Popularmusiker in der provinz


II) Die “soziale Randgruppen-Hypothese”



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II) Die “soziale Randgruppen-Hypothese”


Punkt 2) der Interview-Auswertung lautete : “Was bringt Individuen dazu, sich die betreffende `Außenseiterrolle´ anzuziehen und welche Gemeinsamkeiten lassen sich ggf. in der Biographie solcher Individuen auffinden ?”

Es wurde hierbei zwar zunächst - im Sinne von H.S. Becker - die Ausübung der interessierenden popularmusikalischen Tätigkeit mit der Einnahme einer - gesellschaftlichen - Außenseiterposition gleichgesetzt, die Begriffe “Außenseiter”, “gesellschaftliche(s) Außenseitergruppe bzw. Außenseitertum” und/oder “Außenseiterrolle” wurden jedoch deswegen mit Apostrophierungen versehen, um anzuzeigen, dass ihre Triftigkeit hinsichtlich des untersuchten Personenkreises erst noch nachgewiesen werden müsse. In diesem Zusammenhang war auch nach der “Stigmatisierung” durch die musikalische Tätigkeit gefragt worden.

Dass mit gewisser äußerlicher Stigmatisierung zusammengehendes gesellschaftliches Außenseitertum nicht notwendigerweise der Integration in die Gesellschaft entgegenstehen muss, mag mit Hinweis auf Schwendters Ausführungen etwa das Beispiel körperlich Behinderter zeigen. Andererseits war wenigstens bei einigen Teilnehmern der “Vorstudie 81/82” die mit der Zeit wechselnde Übernahme von äußerlichen Insignien bestimmter derzeit gerade modischer jugendlicher Subkulturen beobachtet worden. Eine Zugehörigkeit zu entsprechenden Gruppierungen konnte jedoch nicht festgestellt werden.

Das führt an dieser Stelle zu dem Schluss, dass aus dem Vorliegen gewisser äußerlicher Stigmata bei dem interessierenden Personenkreis nicht unbedingt auf gesellschaftliches Außenseitertum geschlossen werden kann 419. Das Beispiel religiöser Gruppen - etwa der “Zeugen Jehovas” - zeigt demgegenüber, dass Mitglieder solcher Gruppierungen - zumindest im alltäglichen Umgang - nicht unbedingt an äußerlichen Stigmata als Angehörige einer gesellschaftlichen Außenseitergruppe identifiziert werden können.

Zusammenfassend folgt daraus, dass hier nur ein tiefergehendes Studium - die Erforschung von Werten, Einstellungen, Strukturen - entsprechende Aufschlüsse über Mitgliedschaft in Außenseitergruppen liefern könnte.

Ebenso hat die Zusammenfassung der Interviewauswertungen und der Befunde aus teilnehmender Beobachtung gezeigt, dass die interessierende “Szene” sich aus Personen mit unterschiedlichem Sozialstatus, unterschiedlichen Stilen, unterschiedlicher “Ambitioniertheit” - was sich in der Zuordenbarkeit zu den verschiedenen Musiker-Ideal-Typen abbildete - sowie auch unterschiedlicher Affinität zu ausgewiesenen gesellschaftlichen Außenseitergruppen zusammensetzte. Aus diesem Grund konnte die Beantwortung der zentralen Frage dieser Studie, ob es sich bei dem beobachteten Personenkreis um eine soziale Außenseitergruppe im Sinne H.S. Becker handelt, ebenfalls nur auf dem Weg weiterer, tiefer greifender Analyse bzw. Interpretation der empirischen Befunde erfolgen.


i) Gruppenstruktur


Die interessierende “Szene” ist in der “Horizontalen” im wesentlichen in eine Reihe von Cliquen und einzelne Kleingruppen segmentiert, die u.U. aus nicht vielmehr Mitgliedern als den Angehörigen einer jeweiligen Combo bestehen.

Nicht selten enthalten die Cliquen jedoch Personal für mehr als eine Musikgruppe, und es gibt darin auch oft mindestens eine aktionsfähige/öffentlich agierende Combo. Ersteres z.B. ist der Fall bei einer “Profi-Blues”-Clique, zweiteres bei einer örtlichen “Jazz”-Clique sowie bei einer “Comedy-Rock”-Clique 420.

Die teilnehmende Beobachtung ergab u.a., dass die einzelnen Cliquen nur sehr wenig miteinander zu tun hatten, was manchmal eine Erklärung in den unterschiedlichen musikalischen Stilistiken fand. Gelegentlich konnte es - aus manchmal unerfindlichen Gründen - auch zu Missliebigkeit zwischen solchen Cliquen kommen 421. Gegenseitige Miesmacherei hinter dem Rücken darf jedoch nicht als Spezial-Charakteristikum der interessierenden “Szene” betrachtet werden, da hierfür eine gewisse Zeit-, Orts- sowie bisweilen auch Zeitgeist-Unab-hängigkeit akklamiert werden kann (Beat, Spaß II., teilnehmende Beobachtung).

Zum Übergang von einer Clique zur anderen kommt es eher selten, nicht zuletzt aus dem Grund, dass für bestimmte Projekte der Personalbestand sowie das persönliche Umfeld der eigenen Musik-Clique nichts Entsprechendes hergeben (siehe 2.3.c), 2.3.e)i/ii)).

Dass die Mitgliedschaft in einer der Musik-Cliquen der interessierenden “Szene” eine Art Eintrittskarte in andere Cliquen darstellt - wie bei Becker - konnte an dem vorliegenden Untersuchungsmaterial nicht nachvollzogen werden.

Je weiter man der “Vertikalen” nach unten folgt - d.h. hin zu solchen Gruppen, die sich in der Anfangsphase der gemeinsamen popularmusikalischen Tätigkeit befinden -, desto höher scheint der Fluktuationsgrad in den jeweiligen Combos und desto niedriger die interne Stabilität zu sein :

- Einerseits können pubertätsbedingte Gründe dafür zur Erklärung herangezogen werden, etwa die Änderung der Interessensgebiete, die erste Freundin (Harley), der Beginn einer Berufsausbildung, das durch Eintritt in die Bundeswehr oder das Studium in einer anderen Stadt gegebene Ende der Pubertät o.ä. .

- Andererseits mögen sich Gründe aus der Konsolidierung des Erwachsenen-Status ergeben - Eintritt in das Berufsleben, Heirat o.ä. -, Ereignisse, die allerdings auch in späteren Phasen der gemeinsamen popularmusikalischen Tätigkeit eine ähnliche Wirkung haben dürften.


ii) “Moral”


Zumindest zum Zeitpunkt der jeweiligen Gespräche schienen sich einige der “Vorstudien”-MusikerInnen sowie auch “mittlere” und jüngere Interviewte bzw. Beobachtete von ihrem Status her in Hinsicht auf eine eventuelle popularmusikalische Karriere als in einer Art “Warteschleife” befindlich zu betrachten 422, die man gewissermaßen - mehr oder weniger gezwungenermaßen - vor dem Einflug zu “höheren popularmusikalischen Ehren” einige Male zu durchlaufen habe 423. W. R. und Humor, zwei der “Vorstudien”-Musiker, formulierten das mit Hilfe einer Metapher aus dem Sport : Sie verglichen ihre eigene derzeitige Combo vom Status her mit dem Provinzfußballverein “Atlas Delmenhorst”. Was man statt dessen jedoch anstrebe in der gemeinsamen popularmusikalischen Tätigkeit, das sei ein Status, der demjenigen entspräche, den der Bundesligaverein “Bayern München” inne habe.

In diesem Zusammenhang hatten sich einige MusikerInnen der interessierenden “Szene” sogar mehrere “Warteschleifen” angelegt - etwa popularmusikalische Tätigkeit und Studium (Lehrer, auch Langer) -, zwischen welchen sie, je nach Aussicht des Fortkommens, hin und her wechselten.

Wieder andere der interviewten/beobachteten MusikerInnen schienen ihre “Warteschleifen-Phase” auch als einen Zeitraum für gewisse Investitionen für die Zukunft zu betrachten und bemühten sich um die Installation von Konstruktionen, die ihnen später die für die eigene Existenzsicherung erforderliche Grundlage bieten sollten 424.

Das unter 2.3.e/i/ii) geschilderte Verhalten einiger Ensembles (2.3.e/i) und einiger Einzelmusiker bzw. auch anderer Angehöriger der “Szene” (2.3.e/ii) zeigt, dass mitunter auch in “moralischer” Hinsicht fragwürdige Mittel gewählt werden können, wenn sich eine Möglichkeit abzeichnet, die “Warteschleife” zu verlassen 425. Gemeint ist hier nicht eine Art “Gruppenmoral”, sondern eher allgemein in der Gesellschaft als verbindlich betrachtete “moralische” Vorstellungen hinsichtlich zwischenmenschlichen Verhaltens.

Es sei an dieser Stelle bemerkt, dass es sich bei Beispiel 3)/“Erfolg” aus 2.3.e/i) um einen Fall von Gruppenverhalten handelte, der sich auf die Teilnahme an einem der Großkonzerte bezog, die von der derzeitigen lokalen Musikerselbsthilfeorganisation Ende der 1970-er/Anfang der -80er Jahre alljährlich am zweiten Weihnachtsfeiertag in der Osnabrücker “Halle Gartlage” durchgeführt wurden und die in der lokalen “Szene” schnell eine Art “spektakulären Ruf” genossen. Dass gerade unter den damals noch jüngeren Angehörigen der interessierenden “Szene” hinsichtlich dieser im Zeitraum von 1979 bis 1983 insgesamt fünfmal durchgeführten Festivalveranstaltung die Auffassung bestand, eine Teilnahme könne einen lokalen Durchbruch - wenn nicht sogar noch mehr - der eigenen Musikgruppe zur Folge haben, zeigen Fälle aus “teilnehmender Erinnerung” :

- Bei der 1980-er Ausgabe des besagten Events war von der lokalen Kulturbehörde ein Veranstalter mit der Durchführung des Ereignisses beauftragt worden, der sich u.a. als Manager von Nachwuchsbands aus der Region betätigte. Zwischen diesem Manager und dem örtlichen Musikerselbsthilfezusammenschluss entstand ein Streit über die für die Veranstaltung ausgewählten Musikgruppen. Gegenstand der Meinungsverschiedenheit war, dass der Manager ein Ensemble aus seiner Klientel für einen Auftritt vorgesehen hatte. Vor diesem Hintergrund gab es bei einem der Autoren dieser Arbeit, der seinerzeit dem Musikerselbsthilfezusammenschluss angehörte und maßgeblich Einfluss auf das Veranstaltungsprogramm ausübte, einige Wochen vor Weihnachten 1980 einen Besuch von fünf Jungen im Alter von 13 bis 15 Jahren, die der betreffenden Nachwuchscombo des Managers angehörten und die dem Autor aufgebracht unterbreiteten, welche große Chance man ihnen zerstören würde, wenn es nicht - wie der Manager zugesichert hatte - zu ihrem Auftritt bei dem Großkonzert käme.

- Die Treffen der lokalen Musikerselbsthilfe-Initiative fanden zu Beginn der 1980-er Jahre als Kurse der Osnabrücker VHS wöchentlich statt. Während zu diesen Treffen in den Sommermonaten oft nur sehr wenige lokale Musiker erschienen - nicht nur wegen der Sommerferien -, begann sich das Auditorium i.d.R. ab Ende September/Beginn Oktober merklich zu füllen. Mittlerweile war in der “Szene” allgemein bekannt, dass mit der Planung für die immer am zweiten Weihnachtsfeiertag stattfindenden “Christmas on the Rock´s”-Ereignisse ca. zwei Monate vorher begonnen wurde und man so die eigenen Interessen bei der Auswahl der auftretenden Combos meinte, am besten anmelden zu können.
Das in dem genannten Beispiel 3) zu Punkt 2.3.e/i) – Stichwort “Das `Moment des Erfolges´, häufiger des `vermeintlichen Erfolges´” - vorgeführte “moralisch” zweifelhafte Verhalten der betreffenden Gruppe kann zwar in gewisser Weise als Effekt der zeitweilig für lokale Verhältnisse sehr guten Resonanz der genannten Großveranstaltung betrachtet werden. Andere Fälle von Gruppenverhalten zeigten jedoch, dass das - erfolgreiche - Verfolgen der Absicht, bei dieser Veranstaltung auftreten zu können, i.d.R. nicht in solches Gebaren abzugleiten brauchte, das zumindest in “moralischer” Hinsicht anzweifelbar gewesen wäre.

Mit Hilfe der hier geschilderten und zur Argumentation herangezogenen Beispiele “moralisch” fragwürdigen Verhaltens soll nicht die Absicht verfolgt werden, die interessierende “Szene” zu diskreditieren mittels der Unterstellung einer Art “Freistil-Kultur-Darwinismus” oder als Nische für ethisch/moralisch suspektes Verhalten. Dass es in dieser Hinsicht in anderen Bereichen der Gesellschaft weit rüder zugehen dürfte, soll nicht bestritten werden, ist aber auch nicht Gegenstand dieser Untersuchung.

Die Beispiele sollen lediglich als Beleg für die Behauptung dienen, dass die Verbindlichkeit moralischer Standards in dem hier diskutierten Zusammenhang u.U. geringer ist als in anderen Bereichen der Gesellschaft.

So stellten die betreffenden “Warteschleifen-Phasen” anscheinend sowohl in der Auffassung der jeweiligen Akteure als auch nicht selten in realiter gegenüber der Anwendung inkorrekter oder unkollegialer Verhaltensweise “Sphären” dar, in denen auf Inkorrektheiten nicht oder allenfalls nur mit schwachen Sanktionen reagiert wurde. Das Verhalten im konkreten Fall mag wohl bisweilen von der Annahme des Akteurs begleitet gewesen sein, durch das Verlassen der “Warte-schleife” in einen anderen Status und ggf. in ein anderes Umfeld eintreten zu können, in welchem man mit sich weiterhin in der “Schleife” befindlichen, ausgebremsten Kollegen sowieso nichts mehr zu tun haben werde.

Es sei hier die Vermutung festgehalten, dass der diskutierte, in der Anschauung der Akteure vorausgesetzte Phasen-Charakter der “Warteschleifen” hinsichtlich der Herausbildung einer über die Zeit einigermaßen konstanten eigenen “Moral” in dem interessierenden Personenkreis eher abträglich sein dürfte. Andererseits sei an dieser Stelle die Annahme geäußert, dass die oben angesprochene Cliquenbildung vor dem Hintergrund zu sehen wäre, dass die von den jeweiligen Akteuren angenommene zeitliche Begrenzung ihrer “Warteschleifen” sich nicht selten immer wieder als vermeintlich erweisen und die Clique somit eine gewisse Sicherheit vor etwaigen Inkorrektheiten liefern sowie eine Art Refugium darstellen kann gegenüber befürchteten Folgen eigener “Über-den-Tisch-Ziehereien” Außenstehender.

Dass die Mitgliedschaft zu der untersuchten “Szene” wenigstens von einigen der Interviewten/Beobachteten aller Wahrscheinlichkeit nach als “Warteschleife” für den als erstrebenswert betrachteten Übertritt zur “Welt der professionellen Popularmusikverwertung” angesehen wurde bzw. wird, können ferner die eine oder andere der unter 2.3.e/ii) geschilderten Aufschneidereien belegen helfen. Diese haben im wesentlichen den Status zum Gegenstand bzw. sollen ihn anderen vorgaukeln, auf dem der Aufschneider sich gerne befinden würde - “Was nicht ist, ist möglich”, heißt es in einem Text der “Einstürzenden Neubauten”.

In gewisser Weise scheint im Zusammenhang des “Warteschleifen-Phänomens” der Charakter eines “moralischen Niemandslandes” auf. Der Möglichkeit, ob sich dabei vielleicht gewisse Parallelen zu “Vorstadien” anderer Berufskarrieren aufzeigen ließen, kann hier - um den Rahmen der Untersuchung nicht zu sprengen - nicht weiter nachgegangen werden.
Es wird Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der interessierenden “Szene” keine übergreifende Struktur ermittelt werden konnte, nach der diese “Szene” quasi geordnet wäre. Wenn z.B. eine der in die “Szene” involvierten Cliquen eine ökonomisch interessante Position besetzen kann, so ergibt sich das eher zufällig - etwa aufgrund bestimmter persönlicher Kontakte und/ oder von in diesem Zusammenhang praktiziertem Seilschaftsverhalten 426.

Ebenso wenig kann von einer “spezifischen Moral” (vergl. H.S. Becker) bzw. einer Art Regel-Kanon gesprochen werden, der das Verhalten und/oder die Beziehungen unter den jeweiligen Musikgruppen und/oder den einzelnen “Szene”-Mitgliedern betrifft. Jedoch ließ sich - wie die Diskussion des “Warteschleifen-Phänomens” zeigen konnte - die gelegentliche Missachtung gewisser mitunter in der Gesellschaft verbreiteter allgemeiner Anschauungen “moralischer” Art feststellen, die zumindest das zwischenmenschliche Verhalten betreffen.

Ferner ergibt sich aus den Interviews/Beobachtungen, dass einzelne in die interessierende “Szene” involvierte Cliquen sich bisweilen unterschiedlich “weit” von der Gesellschaft entfernen können : Wie es neben dezidierten “Amateur”-Cliquen (Hobby, Independent) “Profi”-Cliquen und dazwischen diverse Abstufungen (Pharma) gibt, so waren in diesem Zusammenhang auch gewisse Affinitäten einzelner Musikgruppen zu bereits existierenden ausgewiesenen gesellschaftlichen Randgruppen zu beobachten - wie die Beispiele von Beat und Harley zeigten.

Ein grundsätzliches Zusammengehen solcher Affinitäten mit dem Professionalisierungsgrad der jeweiligen Combos konnte jedoch nicht festgestellt werden : Während Beat nach dem Beitritt seiner damaligen Beat-Band in engen Kontakt zum Zuhälter-/Prostituierten-Milieu kommt, kann von einer gewissen Nähe von Harleys jeweiligen Musikgruppen zur örtlichen Drogen-Szene - wenigstens während der ersten Phase gemeinschaftlicher popularmusikalischer Tätigkeit - gesprochen werden. Mit zunehmender Professionalisierung wird der Drogengebrauch immer mehr aus der gemeinsamen Musikgruppentätigkeit ausgeklammert (Harley, Lederjacke II.).

In Harleys Fall kam es ferner zur zeitweiligen Einbindung in eine Art “überregionales Netzwerk” sowie zur Teilnahme an einer damit in Verbindung stehenden Gegenöffentlichkeit. Da Verbreitungsgegenstand dieser Gegenöffentlichkeit derzeit aktuelle Popularmusik-Genres waren (Punk, New Wave), ergab sich für Harley und seine Musikerkollegen auch schnell eine Berührung mit dem Musik-Business (vergl. Hebdige et al.) und - mit Hilfe eines Musikproduzenten - der zeitweilige Beitritt zur “Welt der professionellen Popularmusikverwertung”.

Auch für Harleys spätere Versuche, erneut im Musikgeschäft Fuß zu fassen, wurde der Weg über existierende Formen von Gegenöffentlichkeit gewählt 427.

Aus dem dieser Untersuchung zugrunde liegenden empirischen Material - einschließlich der Schilderungen von Harley und seiner Kollegen - geht hervor, dass es zwar zu gelegentlichen Berührungen zwischen der interessierenden “Szene” bzw. Angehörigen derselben und der professionellen Musikbranche kommen konnte 428, ein Beitritt zur “Welt der professionellen Popularmusikverwertung” stellte sich für “Szene”-Angehörige aber dennoch bislang

1) als überhaupt sehr unwahrscheinlich dar (Harley, Lederjacke I./II., New-wa-ve, “Vorstudie 81/82”, teilnehmende Beobachtung),

erwies sich

2) als meistens von zeitlich relativ begrenzter Dauer (Harley, Lederjacke II., teilnehmende Beobachtung : diverse Projekte aus dem Umfeld der “Vorstu-dien”-MusikerInnen)

und/oder hatte sich

3) in finanzieller Hinsicht als nicht besonders lukrativ gestaltet (Lederjacke II., Harley, teilnehmende Beobachtung, Pellmann) 429.


Die Beobachtung, dass die in diesem Kapitel eingeführten “Musiker-Ideal-Typusse” - in mehr oder weniger reiner Form - in nahezu allen Cliquen der interessierenden “Szene” auftauchen430, würde - zumindest was den “Hobby-Typus” anbelangt - zunächst allenfalls Aussagen von E. Goffman über den üblicherweise in modernen, zivilisierten Gesellschaften anzutreffenden Rollenpluralismus von Individuen unterstreichen helfen bzw. die Auffassung von Parsons, gemäß der Individuen notwendigerweise über die Fähigkeit verfügen müssten, gleichzeitig an mehreren Kollektiven der Gesellschaft teilnehmen zu können.

Aus dem zur Verfügung stehenden empirischen Material ergibt sich jedoch auch eine gewisse Heterogenität hinsichtlich der Verteilung des Sozialstatus der Mitglieder der einzelnen Cliquen, aus denen sich die interessierende ”Szene” zusammensetzt 431 : So rekrutierte sich z.B. eine Musikgruppe, die einer örtlichen “Jazz”-Clique angehörte, u.a. aus Lehrern an allgemeinbildenden Schulen und Musikschulen sowie aus professionellen Jazzmusikern. Sogar ein Mitglied, das zumindest zeitweilig einer Art “Bohemien”-Lebensstil anhing, war vorhanden.

Die Heterogenität des untersuchten Personenkreises kann als “begünstigende Rahmenbedingung” für das Nicht-Bestehen einer übergreifenden “Gruppenmoral” - im Sinne H.S. Beckers oder auch Girtlers - betrachtet werden.

Zumindest wegen der großen “Entfernung” der interessierenden “Szene” zur “Welt der professionelle Popularmusik” scheinen sich “unmoralische” Attitüden, die - wie sich zeigen ließ – nicht selten gewissen “Erfolgserwartungen” zugeordnet werden konnten, auch nur schwer im Hinblick auf eine “Zweckrationalität” im Sinne Webers interpretieren zu lassen. Immerhin ergab die vertiefende Analyse, dass solche “Zwecke” - nicht zuletzt wegen ihrer massenmedialen Vermittlung - sich am Ende objektiv als “Illusionen”, “Phantasmagorien”, als im großen und ganzen vermeintlich erwiesen.


Dies führt an dieser Stelle zu dem Schluss, dass die anlässlich dieser Arbeit untersuchten Musiker/Musikgruppen gemäß der in Kap.I) formulierten Hypothese I) keine “Außenseitergruppe” im Sinne H.S. Beckers bilden.

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