5.2.3 Moderne Medienpädagogik und Medienkompetenz
Im Umfeld des Begriffs Medienpädagogik finden auch andere Begriffe Verwen-
dung. Medienkompetenz und Mediendidaktik sind bereits genannt worden.
Medienkunde, Medientheorie und Medienerziehung sind weitere Begriffe, deren
Verwendung „weder in der Umgangssprache noch in der medienpädagogischen
Literatur einheitlich“ (Tulodziecki/Herzig 2004: 244) verwendet wird. Einzig
der Unterbegriff der Mediendidaktik wird übereinkommend als Bereich der
Didaktik beschrieben, „in dem alle Überlegungen zusammengefasst sind, wie
Medien bzw. Medienangebote oder Medienbeträge zur Erreichung pädagogisch
gerechtfertigter Ziele gestaltet und verwendet werden können bzw. sollen“ (ebd.
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5 Medienkompetenz
29 Neben der Medienkompetenz werden auch Sozialkompetenz, Methodenkompetenz,
Fachkompetenz und die Persönlichkeit als wichtige Faktoren genannt und unter dem
Begriff eSkills zusammengefasst (vgl. S. 22).
S. 249). Alle anderen Bezeichnungen haben im Laufe der Zeit durch gesellschaft-
liche und technische Weiterentwicklungen inhaltliche Änderungen erfahren oder
werden jetzt zusammengefasst. So ist das, was Intention der Medienerziehung
war, heute im Ausdruck Medienkompetenz enthalten. Im Folgenden wird ge-
zeigt, welche weiteren Dimensionen der Begriff der Medienkompetenz umfasst.
Um der veränderten Medienlandschaft – sowohl in Art als auch in Verbreitung
der Medien – gerecht zu werden, forderten die Kultusminister und -senatoren
der BRD eine Medienpädagogik, welche den Schülerinnen und Schülern den
„sachgerechten, selbstbestimmten und sozial verantwortlichen Umgang mit Me-
dien“ (KMK 1995: 1) vermittelt. Dieser Umgang wird lt. der Ständigen Konferenz
der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) durch
drei Bereiche ermöglicht (vgl. KMK 1995: 1f.):
1. Die Kenntnis über die Angebotsvielfalt der Medien, deren Verflechtungen
und mögliche Zugänge, der technische Umgang mit ihnen sowie die Fähig-
keit, Medien sinnvoll auswählen und nutzen zu können, erlaubt den Schüler-
innen und Schülern ein Zurechtfinden in der Medienwelt.
2. Erst die Fähigkeit zur Überprüfung der über Medien angebotenen Infor-
mationen, das Erkennen der Relation zwischen Medienproduktion und
-verbreitung auf der einen und der gesellschaftlichen Funktion der Medien
auf der anderen Seite macht den kritische Umgang mit den Medien möglich.
3. Da Medien auch von den Schülerinnen und Schülern – in der Schule oder
auch später im Berufsleben – selbst erstellt werden können, ist es notwen-
dig, dass sie die zur Erstellung nötige Kreativität entwickeln und lernen,
Vorstellungen von eigenen Beiträgen umzusetzen.
Während sich diese Forderung noch generell auf alle Medientypen bezog, wur-
de in „Neue Medien und Telekommunikation im Bildungswesen“ (KMK 1997)
die Liste der Medien ausdrücklich um Computer und Internet erweitert und so
der Entwicklung und steigenden Verbreitung der Neuen Medien Rechnung ge-
tragen. Kenntnisse im Umgang mit den Neuen Medien werden als „Notwendig-
keit zum lebenslangen Lernen und zum Erwerb von Schlüsselqualifikationen“ er-
kannt (KMK 1997: 6). Neben der „Fähigkeit, sich in der steigenden Flut von
Informationen orientieren zu können“, sollen auch der praktische Umgang,
„Handhabungskenntnisse und -fertigkeiten und teilweise auch Systemkennt-nis-
se der komplexen Technologien“ erworben werden (beide KMK 1997: 7). Das
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5 Medienkompetenz
Land Hessen nahm die Pflicht zur Vermittlung dieser Kompetenzen in das
Schulgesetz auf und fordert eine „informations- und kommunikationstechnische
Grundbildung und Medienerziehung“ (§6 Abs. 4 HSchG). Auch wenn die Umset-
zung und inhaltliche Gestaltung dieses schulischen Aufgabengebiets darin nicht
näher beschrieben wird, sondern die Entscheidung darüber dem Beschluss einer
Gesamtkonferenz überlässt, wird diese Vermittlungsaufgabe mit der Aufnahme
in das Gesetz zur Pflicht für alle hessischen Lehrkräfte. Da in den Veröffentli-
chungen des Landes Hessen und der KMK keine konkreten Angaben zur Medien-
pädagogik gemacht werden, wird im Folgenden dargelegt, welche Aufgaben in
der Fachliteratur diskutiert werden.
Eine mit den von der KMK aufgeführten Bereichen vergleichbare Aufteilung fin-
det man bei Maier, für den primäres Ziel dieser Medienpädagogik die
Entwicklung von »Medienkompetenz« (vgl. Maier 1998: 30) ist. Sein »Stufen-
modell zur Medienkompetenz« umfasst drei Bereiche (analog zu seiner Eintei-
lung von Medien (vgl. 5.1.1)), welche die Schülerinnen und Schüler „zu einem
verantwortungsvollen, humanen und sozialverträglichen Umgang mit den beste-
henden und zukünftigen Medien“ (ebd. S. 32) befähigen soll:
1. Die technische Befähigung, welche Kenntnisse über a) den Aufbau der bei
Produktion und Konsum verwendeten Technik und b) den Produktionspro-
zess von Medien umfasst. Erst diese Kompetenz ermöglicht den Zugang zu
den Medien und ist Voraussetzung für die folgenden Teilkompetenzen. Erst
das ermöglicht eine „Demokratisierung der Medien, d.h. den freien Zugang
für möglichst alle gesellschaftlichen Gruppen“ (ebd. S. 30).
2. Die semantische Kompetenz, mittels derer die Lernenden Inhalte verste-
hen, analysieren und kritisch bewerten können. Das Erkennen von Gestal-
tungs- und Ausdrucksmöglichkeiten der Medien gehört ebenso zu dieser
Teilkompetenz wie das Erkennen der „technisch bedingte[n] Änderung
von Wirklichkeit“ bei der Darstellung der realen Welt in den Medien (z.B.
im Falle von Simulationen, Zeitlupenaufnahmen usw.) – also das Erkennen
des Abbildcharakters.
3. Die pragmatische Kompetenz, deren Ziel es ist, die Lernenden zu befähi-
gen, Medien für sich zu nutzen, eigene Medien zu erstellen und darüber zu
kommunizieren. (vgl. Maier 1998: 30-32).
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Differenziertere Anforderungen an die Medienpädagogik stellt Tulodziecki
(2004: 5–8). Medienkompetenz umfasst für ihn fünf Teilbereiche:
1. Die Schülerinnen und Schüler sollen in die Lage versetzt werden – je nach
aktuellem Bedürfnis und persönlichem Interesse – Medienangebote aus-
wählen und nutzen zu können und verschiedene Medientypen bezüglich
ihrer Eignung vergleichen zu können – wobei Letzteres auch in der Er-
kenntnis münden kann, dass Medien zur Darstellung der gewünschten
Information nicht geeignet sind und die Realität eventuell ohne ‚Vermittler‘
erkundet werden sollte.
Weiterhin gehört je nach technischer Vorbildung auch die Vermittlung von
Kompetenzen im Umgang mit und dem Bedienen von Wiedergabegeräten
zu diesem Punkt.
2. Um sich über Medien ausdrücken und darstellen zu können, ist es nötig,
dass den Lernenden die Kompetenz zum Gestalten und Verbreiten eigener
Medienbeiträge vermittelt wird. Auch hier müssen die Schülerinnen und
Schüler an den Aufbau und die Funktionsweise der entsprechenden Geräte
herangeführt werden.
3. Durch den Erwerb von Kenntnissen der Gestaltungsmittel Schrift, Bild und
Ton werden die Lernenden zum Verstehen und Bewerten von Mediengestal-
tungen befähigt. Diese Kompetenz beinhaltet die Fähigkeiten
• „Darstellungsformen (z.B. Bild, Grafik, Film, Zeichentrick, schriftlicher
oder gesprochener Text, Tonaufzeichnungen),
• Gestaltungstechniken (z.B. Überschriften beim Text, Tonmischung bei Ton-
aufzeichnungen oder Kameratechniken und Montage beim Film), sowie
•Gestaltungsarten (z.B. Hörszene, Zeitungsartikel, Videoclip, Hypertext)“
(ebd. S. 7) und
•Gestaltungsabsichten (z.B. Unterhaltung, Information, Manipulation) er-
kennen, verstehen und bewerten zu können.
4. Das Erkennen und Aufarbeiten von Medieneinflüssen soll die Schülerinnen
und Schüler befähigen, die Wirkung der Gestaltungsmerkmale erkennen,
einordnen und aufarbeiten sowie sie auch für sich selbst nutzbar machen
zu können. Gleichzeitig sollen die Lernenden auch in die Lage versetzt wer-
den, „zwischen medialer Darstellung und Realität zu unterscheiden“ (ebd.).
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5 Medienkompetenz
5. Das Durchschauen und Beurteilen von Bedingungen der Medienproduk-
tion und Medienverbreitung beschäftigt sich u.a. mit den wirtschaftlichen,
rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Aspekten der Produktion
und Verbreitung von Medien.
Mit dem Verstehen des Medienkompetenzbegriffs als „eine individuelle Fähig-
keit des Umgangs mit Medien, die eigenaktiv im Altersverlauf ausgebildet wird,
gleichzeitig aber auch in Abhängigkeit zu sozialisatorischen Faktoren der Um-
welt und zu spezifischen (pädagogischen) Förderungen und Forderungen steht“
(Treumann et al. 2007: 33) orientieren sich die Entwickler des Bielefelder
Medienkompetenzmodells (vgl. ebd. S. 32-40) an Baacke
30
und gliedern Medien-
kompetenz in vier Hauptkategorien mit spezifischen Unterdimensionen:
1. Medienkritik: Dieses ‚Metawissen’ erlaubt es den Lernenden „Logik, Ziele
und Strategien des Mediensystems zu erkennen“ (ebd. S. 33). Weiterhin
ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern, ihren Standort in der
Medienwelt und ihr Handeln in dieser zu reflektieren sowie die Inhalte der
Medien zu bewerten. Medienkritik besitzt somit eine analytische, eine re-
flexive und eine ethisch kognitive Dimension .
2. Medienkunde: Sie besteht aus einer informativen und einer instrumentell-
qualifikatorischen Unterdimension. Erstere beinhaltet sowohl aktuelle als
auch klassische Wissensbestände, z.B. „Autoren oder Vertreter von medien-
spezifischen Inhalten (...), Spezialkenntnisse einzelner Medien oder Fragen
zu den Strukturen des Mediensystems“ (ebd. S. 34). Die zweite Unterdi-
mension umfasst den technischen Umgang mit und den Zugang zu den
Medien, wobei hier die Neuen Medien hervorgehoben werden.
3. Mediennutzung: Mittels der rezeptiv-anwendenden Unterdimension soll
ermittelt werden, welche Nutzungsgewohnheiten in Bezug auf Medien be-
stehen und in welchem Umfang die aufgenommenen Informationen ver-
arbeitet werden. Die Dimension der interaktiven Nutzung klärt, „inwiefern
ein handelnder, aktiver Umfang bei der Mediennutzung vorhanden ist und
worauf sich diese Aktivitäten beziehen“ (ebd. S. 34). Somit wird erfasst,
„welche Medien(umgebungen) die Jugendlichen konkret nutzen und wel-
che Qualität diese Nutzung hat“ (ebd.).
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5 Medienkompetenz
30 z.B. Baacke, D. (1997): Medienkompetenz – Begrifflichkeit und sozialer Wandel. In: Rein,
A. v. (Hrsg.) (1997): Medienkompetenz als Schlüsselbegriff. Bad Heilbrunn, Klinkhardt.
4. Mediengestaltung: Im Gegensatz zu den vorangegangenen Dimensionen be-
schäftigt sich diese mit dem Lernenden als Produzenten von Medienerzeug-
nissen. Das gilt ebenfalls als entscheidend für die Entwicklung einer Medien-
kompetenz, da angenommen wird, dass sich durch den produktiven
Umgang mit Medien die Medienrezeptionsgewohnheiten ändern, was sich
„schließlich auch anderen Bereiche von Medienkompetenz (insbesondere
Medienkritik) auswirkt“ (ebd.). Die Produktion kann innovativ (Verände-
rung oder Neuerung im Medienbereich) und/oder kreativ (ästhetische
Veränderung und Gestaltung von Medien) sein.
Aufgrund der vermehrten Nutzung von Computer und Internet ist es unabdingbar,
dass es zu einer Schwerpunktverlagerung innerhalb der Medienpädagogik hin zu
den Neuen Medien kommt. Daher forderte das Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF), dass „Deutschlands Bildungssystem (...) den Umgang und
die effiziente Nutzung der neuen Informations- und Kommunikationstechnolo-
gien durch Lehrende und Lernende selbstverständlich werden lassen“ muss
(BMBF 2000: 5). Da IT-Kompetenzen in der späteren Berufsausübung unerlässlich
sind, ist es im Sinne der Chancengleichheit notwendig, „die Basis für die Teilhabe aller
gesellschaftlicher Gruppen am Nutzen der Neuen Medien [zu] schaffen“ (ebd.).
Daher muss auch „die Forderung nach Vermittlung von »Internetkompetenz«“
(Wagner 2005: 8) im Mittelpunkt stehen, welche den „reflektierten und kriti-
schen Umgang mit Informationen“ umfasst (ebd.). Durch den Erwerb dieser Kom-
petenz würden die Schülerinnen und Schüler in der Lage sein, „die Qualität von
Informationen aus dem Internet zu beurteilen“ (ebd.).
Ballod (2005) macht ebenfalls auf die Notwendigkeit der Entwicklung einer sol-
chen Kompetenz aufmerksam, nennt diese jedoch Informationskompetenz. Er
beschränkt sich bei der Beschreibung des Begriffs Medium nicht nur auf das
Internet, sondern bezieht auch herkömmliche Medien wie Bücher und auch
Gesprächspartner mit ein. Die Kompetenzbeschreibung weitet Ballod aus und
zeigt folgende Dimensionen auf:
· Recherchieren/Organisieren: umfasst „alle Aspekte des Zugangs zu
Informationen und der individuellen Informationsnutzung“
· Analysieren/Evaluieren: beinhaltet die „Analyse und Bewertung zur zielge-
richteten Informationsauswahl“
· Präsentieren/Kommunizieren: beschreibt die Fähigkeit zur „zweckoptimier-
ten Infomationsgestaltung“ (alle: Ballod 2005: 44)
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Zunächst ist festzuhalten, dass alle vorgestellten Sammlungen von Teilkompeten-
zen in meinen Augen richtig sind. Allerdings sind sie nicht vollständig. Jedes
Modell setzt eigene Schwerpunkte und vernachlässigt dabei andere Bereiche.
Aus diesem Grund habe ich mich entschlossen, eine eigene Anforderungsbe-
schreibung zu erstellen. Diese stimmt in großen Teilen mit den von Tuldziecki
beschriebenen Bereichen überein, ergänzt diese aber und stellt andere Zusammen-
hänge zwischen den einzelnen Teilkompetenzen her:
1. Grundlegend ist sicherzustellen, dass die Schülerinnen und Schüler in die
Lage versetzt werden, mit der Medientechnik umgehen zu können (tech-
nisches Wissen). Dabei gilt es ein Bewusstsein dafür aufzubauen, wann der
Einsatz welches Mediums sinnvoll ist. Vervollständigt wird diese erste
Teilkompetenzt durch grundlegendes informatives Wissen.
2. Haben die Schülerinnen und Schüler Zugriff auf die Medien, sollen sie die
Kompetenz entwickeln, mit den Inhalten kritisch umzugehen. Medienkritik
umfasst dabei die qualitative Überprüfung der Inhalte, ein Verständnis da-
für, dass Dargestelltes nicht mit Realität gleichzusetzen ist und das Medien
durch ihre Gestaltung Einfluss auf jeden einzelnen oder ganze Gruppen
ausüben können.
3. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich der unterschiedlichen Gestal-
tungsmöglichkeiten von Medien bewusst werden. Das ermöglicht es ihnen,
zum einen die Einflussnahme besser zu erkennen (z.B. durch Kenntnis dar-
über, dass und wie Bilder manipuliert werden können), zum andern kön-
nen die Lernenden auch selbst zu Produzenten werden.
4. Die eigene Produktion von Medien als Träger von Informationen (mono-
direktional als Präsentation oder bi-/multidirektional als Brief, E-Mail oder
Chat) erfordert alle drei bisher genannten Teilkompetenzen. Damit wer-
den die Schülerinnen und Schüler befähigt, sich selbst medial auszudrü-
cken und zu verwirklichen, was für die Schule und das spätere Berufsle-
ben wichtig ist.
5. Verfügen die Schülerinnen und Schüler über diese vier Teilkompetenzen,
können sie auch die Medienprodukte anderer (Mitschüler/Verlage/Werbe-
firmen) besser durchschauen und kritisch analysieren. Unterstützt wird
dies zusätzlich durch Kenntnisse bezüglich der wirtschaftlichen oder poli-
tischen Verflechtungen und Absichten der Produzenten.
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