Inhaltsverzeichnis s e I t e 1



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Philosophische Fakultät




Institut für germanistische Literaturwissenschaft


__________________________________________________


Friedrich von Hardenberg - Novalis


An Tieck


Eine Gedichtinterpretation


WS 1996/97


PS 2 Jena als literarischer Ort
Dr. Ulrich Kaufmann


vorgelegt von:Angelika Flügel


Jena, am 29. Mai 1997


3. Semester
XXX


____________________________________________________________________





2


Inhaltsverzeichnis


S e i t e


1.


Friedrich von Hardenberg und die Jenaer Frühromantik
Studium und erste Kontakte mit Jena


1.1.
1.2.
1.3.


3
4
6


Die Jenaer Frühromantiker - Romantikertreffen 1798 und 1799
Das Romantische und die romantische Poesie


2.


Gedichtinterpretation - An Tieck
Entstehungsgeschichte


8
9


2.1.
2.2.
2.3.
2.4.
2.5.


Jakob Böhme - Mystik und Romantik
Erste Überlegungen zur Interpretation
Äußerer Aufbau


11


13
14


Detaillierte Betrachtung


2.5.1. Suche


15
17
18
20


2.5.2. Wendepunkt
2.5.3. Auflösung


2.6.


Weiterführende Betrachtung formaler Aspekte


3.


Abschließende Gedanken
Literaturverzeichnis


22
23





3


1. Friedrich von Hardenberg und die Jenaer Frühromantik


1.1. Studium und erste Kontakte mit Jena


Als Friedrich von Hardenberg (*2. Mai 1772 in Oberwiederstedt) am
23.10.1790 das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Jena begann,
bedeutete das nicht nur den Abschied von dem elterlichen Haus in Weißenfels,
sondern auch das Zusammentreffen mit Menschen, die ihn ganz entscheidend beein-
flussen sollten. Er kam in Berührung mit den philosophischen Weltansichten Johann
Gottlieb Fichtes, den er auch persönlich kennenlernen konnte, er machte die
Bekanntschaft von Karl Leonhard Reinhold, Friedrich Immanuel Niethammer und
Friedrich und Leonhard Creuzer.


Besonders hervorzuheben wäre die Beziehung zu Friedrich Schiller. Diesem
gelang es, Hardenberg von der möglichen Verbindung des angestrebten Brotberufes
mit dem dichterischen Schaffen zu überzeugen. In einem Brief von 1791 an Professor
Karl Leonhard Reinhold in Jena drückt er rückblickend aus, was sich dank Schiller
an Entwicklungen in ihm vollzogen hatte: „Brächte ich einst Werke hervor, die einen
innern Werth unabhängig in sich trügen, thät ich etwas, das einen edlern Ursprung,
eine schönere Quelle verrieth so ist es auch größestentheils Schiller, dem ich die
Anlage, den Entwurf zur vollendeteren Form verdanke. Er zog in meine Seele die
sanften, weichen Linien des Schönen und des Guten, die meine männlichere
Vernunft nur tiefer zu ziehn nur um die scharfen Ecken zu weben und zu schwingen
braucht um mein Glück und meine Ruhe auf Ewigkeiten zu gründen. Er bietet mir
vom Port der himmlischen Vaterwelt die Hände um die gesunkene Psyche
heraufzuheben. [...] Er zeigte mir, daß man könne, was man solle und daß wahre
Größe des Geistes und ächte sittliche Schönheit des Karakters mit eingeschränkten
Zwecken, wenn man zu höhern Beruf hätte, unverträglich sey. [...] Musen und
Grazien können immer die vertrauten und nüzlichen Gespielen meiner Nebenstunden
bleiben, Lieblingen derselben immer wärmer und inniger mein Herz
entgegenschlagen, Ihre Werke immer einen unaussprechlichen, Sinn und Geist
hinreißenden über alles erhabenen Zauber, für mich behalten und im heiligen
Selbstgefühl der Unschuld und Sittlichkeit alle meine Gedanken und Empfindungen


mit dem Siegel der Begeisterung und Hoheit bezeichnen ...“ (Gosek, 5.10.1791)


1


1


HKA 1988 IV, S. 90f





4


Der Wechsel des Studienortes nach Leipzig trug zur nötigen Ernsthaftigkeit
im Studium bei, und nach dem letzten Studienjahr in Wittenberg konnte er im Juni
1794 das juristische Staatsexamen ablegen. Im Herbst desselben Jahres fand er seine
erste Anstellung als Aktuarius in Tennstedt und begleitete dort den Kreisamtmann
August Coelestin Just auf seinen Dienstreisen innerhalb Thüringens. Auf einer dieser
Reisen lernte er in Grüningen Sophie von Kühn (*17.3.1776) kennen, mit der er sich
sehr schnell fürs Leben verbunden fühlte, wovon zahlreiche Briefe und Gedichte
(darunter Anfang) zeugen. Schon im März des folgenden Jahres verlobten sich die
beiden inoffiziell.


Von Februar 1796 bis Dezember 1797 arbeitete Hardenberg durch Vermittlung
des Vaters als Akzessist bei der Salinendirektion in Weißenfels. Als Sophie im
Sommer 1796 schwer erkrankte und in Jena bei Hofrat Stark behandelt und operiert
wurde, kam Hardenberg wieder stärker in Berührung mit den Jenensern. Am
19.3.1797 starb Sophie. Dieses Ereignis bewirkte eine Wende im Leben
Hardenbergs, die gern als die „Geburt“ des Dichters Novalis angesehen wird. Lange
Zeit gedachte Hardenberg Sophie nachzusterben. Zur Verarbeitung von Sophies Tod
gehörte für ihn die intensive Weiterführung der philosophischen Studien von Fichte
und Hemsterhuis. Erst nach einigen Monaten der Zurückgezogenheit nahm er wieder
Kontakt mit den Freunden August Wilhelm Schlegel und dessen Frau Caroline,
sowie Niethammer und Fichte in Jena auf.


Ein weiteres Studium an der Bergakademie zu Freiberg von Dezember 1797 bis
Mai 1799 vertiefte sein Wissen im Salinenbergbau und ermöglichte die Anstellung
als Salinenassesor in Leipzig, wo er vor allem als Protokollführer bei der
kommissarischen Untersuchung der Salinen Dürrenberg, Kösen und Artern tätig und
somit ständig unterwegs war. Die Freiberger Zeit brachte Hardenberg dichterische
Anregungen, die er in Arbeiten wie den Logologischen Fragmenten und Den
Lehrlingen zu Sais umsetzte, und die später unter dem Pseudonym Novalis im
Athenäum gedruckt wurden. Oft reiste Hardenberg nach Jena und auch nach Dresden,
wohin Caroline Schlegel gezogen war.DIESE PERSONENBESCHREIBUNG TEILEN:


Georg Philipp Friedrich von Hardenberg wird am 2. Mai 1772 auf dem Familiensitz in Oberwiederstedt (Südharz) geboren. Die Familie reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück und führte lange Zeit den Geschlechtsnamen de Novali(s), was auf urbar gemachtes, gerodetes Land hindeutet. In bewusster Anlehnung an diesen Geschlechtsnamen wird sich der Dichter später Novalis (der Neulandrodende) nennen. Den engsten Freundeskreis ausgenommen, bleibt sein eigentlicher Name lange Zeit unbekannt. Der Vater, ein Mitglied der pietistischen Herrnhuter Brüdergemeinde, zeichnete sich durch asketische Strenge und glühende Religiosität aus. Er hält den Sohn schon früh zu intensiver Gewissenserforschung an. Die Mutter wird als zärtliche, empfindsame und zu Depressionen neigende Frau beschrieben. Friedrich ist ein schwächliches, kränkelndes Kind aber auch äußerst lernbegierig, fleißig und auffallend fantasievoll. Wie seine zehn Geschwister erhält er Hausunterricht und erwirbt sich profunde Kenntnisse in der antiken Literatur. 1785 übersiedelt die Familie nach Weißenfels an der Saale, wo der die kursächsischen Salinen als Direktor führt. Bereits in dieser Zeit verfasst
Friedrich Gedichte und Verserzählungen.
1791 schreibt sich der 21-jährige an der juristischen Fakultät der Universität Jena ein. Als Friedrich Schiller, der dort unterrichtet, im Januar 1791 lebensgefährlich erkrankt, gehört Friedrich zu den Studenten, die an seinem Bett Nachtwachen halten. Friedrich interessiert sich zunehmend für Philosophie und Literatur, nimmt aber auch am normalen studentischen Leben teil. Er ist den Frauen und der Geselligkeit zugetan, trinkt und soll sich sogar geschlagen haben. Nachdem die Ermahnungen des Vaters zu einem zügigeren Studium fruchtlos bleiben, muss er Jena verlassen. Im Oktober 1791 immatrikuliert er sich an der Universität Leipzig, weil er sich nun ernsthaft auf den nötigen „Brodberuf“ vorbereiten möchte. Er verordnet sich selbst „Seelenfasten“, um alles „zweckwidrige“ einzudämmen. Im Januar 1792 schließt er Bekanntschaft mit dem Jurastudenten Friedrich Schlegel. Eine schwärmerische, tiefe Freundschaftentwickelt sich, die allerdings auch Zerwürfnisse, Streitigkeiten und längere Schweigephasen kennt. Doch die gegenseitige Neigung gemeinsam zu philosophieren erweist sich als stärker. Die Freunde stehen bis zum Tod Friedrichs in engstem Briefkontakt. Als Friedrich 1793 für Julie Eisenstuck, eine Leipziger Kaufmannstochter schwärmt und sich sogar mit Heiratsplänen trägt, greift der alarmierte Vater ein. Da die Ehe mit einer „Bürgerlichen“ nicht infrage kommt, drängt er auf die sofortige Beendigung der Beziehung. Um sein „unstetes Gemüt zu zähmen“, entschließt er sich einer Radikalkur und kündigt an, Soldat zu werden. Die Pläne zerschlagen sich, da die Familie Hardenberg das nötige Geld für die standesgemäße Ausstattung nicht aufbringen kann. Nach dem Abklingen der militärischen Phase bezieht er im April 1794 auf massives Drängen seiner Eltern die Universität Wittenberg, wo er am 14. Juni das Juraexamen mit der Bestnote ablegt.Zur Vorbereitung auf den preußischen Staatsdienst beginnt er im November 1794 ein Dienstjahr als Aktuarius (Schreiber) im nordthüringischen Tennstedt. Tagsüber übt er die ihm übertragenen Amtsgeschäfte äußerst gewissenhaft aus, abends studiert er die neusten wissenschaftlichen und ästhetischen Erscheinungen. In diese fällt auch die intensive Auseinandersetzung mit den Schriften des Philosophen Fichte. Am 17. November 1794 lernt er die dreizehnjährige Sophie von Kühn kennen. Friedrich verliebt sich sofort heftig in das „schöne, unschuldige Mädchen“ und schmiedet bereits im November 1794 abermals Heiratspläne. Um einer erneuten Intervention des Vaters vorzubeugen, lässt zunächst kein Wort über die Beziehung verlauten. Auch die Verlobung im März 1795 erfolgt in aller Heimlichkeit. Im Dezember 1795 erkrankt Sophie an einer schweren Leberentzündung. Da er die Gründung eines eigenen Hausstandes mit seiner Verlobten plant, bemüht sich Friedrich um eine Anstellung beim kursächsischen Salinendirektorium in Weißenfels. Dieser Schritt bedeutet allerdings auch, unter dem strengen Vater zu arbeiten. Friedrichs Bruder Erasmus kommentiert die Pläne skeptisch: „Blinder Religionseifer und wütende Feindschaft gegen alles, was Neuerung heißt, haben eine ewige Feindschaft zwischen euch aufgerichtet, die weder Toleranz von der einen Seite noch Bekehrungseifer von der anderen je einreißen werden“. Friedrich schlägt die Bedenken des Bruders in den Wind, besucht in Langensalza einen zweiwöchigen Chemiekurs und tritt im Frühjahr 1796 eine Stelle als Akzessist (Amtsgehilfe, Assessor) im Salinenamt Weißenfels an. Im Juni bittet er den Vater, den er nahezu täglich sieht, brieflich um die Erlaubnis zur Heirat mit Sophie von Kühn: „Nicht ohne heftige Beunruhigung wage ich einen lange gefürchteten Schritt. (…) Ich flehe nur um deine Einwilligung und Autorisation meiner Wahl.“ Friedrichs Bangigkeit erweist sich als unbegründet, der Vater willigt ein.Nach einer anfänglichen Erholung verschlechtert Sophies Zustand bereits im Juli rapide. Sie leidet an einem Lebergeschwür und einer Tuberkulose des Brustraums. Nach drei Operationen in Jena kehrt sie im Dezember nach Grüningen zurück. Die Ärzte haben sie aufgegeben, ihr Zustand verschlechtert sich zusehends. Sophie stirbt am 19. März 1797, zwei Tage nach ihrem 15. Geburtstag.Friedrich ist zutiefst getroffen. In seinen Briefen schreibt er von Todessehnsüchten, Lebensüberdruss und der Hoffnung auf die baldige Wiedervereinigung mit Sofie. Am 16. April, einem Ostersonntag, besucht er erstmals ihr Grab. In seinem Tagebuch vermerkt er dazu: „Abends ging ich zu Sophien. Dort war ich unglaublich freudig – aufblitzende Enthusiasmus-Momente – das Grab blies ich wie Staub, vor mir hin –Jahrhunderte waren Momente – ihre Nähe war fühlbar – ich glaubte sie solle immer vortreten.“ Ludwig Tieck, der Freund und Werkherausgeber, wird diesen Grabbesuch Jahre später zum Durchbruchserlebnis des romantischen Dichters stilisieren und die Legende begründen, Novalis habe seinen Schmerz unmittelbar in den „Hymnen an die Nacht“verarbeitet. Erst neuere Forschungen rücken vom nachträglich verklärten Bild eines schmerzgebeugten, tief todessüchtigen Jünglings und seinen spontanen dichterischen Eingebungen ab. Zum einen, weil die „Hymnen“erst zwei Jahre später als literarisches, durchdacht komponiertes und keinesfalls strikt autobiografisches Werk entstanden und zum anderen, weil Friedrich in seinem Journal bereits im Juni 1797 von „vergnügten Tagen“, „Lüsternheit“ und der wachsenden Schwierigkeit des Trauerns um Sophie berichtet. Im selben Jahr 1797 setzt sich Friedrich erstmals mit Schellings naturphilosophischen Gedanken auseinander, die sein Schaffen fortan .nachhaltig beeinflussen. In Leipzig lernt er den Philosophen persönlich kennen und nimmt einen lockeren Briefverkehr auf. Im Dezember beginnt er ein Studium des Bergbaus und der Naturwissenschaften an der Bergakademie Freiberg. Die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften, insbesondere mit Chemie, Physik, und Mathematik fließt in sein keimendes Konzept einer „wahrhaft romantischen Poesie“ ein. Im Mai 1798 erscheint in der von den Brüdern Schlegel herausgegebenen Zeitschrift Athenaeum eine Sammlung von „vermischten Bemerkungen“mit dem Titel „Blütenstaub“. Parallel zu dieser Veröffentlichung, die erstmals unter dem Namen Novalis erfolgt, entsteht der Fragment gebliebene Roman „Die Lehrlinge zu Sais“. Obwohl Friedrich sein Bergbaustudium äußerst ernsthaft betreibt, widmet er sich in seinen freien Stunden der Literatur und ausgiebiger Lektüre. Im Sommer zwingt ihn seine angeschlagene Gesundheit zu einer Kur in Teplitz. Hier entstehen jene Fragmente, die zusammen mit den Texten aus „Blütenstaub“, „Glauben und Liebe“ sowie anderen Studien, Exzerpten und Entwürfen das wichtige theoretische Werk des Frühromantikers bilden. Im September beginnt er die Arbeit an einer geplanten wissenschaftlichromantischen Enzyklopädie, die den Titel „Allgemeines Brouillon“ trägt. Aber auch für die Liebe bleibt Zeit: Im Dezember 1798 verlobt er sich mit Julie von Charpentier, der Tochter des Bergrats von Charpentier. Mitte Mai 1799 schließt Friedrich das Bergbaustudium ab und kehrt nach Weißenfels zurück. Hier verfasst er im Herbst für das Athenaeum den Aufsatz „Die Christenheit oder Europa“. Wegen ihrer unverhohlenen katholischen Propaganda entfacht die Schrift eine heftige Debatte und bleibt unveröffentlicht. Gegen Ende des Jahres nimmt Novalis die Arbeit am „Heinrich von Ofterdingen“ auf und tritt im Dezember eine Stelle als Salinenassessor an der Salinendirektion in Weißenfels an.Am 10. April 1800 bewirbt er sich um eine Stelle als Amtshauptmann im Thüringischen Kreis. Gegen Ende des Jahres erscheinen die „Hymnen an die Nacht“ im sechsten und letzten Heft des Athenaeum, der erste Teil des „Heinrich von Ofterdingen“ ist abgeschlossen. Mit der im Dezember erfolgten Ernennung zum Kursächsischen Amtshauptmann im Thüringischen Bergkreis scheint nun auch die berufliche Zukunft und damit die Eheschließung gesichert. Doch zur ersehnten Heirat und „Brautnacht“, zur freudig vorausfantasierten kinderreichen Familie wird es aller glücklichen Aussichten zum Trotz nicht kommen. Friedrichs Gesundheit verschlechtert sich rapide. Bereits im Frühjahr besteht keinerlei Hoffnung auf eine Ausheilung seines Lungenleidens. Am 23. März trifft Friedrich Schlegel am Krankenbett des Freundes ein.ZweTage später, am 25. März 1801 stirbt





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