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sich einbinden in eine größere Gruppe von baktrischen
Darstellungen aus dem mythologischen Bereich, die,
seien es nun Götter, seien es Mischwesen, deutliche Vor-
läufer im iranischen Bereich besitzen, hier aber nur kurz
angeschnitten werden können.
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Dies betrifft zum einen die bereits oben schon einmal
besprochene thronende Gottheit mit Friedvogel, die auf
transelamischen Siegeln als Gottheit mit Schlangenschul-
ter bekannt ist, in der baktrischen Glyptik in zahlreichen
Abwandlungen als Frau, Mann oder Adlermensch, mit
und ohne Vogel, mit oder ohne Schlangen bzw. Flügel
erscheint (vergl. Amiet 1986: Abb. 132.12, 137; Porada
1962: Abb. 13; mit Sarianidi 1986b: Abb. 1.1-3, 1.5), zum
anderen den Mann oder das Mischwesen als Schlangen-
halter, ein Motiv, das spätestens seit der Urukzeit im Iran
präsent ist und gerade in der Kunst des ‘intercultural
styles’ zu den typischen Motiven gehört, aber auch die
tierköpfigen Mischwesen, die in der baktrischen Glyptik
als Vogelmensch oder Stiermensch in vielen Variationen
erscheinen.
Gerade die tierköpfigen Mischwesen prägen die irani-
sche Kunst spätestens seit der Urukzeit, beginnend mit
dem ziegenköpfigen ‘
dieux ibex
’, über die als Menschen
agierenden Tiere oder Dämonen der proto-elamischen
Kunst bis hin zu der ziegenköpfigen transelamischen
Göttin (Winkelmann 1997a).
Der Stiermensch [Abb.10]
Das stierköpfige Mischwesen z.B. dürfte in seinen Ur-
sprüngen mindestens bis in die protoelamische Kunst
zurückzuführen sein, tritt aber in derselben Form wie
später in Baktrien bereits in der FD-II und III-zeitlichen
Kunst des Südostiran wie des Seistans auf, vertreten
durch Stiermenschdarstellungen auf einem FD-II-zeitli-
chen ‘Intercultural Style’-Gefäß aus Chafadji, auf dem o.g.
FD-III-zeitlichen Rollsiegel aus Susa und durch das frühe
Compartimentsiegel aus Shahr-i Sokhta II,7, datiert um
2700 v.Chr. (Delougaz & Lloyd 1942: Abb. 63; Amiet 1986:
Abb. 71; Winkelmann 1996).
Vogelmensch [Abb.11]
Ebenso alt dürfte das Vogel-Mensch-Mischwesen sein.
War bisher vor allem der Adlermensch mit Adlerkopf,
Flügeln und Armen und mit Raubvogelklauen auf dem FD-
III-zeitlichen Rollsiegel aus Susa zum Vergleich mit einem
nahezu identischen Mischwesen auf einer baktrischen
Axt herangezogen worden,
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so gibt es für die zahlreichen
verschiedenen Varianten des Vogelmenschen in der
baktrischen Glyptik, weiblich, männlich, mit oder ohne
Arme, aber ansonsten immer mit vollständig menschli-
chem Körper und verschiedenen Vogelköpfen noch weit-
aus mehr Vorläuferformen, zum einen in der frühdynas-
tischen bis akkadzeitlichen Glyptik und Kleinkunst des
Kerman, zum anderen auf noch älteren Keramikver-
zierungen aus dem Makrangebiet und schließlich in der
protoelamischen und urukzeitlichen Glyptik und Keramik
der Susiana und der Fars.
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Alle diese potentiellen Vorläuferformen bzw. Grundmoti-
ve erfuhren in der baktrischen Glyptik zahlreiche Varia-
tionen der Form, des Geschlechtes, der Attribute, die
möglicherweise vom Verlust des alten Inhalts künden,
aber auch von einer ungeheuren Kreativität bei der
Schaffung neuer Ausdrucksformen.
Diese wenigen Betrachtungen am Beispiel dieser drei
Siegel zeigen noch einmal deutlich, da
β
nicht nur diese
spezifische Form der Glyptik, das Compartimentsiegel
selbst, auf Ursprünge im Bereich des iranischen Plateaus
zurückgeht, sondern da
β
auch beträchtliche Teile des
Motivkanons selbst, wie auch eine Reihe spezifischer
stilistischer Eigenheiten ihren Ursprung in der iranischen
Kunst besitzen. Das betrifft besonders die mythologi-
schen Darstellungen, seien es die Menschen oder Misch-
wesen oder seien es stilistische Eigenarten wie ihre Hal-
tung, Körpergestaltung oder ihre Attribute, die ihre deut-
lichsten Vergleiche vor allem in der frühdynastischen bis
akkadzeitlichen Kunst des Kerman besitzen, in den ge-
schnittenen Steinobjekten des ‘Intercultural Style’ und in
der transelamischen Glyptik des Kerman.
Anmerkungen
1.
Publikation mit Genehmigung des Besitzers.
2.
Als eines der schönsten Beispiele dafür steht wohl die
‘Silbervase von Persepolis’ um 2200 v.Chr. (vergl.
Amiet 1986: Abb. 110).
3.
Zusammenfassende Publikation zum Thema zuletzt
Baghestani 1997.
4.
Einige baktrische Edelmetallgefäße, z.B. aus dem
Fullolhort, weisen ebenfalls Stufenkreuzmotive der
Namazga-tradition auf (vergl. Amiet 1986: Abb. 193,
200; Tosi & Wardak 1972: Abb. 4a-b).
5.
Die Datierung dieser Siegel ist jedoch umstritten. Sie
reicht vom 15. Jahrhundert v.Chr. bis in die Zeit der
Ordosbronzen, der hunnischen Periode.
6.
Do'stlaringiz bilan baham: