Herero und Nama
(in der Bildmitte der Fürst der Herero, Samuel
Maharero) in Deutsch-Südwestafrika 1904–08 reagierte die deutsche Kolonialmacht mit einem
Völkermord.
Motive und Hintergründe
Hinter der offensiven Ausrichtung der deutschen Außenpolitik standen
politische und wirtschaftliche Interessen. Wilhelm II. und seine Berater
sprachen im Zusammenhang mit den Kolonien von einem „Platz an der
Sonne“ für Deutschland. Einflussreiche Organisationen wie der
„Alldeutsche Verband“ forderten aus völkischpatriotischen Gründen eine
führende Rolle Deutschlands in der Welt. Wirtschaft und Industrie waren
an neuen Absatzmärkten und Rohstoffquellen interessiert.
Flottenbau
Um diese Ziele zu erreichen, forcierte Großadmiral Alfred von Tirpitz
(1849 bis 1930), seit 1897 Reichsmarineminister, mit kaiserlicher
Rückendeckung ab 1898 ein ehrgeiziges Flottenbauprogramm, durch das
die kaiserliche Marine hinter Großbritannien zur weltweit zweitstärksten
Seemacht wurde. Die Folgen waren ein wachsendes Misstrauen der
britischen Regierung gegenüber der deutschen Außenpolitik und ein
deutschbritisches Wettrüsten.
SCHLAGZEILE
Wilhelm II.: „Pardon wird nicht gegeben!“
Am 27.7.1900 machten sich in Bremerhaven deutsche Soldaten auf den Weg nach
China, um dort die Boxer zu bekämpfen, einen religiös-politischen Geheimbund,
der gegen Angehörige der europäischen Kolonialmächte vorging. Bei der
Verabschiedung der Einheit hielt Wilhelm II. eine als „Hunnenrede“ bekannt
gewordene Ansprache, die später in der gegnerischen Propaganda als Beleg für
das barbarischen Verhalten der Deutschen diente: „Pardon wird nicht gegeben.
Gefangene werden nicht gemacht. (…) Wer euch in die Hände fällt, sei euch
verfallen. Wie vor 1000 Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen
Namen gemacht haben, so möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre
durch euch in einer Weise bestätigt werden, dass niemals wieder ein Chinese es
wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.“
Die Entente Cordiale
Im Bündnissystem Bismarcks hatte das russische Zarenreich eine
wesentliche Rolle gespielt. 1890 wurde der vom ehemaligen
Reichskanzler geschlossene Rückversicherungsvertrag gekündigt. Das
Ergebnis war eine Annäherung zwischen Russland und Frankreich, das
als Nachbar Deutschlands die Chance, einen neuen Verbündeten zu
finden, entschlossen nutzte. 1904 schloss Frankreich in der „Entente
Cordiale” auch mit Großbritannien ein Bündnis, in dem die Staaten ihre
kolonialen Streitigkeiten beilegten.
Marokkokrisen
Die Konkurrenz zwischen Deutschland auf der einen und Frankreich und
Großbritannien auf der anderen Seite zeigte sich 1905 und 1911 in zwei
Krisen um Marokko. Frankreichs Versuche, seinen Einfluss in dem
nordwestafrikanischen Land zu stärken, beantwortete Wilhelm II. 1905
mit einem demonstrativen Besuch in Tanger. 1911 entsandte die
deutsche Marine das Kanonenboot „Panther” nach Agadir (Panther-
Sprung).
Daily-Telegraph-Affäre
Für Aufsehen sorgte im Oktober 1908 die Veröffentlichung eines
Gesprächs, das Kaiser Wilhelm II. mit einem englischen Oberst geführt
hatte, in der Londoner Zeitung „Daily Telegraph“. Er betonte darin seine
freundschaftliche Haltung gegenüber England und bedauerte, dass er mit
dieser Einstellung nicht die Mehrheit der Deutschen hinter sich habe. Die
Buren in Südafrika seien von England nur deswegen besiegt worden, weil
er seiner Großmutter Queen Victoria einen Feldzugplan habe zukommen
lassen. Das internationale Echo war verheerend. England sah die
Äußerungen als überheblich an, Frankreich und Russland glaubten an ein
taktisches Manöver, um einen Keil zwischen die Verbündeten zu treiben.
In Deutschland kam es zu heftigen Debatten um die Frage, wie weit der
Kaiser mit seinen öffentlichen Äußerungen gehen dürfe.
Erster Weltkrieg 1914–1918
Auslöser des Krieges war die Ermordung des österreichischen
Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Frau am 28. 6.1914 bei einem
Attentat in Sarajevo. Der junge serbische Täter wollte damit gegen die
Besetzung der Provinz Bosnien-Herzegowina durch Österreich- Ungarn
protestieren. Viele Nationalisten forderten den Anschluss an das
Königreich Serbien. Aus Furcht vor einem Zusammenbruch des
Vielvölkerstaates auf dem Balkan wandte sich Kaiser Franz Joseph mit
der Bitte um Hilfe an Wilhelm II. und die deutsche Regierung. Am 6.7.1914
erteilte diese per Telegramm eine Blankovollmacht: Sollte wegen der
Balkankrise ein Krieg ausbrechen, würde Deutschland an der Seite
Österreich-Ungarns stehen. Russland und Frankreich machten deutlich,
dass sie in diesem Fall Serbien unterstützen würden.
Konstellationen und Schuldfrage
In der folgenden „Julikrise“ kam es in den europäischen Hauptstädten zu
hektischen Aktivitäten, Ultimaten und Mobilmachungen. Die
Konstellationen unter den Großmächten entsprachen dabei den vor dem
Krieg geschlossenen Bündnissen: Auf der einen Seite Deutschland und
Österreich-Ungarn (die „Mittelmächte”), auf der anderen Seite Russland,
Frankreich, Großbritannien und Serbien (die Entente). Später traten
Italien, Rumänien, Japan und die USA für die Entente und die Türkei und
Bulgarien für die Mittelmächte in den Krieg ein. Über die Schuld am
Ausbruch des Ersten Weltkriegs gibt es bis heute unterschiedliche
Auffassungen. In der aktuellen Geschichtsforschung neigt man dazu,
keinem Staat speziell die Verantwortung zu geben. Vielmehr seien die
Großmächte als Folge der vorhergehenden imperialistischen
Kolonialpolitik mehr oder minder unbewusst in den Krieg hineingezogen
worden.
Steckbrief
Carl Peters
Carl Peters (1856–1918) war der Pionier der deutschen Kolonialbewegung. Nach der
Gründung der „Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ (1884) reiste er als privater
Vertreter der Gesellschaft nach Ostafrika und schloss mit den Führern der Stämme
sogenannte Schutzverträge. Nachdem 1891 das Deutsche Reich offiziell Kolonialmacht
geworden war, bekleidete Peters in Deutsch-Ostafrika das Amt eines Reichskommissars.
Sein brutales Vorgehen gegen die Einheimischen führte 1897 zur Entlassung aus dem
Staatsdienst.
Das namenlose Entsetzen, das die Schlachten des
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