1.1 MERKMALE DER PHRASEOLOGISMEN
Wir gehen davon aus, dass sich bei den Phraseologismen um die syntaktische Verbindung von Wort-Komponenten handelt, die sich von freien Wortverbindungen unterscheiden. Wir schließen zuerst die analytischen Flexionsformen aus, die sich ja ebenfalls von freien Wortverbindungen unterscheiden, aber keine Phraseologismen sind. Es handelt sich zum Beispiel um die zusammengesetzten Verbalformen (er hat geschrieben, sie wurde gelobt), die Konstruktionen aus Artikel + Substantiv (des Mannes) und um den adverbialen Superlativ (am besten, möglichst schnell).
Ein Phraseologismus ist eine Wortverbindung, die mindestens ein autosemantisches Wort enthält, also nicht nur aus Dienst- oder Hilfswörtern besteht, dann entfallen Wortverbindungen wie z.B. die korrelativen Konjunktionen (entweder - oder) und Präpositionen wie von – an. Auch die feste Bindung eines Verknüpfungselements an ein Verb – wie z. B. warten auf jmdn. u.ä. – konstituiert kein Phraseolexem (Fleischer 1982, 34).
Nach diesen Vorerklärungen kann im folgenden die weitere Abgrenzung der Phraseologismen von freien Wortverbindungen und Sätzen erörtert werden. Die Hauptmerkmale der Phraseologismen im Vergleich zu freien Wortgruppen sind (vgl. Fleischer 1982, 35):
Polylexikalität
Idiomatizität
Semantisch-syntaktische Stabilität/Festigkeit
Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit
ad a) Polylexikalität / Mehrgliedrigkeit
Kennzeichen eines Phraseologismus ist zunächst, dass es aus mehr als einem Wort besteht. Die lexikalischen Bestandteile werden als Komponenten oder Konstituenten bezeichnet. Es existieren auch Einwortphraseme wie z.B. Sisyphosarbeit, Löwenanteil, Altweibersommer oder Achillesferse, die wir auch auf den Seiten der Printmedien finden.
ad b) Idiomatizität
Idiomatizität ist ein semantisches Merkmal und hängt mit der Bildlichkeit und mit der Bedeutungsübertragung zusammen. Es existieren verschiedene Stufen der Idiomatizität. Hier ist es zu erwähnen, dass wir unter dem Gesichtspunkt der Idiomatizität drei Gruppen von Wendungen unterscheiden können:
vollidiomatische Wendungen – bei diesen Wendungen gibt es die stärkste Diskrepanz zwischen der phraseologischen Bedeutung und der wörtlichen Bedeutung (Burger 1998, 31). Zum Beispiel Öl ins Feuer gieβen, das Kind mit dem Bade ausschütten, ein dicker Hund oder jmdm. den Kopf waschen. Den Satz: Das ist ein dicker Hund! kann man zwar zunächst ganz wörtlich als Aussage über einen Hund auffassen, in vielen Situationen ist aber ein dicker Hund nur als „eine erstaunliche Sache“ oder „eine groβe Frechheit“ zu verstehen (DUDEN: Band 11, 2002, S. 9). In diese Gruppe gehören aber vor allem Ausdrücke mit unikalen Komponenten (Fersengeld geben, Maulaffen feilhalten u. ä.). Gerade diese vollidiomatischen Wendungen bezeichnen manche Linguisten als Idiome.
teilidiomatische Wendungen – z. B. einen Streit vom Zaun brechen. In diesem Fall ist der Phraseologismus hinsichtlich der Komponenten vom Zaun brechen idiomatisch, während einen Streit seine wörtliche Bedeutung beibehält (Burger 1998, 32). Für diese Wendungen schlägt Harald Burger den Termin Teil-Idiome vor.
nichtidiomatische Ausdrücke – in diese Gruppe gehören Ausdrücke, die durch keine (oder nur minimale) semantische Differenzen zwischen phraseologischer und wörtlicher Bedeutung charakterisiert sind (wie sich die Zähne putzen). Diese Wendungen bezeichnen Linguisten als Kollokationen (siehe unten, S. 11).
ad c) Semantisch-syntaktische Stabilität/Festigkeit
Phraseologismen sind der Form nach relativ stabil. Im Allgemeinen können ihre Bestandteile nicht oder nur begrenzt verändert oder ausgetauscht werden. Außerdem ist ihre Bedeutung meist nicht oder nur schwer aus den Bedeutungen der einzelnen Wörter zu erkennen.
Man kann die Wörter auch nicht beliebig wechseln. Zum Beispiel in der Redewendung den Rubikon überscheitern ist es nicht möglich den Namen des Flusses zu verändern und mit dem anderen Namen (die Moldau, der Rhein, die Donau usw.) zu vertauschen. Die Redewendung würde dann ihre Bedeutung: „einen entscheidenden Schritt tun; eine folgenschwere Entscheidung treffen“ verlieren. Mit Idiomatizität und Stabilität hängen auch sogenannte unikale Komponenten zusammen, die keine isolierbare Bedeutung haben, weil sie auβerhalb des Phraseoloismus im deutschen Wortschatz nicht vorkommen (z. B. etw. aus Daffke tun ,aus Trotz‘ oder auf dem Holzweg sein ,sich irren‘). Es existieren aber zahlreiche Variationen und Modifikationen von Phraseologismen, die den Begriff semantisch-syntaktische Stabilität/Festigkeit der Phraseologismen relativieren, aber damit werde ich mich im praktischen Teil meiner Arbeit beschäftigen.
ad d) Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit
Lexikalisierung bedeutet die Speicherung einer Wendung im Lexikon. Die Lexikalisierung der syntaktischen Konstruktion bedeutet, dass sie nicht mehr nach einem syntaktischen Strukturmodell in der Äußerung „produziert“, sondern dass sie als „fertige“ lexikalische Einheit „reproduziert“ wird. Man kann also diese Konstruktionen / Wortgruppen in der Kommunikation weiter verwenden (Fleischer 1982, 67 – 68).
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