2.5 Rechnernetze
Anfang der 1990er Jahre wurde im US-amerikanischen Wahlkampf der Be-
griff Information (Super-)Highway popul¨
ar. Die in diesem Begriff enthaltene
Analogie zum Fernstraßennetz in den USA sollte die Potenziale eines globalen
Rechnernetzes vermitteln. Die Frage nach entsprechenden Potenzialen bzw.
Auswirkungen ist schwierig zu beantworten, was an dem folgenden Beispiel
verdeutlicht werden kann:
”
Die Folgen einer Anlage, [. . .] welche Erleichterung, Beschleunigung,
Sicherheit und Wohlfeilheit der Communication und des Verkehrs
bezweckt, und daher auf Handel und Ackerbau, auf Manufacturen
und Fabriken, auf den Werth der Gr¨
unde und Capitalien, und ¨
uber-
haupt auf die wichtigsten materiellen Interessen der Gesellschaft un-
mittelbar Einfluß hat, zum voraus und mit v¨
olliger Zuverl¨
assigkeit
angeben und berechnen zu wollen, ist sicher eine schwierige Aufgabe
[. . .]“ (o. V. (1832), S. 86)
Dieses Zitat aus dem Jahr 1832 steht im Zusammenhang mit dem Bau der ers-
ten deutschen Staatseisenbahn von Braunschweig nach Wolfenb¨
uttel (Er¨
off-
nung 1.12.1838). Hieraus ergaben sich schließlich vielf¨
altige Auswirkungen.
Unter anderem entwickelten sich Eisenbahnwerkst¨
atten und Signalindustrie
in der Region; externe Effekte f¨
orderten die Braunkohle, Zuckerindustrie und
den Tourismus. Dagegen wurden die Oker-Fl¨
oßer im Wesentlichen substi-
tuiert. Die Eisenbahnstrecke trug damit in der Region wesentlich zu einem
wirtschaftlichen Wachstum und einem verst¨
arkten Bev¨
olkerungswachstum im
19. Jahrhundert bei.
Analog hierzu hat auch die Verwirklichung der Vision vom Information
Highway vielf¨
altige Auswirkungen. Heute wird h¨
aufig davon gesprochen, dass
wir am Anfang der Informationsgesellschaft stehen. Der Produktionsfaktor
2.5 Rechnernetze
39
Information wird immer wichtiger; Informationen werden weitgehend un-
abh¨
angig von Raum und Zeit verf¨
ugbar. Man erhofft sich positive Auswirkun-
gen wie neue M¨
arkte, nachhaltiges Wachstum, Impulse f¨
ur den Arbeitsmarkt,
(nationale) Wettbewerbsvorteile, Ausgleich von Standortnachteilen, verbes-
serte Lebensqualit¨
at usw.
Unter dem Information Highway kann man eine globale, digitale, breit-
bandige Kommunikationsinfrastruktur f¨
ur einen offenen Verbund von mul-
timedialen Endger¨
aten und leistungsf¨
ahigen Servern verstehen. In den USA
entwickelte sich Anfang der 1990er Jahre eine politische Initiative mit dem
Ziel, ein nationales Hochgeschwindigkeitsnetz f¨
ur Beh¨
orden, Schulen, Univer-
sit¨
aten und Privatwirtschaft zu schaffen (National Information Infrastructure
(NII); vgl. z. B. Bayer (1994)). Diese gemeinsame Initiative von Regierungs-
und Industrievertretern hatte einen Aktionsplan mit folgenden ¨
ubergeordne-
ten Zielen zur Folge: Deregulierung und Standardisierung sowie F¨
orderung
von (Infrastruktur-)Investitionen, Wettbewerb, Forschung, Sicherheit, Daten-
schutz und Schutz geistigen Eigentums. Entsprechende Initiativen gab es an-
schließend auch in Europa (vgl. Bangemann (1994)) und Deutschland, jedoch
mit weit weniger finanziellen Mitteln. Hiermit zusammenh¨
angend wurde je-
doch die Deregulierung bzw. Privatisierung von Telekommunikationsunter-
nehmen vorangetrieben.
Im Wesentlichen hat sich heute das Internet als der Inbegriff des glo-
balen Information Highway durchgesetzt (ohne dass dies viel mit den oben
angesprochenen politischen Initiativen zu tun haben muss). Es ist absehbar,
dass Internet und die
”
herk¨
ommliche“ Telekommunikation zuk¨
unftig zusam-
menwachsen werden. Man sollte sich jedoch hier der teilweise widerstreben-
den Interessen verschiedener Gruppen (Unterhaltungselektronik, Telefonge-
sellschaften, Hardwareindustrie, Softwareindustrie usw.) bewusst sein.
Das Internet geht auf eine Entwicklung Ende der 1960er Jahre in den USA
zur¨
uck (ARPANET (Advanced Research Projects Agency Network ) des US-
Verteidigungsministeriums). Prim¨
ares Ziel war damals die Schaffung eines
robusten (und damit dezentralen) Netzes, das heterogene Hard- und Soft-
waresysteme miteinander verbinden sollte. Hierzu wurden verschiedene neue
Konzepte und Protokolle entwickelt und verwirklicht. Protokolle sind in die-
sem Zusammenhang Kommunikationsvereinbarungen, die z. B. den Aufbau
von Datenpaketen und den Ablauf einer Kommunikation festlegen. Im Fol-
genden sind im Zusammenhang mit den entsprechenden Anwendungen die im
Internet am weitesten verbreiteten Kommunikationsprotokolle aufgef¨
uhrt:
• Dateitransfer (FTP: File Transfer Protocol)
• Elektronische Post (E-Mail, SMTP: Simple Mail Transfer Protocol, POP:
Post Office Protocol, IMAP: Internet Message Access Protocol)
• Terminalemulation (Telnet)
• Computer-Diskussionsforen (NNTP: Network News Transport Protocol)
• World Wide Web (HTTP: Hypertext Transfer Protocol)
• Video¨ubertragung (MBone: Multicast Backbone)
40
2. Informatik und Informations- und Kommunikationstechnik
Das Wachstum des Internets begann mit der Verbindung von vier Hosts
20
im ARPANET 1969. Anfang der 1970er Jahre wurden dann so wichtige und
heute dominierende Protokolle wie TCP/IP und Ethernet (s. u.) entwickelt.
1974 hatte das Internet 62 Hosts, 1984 1000 Hosts. F¨
ur die breite ¨
Offent-
lichkeit erfolgte der Durchbruch des Internets in den 1990er Jahren im Zu-
sammenhang mit der Entwicklung des World Wide Web (WWW; vgl. Ab-
schnitt 2.6) auf Basis des Internets (1992: 1 Mio. Hosts; 1995: 7 Mio. Hosts).
Das Wachstum des Internets sei durch Abbildung 2.5 verdeutlicht. Ende 2004
gab es in Deutschland (bzw. im Bereich der RIPE
21
) ca. 3,0 Mio. (22,3 Mio.)
ans Internet angeschlossene Rechner.
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
Deutschland
RIPE
Oktober 2004
3.021.130
22.309.862
Jahr
0
2.000.000
4.000.000
6.000.000
8.000.000
10.000.000
12.000.000
Anzahl der Hosts
14.000.000
16.000.000
18.000.000
20.000.000
22.000.000
24.000.000
26.000.000
2004
2003
2002
2001
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