zur Wellnessoase
Vom samstäglichen Bad in der – häufig in der Küche aufgestellten –
Zinkwanne bis zum abgeschlossenen Sanitärraum mit einer
durchschnittlichen Größe von 7,8 m
2
(2012) war es ein weiter Weg. Einer
der bedeutenden Wegbereiter war der Designer Luigi Colani, der Mitte
der 1970er-Jahre erstmals die Bestandteile eines Bades, Fliesen,
Waschbecken, Armaturen usw., miteinander harmonisierte. Der Franzose
Philippe Starck schuf in den 1990er-Jahren für ein deutsches
Sanitärunternehmen eine Kollektion, die das kühle Fliesenbad zu einem
wohnlichen „Wasserzimmer“ weiterentwickelte.
Der „rote Punkt“
Formschöne Industrieprodukte einer breiten Öffentlichkeit nahezubringen
war die Idee von Carl Hundhausen (1893–1977), der 1954 die Gründung des
Vereins „Industrieform e.V.“ initiierte. Bereits ein Jahr später fand eine erste
Produktausstellung statt, bei der auch ausgezeichnete Konsumgüter für den
Haushalt präsentiert wurden. Das war die Geburtsstunde eines
Designwettbewerbs, der seit 1992 als „roter Punkt“ und seit dem Jahr 2000
als „Red dot“ alljährlich das herausragende Design von
Industrieerzeugnissen auszeichnet. Der „Red dot“-Award ist heute ein
weltweit anerkanntes Gütesiegel für ästhetische Qualität von
Alltagsprodukten.
„Die Küche und das Kochen werden zu einem
Zentralbereich der Lebenskultur … Wer gut essen will,
muss Hand anlegen. Anders versinken wir in der
langweiligen Schönheit der Massenproduktion und der
Serienfertigung.“
Otl Aicher, „Die Küche zum Kochen“, München 1982, S. 37
Im Rahmen einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung
bescheinigten 2012 80 % der Bundesbürger dem Bad einen besonders
hohen Stellenwert als Wohlfühlraum innerhalb der Wohnung.
Koch- und Küchenkultur
Vom Mangel zum Überfluss
Nie mehr Hunger leiden: Nach den Entbehrungen der
Nachkriegsjahre waren Koch- und Küchenkultur von dem
Bedürfnis nach gutem und reichlichem Essen gekennzeichnet.
Technische Fortschritte in der Küche beförderten den wachsenden
Konsum von Nahrungs- und Genussmitteln.
Kochen in der DDR
Die Selbstversorgung aus dem eigenen Garten, Produkte der HO-
Warenhäuser und Nahrungsmittel aus Importen in den „Delikatläden“
bestimmten, was in der DDR-Küche zubereitet wurde. Devisenknappheit
führte seit den 1970er-Jahren zu einem Mangel an Produkten wie Kaffee,
Nüssen und Gewürzen, der der Person am Herd große
Improvisationskünste abverlangte.
In den 1950er-Jahren wurde der
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