Maßnahmen zur Re-Integration arbeitsloser Problemgruppen in den ersten Arbeitsmarkt Dilemmata, Paradoxien und Transintentionen bei der Umsetzung eines unmöglichen


Maßnahmen als Lösungsansatz im Sinne des ökonomischen Systems?



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Maßnahmen als Lösungsansatz im Sinne des ökonomischen Systems?


Aus der Vielfalt der sozialwissenschaftlichen Analysen zur Erklärung des Phänomens Arbeitslosigkeit lassen sich mit drei idealtypische Argumentationsmuster bzw. unterschiedliche Positionierungen in Hinblick auf Ursachen von und Umgang mit dem Problem Arbeitslosigkeit herausschälen (vgl. BAUR 2001: 11 f.). Analog dazu lassen sich in Bezug auf Erwerbsarbeits-Theorien grundsätzlich solche zur Fortsetzung und jene zur Überwindung des Kapitalismus unterscheiden.

Verbindet sich mit erstgenannten Theorien das Postulat der Verknüpfungen des Wirtschaftswachstums mit der Schaffung von Arbeitsplätzen, weisen letztere auf die dem Kapitalismus von vornherein inhärenten selbstzerstörerischen Tendenzen hin. Diesen Hypothesen zufolge würde sich der Kapitalismus auf Grund der endogenen und exogenen Begrenzung wirtschaftlichen Wachstums letztlich selbst zerstören.

Folgt man den „Theorien zur Fortsetzung des Kapitalismus“, ließe sich Arbeitslosigkeit also innerhalb des kapitalistischen Systems selbst bekämpfen. In diesem Schema finden sich zwei konträrer Denkrichtungen.

Die Theorie der Annahme der „Selbstheilungskräfte des Marktes“ entspricht jenen Strömungen die im öffentlichen Diskurs als so genannte “neoliberale” Ansätze firmieren (vgl. BAUR. 2001: 13 ff.) Vertretern dieses Argumentationsmusters zufolge muss, will man die Arbeitslosigkeit besiegen, das Ziel „soziale Gerechtigkeit“ zu Gunsten des „freien Spiels selbstregulativer Marktkräfte“ (im Sinne von Adam SMITH´s berühmter „invisible hand“-Metapher) aufgegeben werden (vgl. BAUR. 2001: 27 u. 173). Diese Anschauung wird sowohl durch Exponenten des ökonomischen Systems als auch den neoliberalen Flügeln des politischen Systems vertreten.

Dem gegenüber stehen die Theorien der Notwendigkeit politischer Steuerung der Wirtschaft durch Vertreter des „keynesianischen“ Argumentationsmusters (vgl. ebd. 2001: 19ff.). Ihnen zufolge ließe sich Arbeitslosigkeit zwar ebenfalls innerhalb des Kapitalismus bekämpfen, jedoch dürfe das Ziel sozialer Gerechtigkeit nicht aufgegeben werden, nachdem die Marktmechanismen dem Menschen nicht immer gerecht würden (vgl. ebd. 2001: 173). Idealtypisch lässt sich die Übernahme derartiger Paradigmen einem wirtschaftsliberal gemäßigten politischen System sozialstaatlicher Verfassung, dem darin agierenden Arbeitsmarktservice sowie konservativen Teilen der Sozialarbeit zuschreiben.

Dagegen argumentieren Theorien der Überwindung des Kapitalismus damit, dass Vollbeschäftigung allein auf Grund genannter selbstdestruktiver Immanenz des kapitalistischen Systems nicht aufrecht zu erhalten sei (vgl. ebd. 2001: 23 ff.). Zwar würde der menschlichen Gesellschaft nie die Arbeit ausgehen, wohl aber steuerten wir auf eine Gesellschaft zu, in der es Erwerbsarbeit – ganz im Sinne oben herausgearbeiteter Differenzierung – kaum mehr geben werde. Die Menschen seien durch eine Grundsicherung (Sozialeinkommen) vom Zwang der Erwerbsarbeit zu befreien.

Für Andre GORZ (2002), einem der exponiertesten Proponenten einer derartigen „Tätigkeitsgesellschaft“, ist eine Sozietät vorstellbar, in der Formen diskontinuierlicher, prekärer und fragmentierter Erwerbsarbeit nicht länger den Zerfall und die Polarisierung der Gesellschaft nach sich zögen, sondern als jenseits des Normalarbeitsverhältnisses, der Normalfamilie und der Standardbiografie neue Formen kollektiven Zusammenlebens und gesellschaftlicher Kohäsion ermöglichten. „Überwindungstheorien“ geht es somit nicht um die Aufhebung der Arbeit schlechthin, als vielmehr „um die Vervielfältigung und Erweiterungen gesellschaftlich anerkannter Formen von Arbeit, die der Eigenproduktion, der Selbstverwirklichung und dem Gemeinwesen dienen“ (NEGT. 2001: 429). Dies stünde, den Auffassungen GORZ` und NEGTS folgend, durchaus im Gegensatz zum gegenwärtigen Lösungsansatz - der Schaffung eines, soziale Inklusionsbedingungen weitgehend außer Kraft setzenden und durch Sozialleistungen gestützten Billigstlohn-Sektors als Surrogat anerkannter Formen von Erwerbsarbeit.

Angesichts der “realen” polit-ökonomischen Machtverhältnisse scheint jedoch wenig überraschend, dass diese Sichtweise von verhältnismäßig sehr wenigen Sozialwissenschaftern vertreten wird und eher noch seltener seitens Exponenten der herrschenden Politik, Gewerkschaftern und Medien.


Resümee


Mit dem Phänomen zunehmender Massenarbeitslosigkeit ist eine - wenn nicht die - Grundfeste unserer „Arbeitsgesellschaft“ bedroht. Dagegen wird die Profession „Soziale Arbeit“ im Rahmen arbeitsmarktintegrativer Maßnahmen „ins Feld“ der Arbeitsmarktpolitik geführt. Als spezifische Form Sozialer Arbeit erlangte arbeitsmarktpolitische Integrationsarbeit in den letzten drei Jahrzehnten zunehmende gesellschaftliche Zuständigkeit für die Bearbeitung bestimmter Folgen und Nebenfolgen von Exklusion aus dem Arbeitsmarkt und daraus verbundener Ungleichheiten (vgl. BOMMES/ SCHERR. 2000: 124ff.), nicht aber – und das ist eine gravierende Differenzierung - für die, jene Folgen auslösenden Phänomene (wie Arbeitsplatzrationalisierungen, Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer, Rückzug des Sozialstaates etc.) selbst. Soziale Arbeit ist mittlerweile auch auf dem arbeitsmarktintegrativen Feld längst zu einer „normalen“ Disziplin geworden – mit allen Implikationen, in erster Linie jener, dass sich die ihr zugewiesenen Arbeitslosen gezwungenermaßen auf ihre professionellen Interventionen einlassen müssen bzw. diese keineswegs freiwillig aufsuchen. Soziale Arbeit hat sich am arbeitsmarktpolitischen Sektor „gewissermaßen im Schlepptau mit der Zunahme, vielleicht aber auch ‚nur‛ mit der zunehmenden Bearbeitung immer schon vorhandenen gesellschaftlichen Elends“ (MERTEN. 2001: 94) etabliert, und zwar in Folge drohender und faktischer Exklusion einer steigenden Zahl Arbeitsloser aus immer mehr Funktionssystemen im Zuge des „Abbaus sozialstaatlicher Netze“. Dabei erfüllt Soziale „Integrationsarbeit“ eine durchaus als solche zu bezeichnende Funktion, die sie jedoch nicht selbst bestimmt bzw. nicht autonom definiert.

Das gegenständliche, relativ neue Feld „Sozialer Arbeit“ ist hochgradig und in komplexer Weise direkt von politischen Entscheidungen und Ressourcenzuweisungen abhängig und erbringt ihre Leistungen keineswegs uneigennützig (vgl. BOMMES/ SCHERR 2000: 36ff.). Vielmehr hat sie in ihrer Etablierung auf dem arbeitsmarktpolitischen Feld enorm davon profitiert, dass „die (Arbeits)Gesellschaft“, inklusive ihres „politischen Systems“ sich unfähig (bzw. nicht willens) zeigte, alle - vor allem die aus Erwerbsarbeit exkludierten - Mitglieder zu eigenständiger und -verantwortlicher Lebensführungen unter modernen sozioökonomischen Bedingungen zu befähigen (SCHERR 2001: 113). Aus den kontinuierlichen Einschränkungen sozialstaatlicher Garantien für die Marginalisierten des Arbeitsmarktes - im Zusammenhang mit dessen krisenhaften, strukturellen Umbrüchen - fand die, an den daraus resultierenden Problemstellungen anknüpfende, „Soziale Arbeit“ erst ausreichend Resonanz für ihr Postulat des Erfordernisses diesbezüglicher Angebote stellvertretenden Handelns. Unter dieser Perspektive hat arbeitsmarktintegrative Soziale Arbeit, indem sie sich erfolgreich auf ein Scheitern politischer Gesellschaftsgestaltung zur Überwindung struktureller Ursachen des Entstehens individueller Hilfsbedürftigkeit durch Arbeitslosigkeit einrichtete, von den Systemschwächen und -krisen in Form quantitativer und qualitativer Expansion profitiert (vgl. SCHERR. 2001: 112f.).

Andererseits sind ihre Programme grundsätzlich auch ausgerichtet, „Tendenzen zur sozialen Exklusion abzubauen bzw. ihnen vorzubeugen“ (LUHMANN. 2000: 243). Insofern sieht sie ihren Kernauftrag in der reflexiven „Hilfe zur Selbsthilfe“ bzw. „Empowerment“ ihrer Klientel. Diese Hilfe zur Selbstbefähigung ist jedoch an gesellschaftlich vorgegebene „Bedingungen der Lebensführung“ (vgl. BOMMES/SCHERR. 2000: 64ff.) geknüpft. Konfrontiert mit, aus diesen strukturellen Lebensbedingungen resultierendem individuellen Leid, sowie ursächliche soziale Ungerechtigkeiten durchaus erkennend, sieht sie sich - konträr zu ihrem sozialberuflichen Habitus und ihren Intentionen - gewärtig, an der Festigung des Leide(n)s und der Perpetuierung dahinter stehender gesellschaftlicher Strukturen mitzuwirken.

Denn letztlich bedeutet ihre „Hilfe zur Selbsthilfe“ de facto eine „Hilfe zur Selbstanpassung an gesellschaftliche Bedingungen und Zwänge“ (SCHERR. 2001: 106) - also an die Verhältnisse des Arbeitsmarktes und dessen Anforderungen. Dabei ist die Autonomie der Sozialen Arbeit und ihrer Adressaten grundsätzlich auf die Auswahl ihrer Methoden zu Diagnose und Bearbeitung der „Fälle“ und „Problemstellungen“ reduziert. Sie erstreckt sich keinesfalls auf Entscheidungen über Anspruchsbegründungen und Ziele der Hilfe, wie „Integration in den Ersten Arbeitsmarkt“ (unter Aufrechterhaltung gegenwärtiger sozioökonomischer Verhältnisse), die allein auf rechtliche Vorgaben begründen (ebd.: 109).



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