L3: „Ich möchte nicht sagen, dass die Lehrer an öffentlichen Schulen nichts machen, aber das
Engagement ist schon größer. Bei mir persönlich hat es mit Identifikation mit dem Ganzen zu
tun. […] Und ich bin nur hier, weil die Jugendlichen da sind und nicht umgekehrt. Das
braucht dann Engagement. Also in einer Privatschule kann ich nicht einfach meine 30
Minuten unterrichten und das war es dann.“
I: „Und im öffentlichen System ist das nicht so, dass die Lehrer so eine Identifikation haben?“
L3: „Das glaube ich nicht. Ich habe natürlich Kolleg/innen, die auch Lehrer im öffentlichen
System sind. Bei denen merke ich einfach dieses Verständnis: die Schüler sind für mich da oder
die sind jetzt da und müssen da jetzt durch. Und das ist für mich etwas Anderes.“ (L3_CH_2.3
#00: 14:40#)
TEAMWORK LEHRER/INNEN
S3: „Teamwork von Lehrerinnen und Lehrern, das hatten wir in der Unterstufe. Das war in
diesem Individualisierungsprogramm dabei, in dem wir gestartet haben. Das hat nicht immer
252
gut funktioniert. Da bin ich aber erst später draufgekommen, als ich geschaut habe, wie
funktioniert die Zusammenarbeit, das Teamteaching zwischen zwei Lehrerinnen. Das finde
ich war ein großer Minuspunkt. Das sollte man mehr fördern und besser machen. Dass es nicht
nur eine Ansprechpartnerin gibt und die andere nicht nur herumsteht und schaut und nur da
ist, weil sie da sein muss.“ (S3_Ö_2.1 #00:19:45#)
Lernverständnis
Im Rahmen der Beschreibung des Individualisierungskonzepts wurde bereits auf die Rolle der
Schüler/innen verwiesen (vgl. dazu Kapitel 5.1). Damit individualisiertes Lernen funktioniert, müssen sich
auch die Schüler/innen selbst als aktive Gestalter/innen ihrer Lernprozesse wahrnehmen können.
Im Fall der SBW Häuser des Lernens lassen sich mehrere Aspekte anführen, die auf dieses
Lernverständnis schließen lassen: zum einen die bereits beschriebenen Faktoren, dass die Schüler/innen
erfolgreiches Lernen nicht nur über die fremdbestimmte Notengebung definieren (vgl. dazu Kapitel 5.5),
zum anderen die geschilderte Beobachtung, dass der Lerngarten bereits um 07:30 Uhr für autonomes Lernen
genutzt wird, obwohl der offizielle Unterricht erst um 08:45 Uhr beginnt (vgl. dazu Kapitel 8.2.2).
Ergänzend zu den genannten Faktoren ist vor allem die von einer Schweizer Schülerin beschriebene
Lernhaltung und der von ihr genannte hohe Stellenwert gegenseitiger Motivation bei den Jugendlichen sehr
interessant.
GEGENSEITIGE MOTIVATION UND UNTERSTÜTZUNG
S3: „Ich denke mir einfach, wenn man Mitschüler hat, die lernen wollen, die die Matura
wollen, dann beeinflusst das auch einen selber. Das ist etwas, was noch nicht so erwähnt wurde,
das ist aber wichtig, finde ich. Also es haben nicht alle diese Motivation, was ich sehr schade
finde. Aber ich merke auch, wenn jemand nicht motiviert ist, dann sage ich: Willst du nicht
das und das erreichen? Und dann sagen sie ja und dann setzen sie sich doch nochmal ran.“
(S3_CH_5.2 #00: 29:32#)
Eine Lehrerin der österreichischen Fallstudie beschreibt in ihrem Zitat das schlechte Klassenklima und
das damit verbundene Lernverständnis. Es fällt dabei auf, dass sie zur Lösung der Konflikte eigene Strategien
entwickelt, da es keine schulischen Strukturen zur Problembewältigung gibt.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass hinsichtlich des Lernverständnisses der Schüler/innen des Wiener
Gymnasiums keine positiven Stellungnahmen - weder bei den Schüler/innen noch bei den Lehrer/innen -
identifiziert werden konnten. Das zweite Zitat einer Lehrerin zeigt beispielhaft, dass der Beitrag der
Schüler/innen eher negativ bewertet wird und sie im Gegenzug von einer „Zähmung“ der Jugendlichen
spricht. Möglicherweise steckt darin auch die Ursache des Problems, dass ein bestimmtes Lehrverständnis
nur zu einem bestimmten Lernverständnis führen kann.
253
LERNVERSTÄNDNIS – HALTUNG- KLASSENKLIMA
Do'stlaringiz bilan baham: |