ENTSTEHUNG, DEFINITION UND BEDEUTUNGSVIELFALT DER ÖKOLOGIE[
Haeckel: Generelle Morphologie der Organismen. Band 2, Berlin 1866, Kapitel 19, in Abschnitt XI steht als Überschrift „Oecologie und Chronologie“
Als Begründer ökologischer Grundlagenforschung können neben anderen Charles Darwin (Ökologie der Regenwürmer, Wechselwirkung Ökologie und Evolution), Karl August Möbius (Meerestiere), Johannes Eugenius Bülow Warming (Pflanzenökologie und Pflanzengeographie), Arthur George Tansley (Ökosystem-Aspekte) und August Thienemann (Ökologie der Binnengewässer) genannt werden. Aus der angewandt-ökologischen Forschungsrichtung seien exemplarisch Justus von Liebig (Agrar-Nährstoffökologie) und Ellen Richards (Hygiene) genannt. Die zentralen Arbeiten der Genannten erschienen zwischen etwa 1840 (Liebig) und 1940.
Definitionen des Wissenschaftsbegriffs Ökologie wurden erstmals in den Jahren 1866 bis 1869 (mit jeweils leichten Formulierungsänderungen) von Ernst Haeckel gegeben, einem damals führenden deutschen Zoologen und Verfechter der darwinschen Deszendenztheorie. Haeckel forschte selber nicht auf dem Gebiet der Ökologie, definierte den Begriff aber als Lehre von den Wechselwirkungen der Organismenarten untereinander. In seiner letzten Definition verstand er darunter verstärkt auch den Gesamthaushalt der Natur, eine Definition, die unserem heutigen breiten Verständnis von Ökologie nahe kommt:
„Unter Oecologie verstehen wir die gesammte Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden Aussenwelt, wohin wir im weiteren Sinne alle „Existenz-Bedingungen“ rechnen können. Diese sind theils organischer, theils anorganischer Natur; sowohl diese als jene sind, wie wir vorher gezeigt haben, von der grössten Bedeutung für die Form der Organismen, weil sie dieselbe zwingen, sich ihnen anzupassen.“
– Ernst Haeckel 1866[2]
Der Begriff etablierte sich in der Biologie allerdings erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts und erfuhr auch Modifikationen seiner Definition, die manchmal eingeengter, manchmal sehr breit gefasst wurde.
Statt von Ökologie sprach man im 18. und 19. Jahrhundert öfters auch von Ökonomie (so bei Goethe[3]), ein Terminus, der früher im (süd)deutschen Sprachraum auch für Landwirtschaftsbetriebe verwendet wurde und heute zuweilen noch im angelsächsischen Bereich für ökologische Prozesse verwendet wird.[4] Verschiedentlich wurde und wird auch der Begriff „Biologie“ im Sinne von „Ökologie“ verwendet, beispielsweise in Bezeichnungen wie „Blütenbiologie“. Ein anderer zuweilen in romanischen Sprachen verwendeter Parallelbegriff war Mesologie. Von Geowissenschaftlern und Landschaftsökologen wird öfters der Begriff Bioökologie verwendet, um die aus der Biologie heraus entstandene Ausrichtung gegenüber einer mehr geowissenschaftlich orientierten Geoökologie abzugrenzen. Letztere wird allerdings auch unterschiedlich verstanden, entweder eher im Sinne der physisch-geographischen Landschaftsökologie oder aber im Sinne einer auf die Stoffdynamik konzentrierten Umwelt(natur)wissenschaft.
Von Anfang an konnte man in der ökologischen Forschung und Lehre zwischen einer Grundlagenorientierung, manchmal auch Theoretische Ökologie genannt, und einer Angewandten Ökologie unterscheiden. Die letztere fokussierte unter anderem stark auf Probleme der Forstwirtschaft, der Landwirtschaft, der Gewässerreinhaltung oder der Hygiene für Mensch und Tier. Die Grundlagenforschung sah ihr Hauptziel darin, die Funktionsweise der Wechselwirkungen in der Natur zu verstehen, wobei schon früh darauf hingewiesen wurde, dass viel Grundlagenerkenntnisse unmittelbar oder mittelbar auch Anwendungsbezüge haben.
Forschungsansätze in der Ökologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Am Beginn einer ökologischen Untersuchung steht vielfach eine statistisch-deskriptive Bestandsaufnahme, bei welcher die interessierenden Lebewesen oder anderen ökologischen Parameter erfasst werden und meist zugleich die korrespondierende Umwelt charakterisiert wird. Aus dem Vergleich von Befunden mehrerer Areale und Regionen oder Zeitabschnitten können unter Umständen Muster erkannt werden, beispielsweise wiederkehrende Artengemeinschaften, deren Vertreter offensichtlich ähnliche Ansprüche an die Umwelt stellen oder die aus anderen Gründen häufig gemeinsam (assoziiert) vorkommen. Derartige Ansätze führen zu Klassifikationssystemen der Umwelt, beispielsweise den Unterteilungen in Vegetationszonen oder pflanzensoziologische Einheiten, die vielfach auch für eine Kurzcharakterisierung von tierischen Biotopen (Lebensräumen) genutzt werden. Deskriptive Beschreibungen und Klassifizierungen sind vielfach ein erster wichtiger Schritt zu einer Hypothesenbildung.
Kausalanalytische Fragestellungen ergeben sich in der Ökologie vielfach aus Beobachtungen in Natur- oder Kulturlandschaften oder auch durch intensive Beobachtungen einzelner Individuen oder Populationen. Korrelationen zwischen dem Vorkommen oder der Häufigkeit einer Art oder eines Genotyps einerseits und abiotischen Umweltfaktoren andererseits können Hinweise auf physiologisch-ökologische Ansprüche (Ressourcenbedürfnisse) von Arten geben. Biotop- und Nahrungsansprüche, räuberische und parasitische Gegenspieler sowie Raum- oder Nahrungskonkurrenten können erkannt oder vermutet werden. Die Art der vermuteten Wechselwirkung kann in Form einer Hypothese formuliert werden, die entweder durch weitere Beobachtungen, beispielsweise in anderen Regionen, oder durch gezielte Experimente im Labor oder im Freiland erhärtet oder falsifiziert wird. Freilandexperimente können beispielsweise so durchgeführt werden, dass bestimmte Organismen am Zutritt zu einer Beobachtungsfläche gehindert werden. So lassen sich durch Abzäunungen Kaninchen und Rehe von einer Wiese fernhalten, im Wasserkörper durch Netzstrukturen die Kleinfische, die ansonsten das Zooplankton fressen würden. Aus dem Systemverhalten der Umwelt, der in den vorliegenden Fällen jeweils eine wichtige trophische Komponente entzogen wurde, können präzisere Hypothesen über die Wechselwirkung im System entwickelt werden, die gegebenenfalls zur Verfeinerung selber wieder einem neuen Test unterworfen werden.
Das Methodeninventar umfasst einerseits genuin ökologische Methoden (beispielsweise Detektions-, Fang- und Sammelmethoden, statistische Verfahren zur Auswertung bestimmter Verteilungsmuster), andererseits auch Methoden aus Nachbardisziplinen, darunter der Bodenkunde, Meteorologie, Limnologie, Genetik und stets auch der Statistik. Angewandte ökologische Forschung, speziell auch sozial-ökologische Forschung, benutzt daneben Methodeninventare, die in den Gesellschaftswissenschaften, in Ökonomie, Soziologie, Anthropologie und Psychologie entwickelt worden ist. Sozial-ökologische Analysen beziehen sich auf die materiellen und immateriellen Beziehungen zwischen Natur und menschlicher Gesellschaft; häufig wird in diesem Zusammenhang der Versuch unternommen, Lösungen für Nachhaltigkeitsprogramme zu finden.[5] Ansätze, Aspekte der genannten verschiedenen Disziplinen zu vereinigen und zu diskutieren, finden sich beispielhaft in einzelnen Forschungsprojekten.
Praktische ökologische Fragestellungen liegen ganz zentral auch im Natur- und Artenschutz vor, bei der Evaluierung der ökonomischen Bedeutung von Ökosystemen (den Ökosystemdienstleistungen) sowie in der Land- und Forstwirtschaft und der Fischereikunde. Stark angewandt ausgerichtet und mit Bedeutung im Umweltschutz ist das ökologische Monitoring, das bestimmte Organismen, Stoffe oder Zustandsgrößen der Umwelt erfasst, kategorisiert und als potenzielle Grundlage für Maßnahmen katalogisiert. Für alle diese Bereiche sind spezielle und teilweise normierte Verfahren entwickelt worden, die oft auch einen direkten Abgleich mit Planungsmaßnahmen und mit juristischen Vorgaben ermöglichen.
Traditionelle Unterteilung der Ökologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Traditionell wurde der Lehr- und Forschungsgegenstand der (biologischen) Ökologie im deutschen Sprachraum im 20. Jahrhundert in die drei Bereiche Autökologie, Populationsökologie und Synökologie (die Ökologie von Lebensgemeinschaften) unterteilt. Aus dem dritten Teilgebiet entwickelte sich auch die Ökosystemlehre. Später hinzugekommene Spezialbereiche waren neben anderen die Analyse der biologischen und ökologischen Vielfalt oder die Erforschung des Verhältnisses zwischen biologischer und struktureller Vielfalt und der Stabilität/Resistenz des ökologischen Systems gegenüber Störungen.[6] Von botanischer Seite aus wurde – allerdings fast nur auf Kontinentaleuropa – ein ökologisch orientierter pflanzensoziologischer Ansatz seit etwa 1928 (begründet durch Josias Braun-Blanquet) verfolgt, der zu einer komplexen Klassifikation pflanzensoziologischer Einheiten sowie zu Listen von Zeigerpflanzen gemäß der damaligen (noch wenig von Neophyten und vom Klimawandel beeinflussten) Vegetation Mitteleuropas entwickelt wurde.
Methodische und inhaltliche Schwierigkeiten ökologischer Forschung liegen in der hohen Komplexität der meisten ökologischen Systeme sowie ihrer stark nach stochastischen Prinzipien ablaufenden Dynamik und Wechselwirkung mit anderen Ökosystemen über Stoffflüsse und Organismenaustausch. Hinzu kommen immer wieder unvorhersehbare Einflüsse durch neuartige Umweltbelastungen, von Eutrophierungen über Klimaänderungen bis hin zur Einwanderung und Etablierung invasiver Arten aus anderen Regionen und Kontinenten. Dies behinderte auch von Anfang an die Entwicklung verlässlicher und stabiler Klassifikationssystemen der Umwelt, die während eines Großteils des 20. Jahrhunderts verfolgt wurden, am eindrücklichsten in der Pflanzensoziologie, aber selbst mit nachahmenden Versuchen in der Tierökologie. Die spezifischen und offenen Systemeigenschaften und Abhängigkeiten von Außenflüssen machen es grundsätzlich schwierig bis unmöglich, Prognosen über künftige Entwicklungen, beispielsweise Bestandsgrößen gefährdeter Tierarten, abzugeben.
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