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Man nimmt uns weiter als sonst zurück, in ein Feld-Rekrutendepot, damit
wir dort neu zusammengestellt werden können. Unsere Kompanie braucht über
hundert Mann Ersatz.
Einstweilen bummeln wir umher, wenn wir keinen Dienst machen. Nach
zwei Tagen kommt Himmelstoß zu uns. Seine große
Schnauze hat er verloren,
seit er im Graben war. Er schlägt vor, dass wir uns vertragen wollen. Ich bin
bereit, denn ich habe gesehen,
dass er Haie Westhus, dem der Rücken
weggerissen wurde, mit fortgebracht hat. Da er außerdem wirklich vernünftig
redet, haben wir nichts dabei, dass er uns in die Kantine einlädt. Nur Tjaden ist
misstrauisch und reserviert.
Doch auch er wird gewonnen, denn Himmelstoß erzählt, dass er den in
Urlaub fahrenden Küchenbullen vertreten soll. Als Beweis dafür rückt er sofort
zwei Pfund Zucker für uns und ein halbes Pfund Butter für
Tjaden besonders
heraus. Er sorgt sogar dafür, dass wir für die nächsten drei Tage in die Küche
zum Kartoffel- und Steckrübenschälen kommandiert werden. Das Essen, das er
uns dort vorsetzt, ist tadellose Offizierskost*.
So haben wir im Augenblick wieder die beiden Dinge, die der Soldat zum
Glück braucht: gutes Essen und Ruhe. Das ist wenig, wenn man es bedenkt. Vor
ein paar Jahren noch hätten wir uns furchtbar verachtet. Jetzt sind wir fast
zufrieden. Alles ist Gewohnheit, auch der Schützengraben.
Diese Gewohnheit ist der Grund dafür, dass wir scheinbar so rasch
vergessen. Vorgestern waren wir noch im Feuer, heute machen wir Albernheiten
und fechten uns durch die Gegend, morgen gehen wir wieder in den Graben. In
Wirklichkeit vergessen wir nichts. Solange wir hier im Felde sein müssen,
sinken die Fronttage, wenn sie vorbei sind, wie Steine in uns hinunter, weil sie
zu
schwer sind, um sofort darüber nachdenken zu können. Täten wir es, sie
würden uns hinterher erschlagen; denn soviel habe ich schon gemerkt: Das
Grauen lässt sich ertragen, solange man sich einfach duckt; aber es tötet, wenn
man darüber nachdenkt.
Genau wie wir zu Tieren werden,
wenn wir nach vorn gehen, weil es das
einzige ist, was uns durchbringt, so werden wir zu oberflächlichen Witzbolden*
und Schlafmützen*, wenn wir in Ruhe sind. Wir können gar nicht anders, es ist
förmlich ein Zwang. Wir wollen leben um jeden Preis; da können wir uns nicht
mit Gefühlen belasten, die für den Frieden dekorativ sein mögen, hier aber falsch
sind. Kemmerich ist tot,
Haie Westhus stirbt, mit dem Körper Hans Kramers
werden sie am Jüngsten Tage Last haben,
ihn aus einem Volltreffer
zusammenzuklauben, Martens hat keine Beine mehr, Meyer ist tot, Marx ist tot,
Beyer ist tot, Hämmerling ist tot, hundertzwanzig Mann liegen irgendwo mit
Schüssen, es ist eine verdammte Sache, aber was geht es uns noch an, wir leben.
Könnten wir sie retten, ja dann sollte man mal sehen, es wäre egal, ob wir selbst
draufgingen, so würden wir loslegen; denn wir
haben einen verfluchten Muck,
wenn wir wollen; Furcht kennen wir nicht viel – Todesangst wohl, doch das ist
etwas anderes, das ist körperlich.
Aber unsere Kameraden sind tot, wir können ihnen nicht helfen, sie haben
Ruhe – wer weiß, was uns noch bevorsteht; wir wollen uns hinhauen und
schlafen oder fressen, soviel wir in den Magen kriegen, und saufen und rauchen,
damit die Stunden nicht öde sind. Das Leben ist kurz.
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