Griechen roman.
Der antike Roman, insbesondere der der Griechen, stellt eine eigene
literarische Gattung dar. Die ersten griechischen romanartigen Texte
entstanden im späten 4. Jahrhundert v. Chr. Mit dem Beginn des
Hellenismus. Aus der Reihe bekannter Werke gibt es nur fünf
vollständig überlieferte Erzählungen, die die heutige Forschung zum
antiken griechischen Roman zählt. Das älteste überlieferte Beispiel der
Gattung ist ein auf zwei Papyrus-Fragmenten erhaltener Roman, der
die Liebe von Ninos und Semiramis zum Inhalt hat und aus dem 2.
Oder 1. Jahrhundert v. Chr. Stammt.
Im beginnenden Hellenismus des späten 4. Jahrhunderts v. Chr.
Entstanden in Griechenland die ersten Schriften, die als Vorläufer des
Romans gelten. Auch im antiken Rom entstanden Schriften, die man
dieser Literaturgattung zuordnet, die im Folgenden keine
Berücksichtigung finden. Allerdings gab es in der Antike den Begriff
„Roman“ noch nicht, eine Kategorie, zu der man diese fiktiven Werke
zählte, fehlte. Der Romanbegriff kam zum ersten Mal im Mittelalter
auf, wurde aber erst im Laufe des 18. Jahrhunderts etabliert, als erste
Diskussionen über den Gattungsbegriff und die Romandefinitionen
geführt wurden. Daher bezeichnet man heute das literarische
romanhafte Erzählen der Antike retrospektiv al
s „antiken Roman“.
Wie der moderne Roman grenzt sich auch der antike Roman als eigene
Klasse der Literatur durch Erzählart, Motive und Stil von anderen
literarischen Produkten, wie historiographischen Werken, Epos,
abenteuerlichen Reiseerzählungen und Liebeslyrik, ab.
Zum Ursprung und den Vorläufern des antiken griechischen Romans
wurden verschiedene Thesen aufgestellt. Ende des 19. Jahrhunderts
entwickelte Erwin Rohde eine erste These, nach der die
Romanerzählungen auf hellenistischen Reiseerzählungen und
Liebesdichtungen basierten. Die heutige Forschung geht davon aus,
dass
diese
These
aus
chronologischen
Gründen
nicht
aufrechtzuerhalten ist. Eine weitere, in der modernen Forschung
weitgehend abgelehnte These stellte im Jahr 1896 Eduard Schwartz
auf. Er sah den Ursprung des Romans in der Geschichtsschreibung, in
historiographischen Werken.
Nach neueren Forschungsansätzen ist der Roman vielmehr der
„eigentliche Erbe des Epos“. Homers Epen Odyssee und Ilias gelten
daher als das konkrete Vorbild des Romans, ebenso wie sie
anerkanntermaßen den Ausgangspunkt des literarischen Schaffens
der Antike überhaupt bildeten. So entnahmen „die Romanautoren
einige ihrer Motive aus Homer“ und spielten häufig „auf Personen
oder Situationen aus dem Epos an“. Selbst Elemente d
er
Erzähltechnik, etwa Vorspann und parallele Handlungsstränge, seien
in den verschiedenen Romanen von Homer übernommen worden.
Die Romane sind fiktive, literarische Werke, keine Erzählungen
historischer
Begebenheiten
und
keine
Lieferanten
ereignisgeschichtlicher Fakten. Dennoch lassen sich aus den Romanen
bestimmte Aussagen über die griechische Antike ableiten, vor allem
zu sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Fragestellungen. Als
Beispiele sind zu nennen: Rolle und Stellung der Sklaven innerhalb der
Gesellschaft, Fragen zu Götterglaube, Religion und Mythologie, aber
auch zu Aspekten der Homosexualität in der Antike.
Aussagen über die tatsächlichen Leser oder Lesergruppen der Romane
sind auf Grund der zeitlichen Distanz schwierig. Die Forschung geht
heute davon aus, dass Romane der Unterhaltung dienten, dass sie
selbst als Lektüre gelesen wurden oder man die Erzählungen dem
Publikum
vorlas.
Die
Rezipienten
gehörten
mit
großer
Wahrscheinlichkeit einer höher gebildeten Gesellschaftsschicht an,
die Zeit und Interesse an diesen Werken hatte. Das spricht für einen
vorgebildeten und interessierten Leser. Außerdem war die
Anschaffung der umfangreichen Bücher auch eine finanzielle Frage.
Der Kreis der Leser lässt sich dahingehend eingrenzen, dass sich die
Romane vor allem an ein weibliches Publikum zu wenden schienen. In
der Forschung gibt es sogar die bisher unbewiesene Hypothese, dass
es sich bei den Verfassern der Romane um Autorinnen handeln
könnte, die unter männlichem Pseudonym ihre Geschichten
verfassten.
Die antiken Romane folgen alle einem bestimmten Grundmuster,
welches jedoch modifiziert werden und somit von anderen Romanen
abweichen kann. Gemeinsames Grundmuster der Liebesromane ist
beispielsweise die Trennung der Liebenden, ihre gegenseitige Suche
und schließlich die Wiedervereinigung der beiden Protagonisten.
Bestimmte Motive ziehen sich durch die Handlung der Romane. So
schwören sich in Liebesromanen beide Protagonisten anfangs Liebe
und Treue. Diese Treue wird dann im weiteren Handlungsverlauf auf
die Probe gestellt und muss Prüfungen standhalten. Jedoch werden
die Liebenden nie in ihrer Liebe voneinander getrennt, sondern
lediglich äußeren Gefahrensituationen ausgesetzt. In Achilleus Tatios’
„Leukippe und Kleitophon“ gibt Kleitophon
die Liebe zu Leukippe nicht
auf, obwohl er sie tot glaubt. Ein Hauptmotiv des antiken Romans ist
das Reisen, also der Wechsel des Schauplatzes. In Longos’ „Daphnis
und Chloe“ liegt dieses Motiv modifiziert vor: Es werden keine
geographischen
Veränderungen
beschrieben,
sondern
eine
Veränderung nach sozialem Status.Während ihrer Reisen geraten die
Protagonisten mehrmals in Gefangenschaft und werden oft auch noch
versklavt. In ihrer Gefangenschaft begegnen Held und Heldin dem
Hindernis anderer Bewerber, welche sich sofort in einen der beiden
verlieben. So trifft Theagenes in Heliodors „Aithiopiká“ beispielsweise
während seines Aufenthalts in Memphis auf Arsake, die Frau des
Statthalters. Als Arsake klar wird, dass ihr Theagenes nicht nachgeben
wird und seiner Geliebten, Charikleia, treu bleibt, lässt sie ihn foltern
und versucht, Charikleia zu beseitigen. Die Rache der abgelehnten
–
und nun erzürnten
–
Bewerber ist ebenfalls ein häufiges Motiv der
Romane. In jedem Roman finden sich die Liebenden am Ende der
Geschichte wieder; oft wird der Wiedervereinigung eine Hochzeit
angeschlossen.
Die Protagonisten in den Romanen verkörpern Werte und Ideale. Es
verbindet sie göttliche Schönheit
–
beide werden oft mit Superlativen
beschrieben
–
, Unschuld und Treue. Eine Ausnahme bildet Charitons
„Chaireas und Kallirrhoe“ insofern, als sie zunächst Dionysios heiratet
und nicht den Romanhelden Chaireas. Allerdings wird sie zu dieser
Entscheidung gezwungen, da sie ein Kind von Chaireas erwartet und
es gut aufziehen will. Auch wenn die Helden als eine Art personifizierte
Vollkommenheit auftreten, sind es doch die Nebencharaktere, die die
Handlung vorantreiben. Sie sind meist komplexer aufgebaut, nicht
schuldlos, aber dadurch menschlicher, realistischer.Wenn sich die
Protagonisten am Anfang der Romane ineinander verlieben, scheinen
sie Folgen einer Krankheit oder Verletzung aufzuweisen. So verliert
beispielsweise Habrokomes in Xenophons von Ephesos Die Waffen
des Eros an Schönheit. In Daphnis und Chloe, wenn das sexuelle
Begehren der beiden erweckt ist, aber nicht gestillt werden kann, folgt
der kalte skythische Winter.
Bei all dem muss man berücksichtigen, dass die Auswahl und
Tradierung der ganz erhaltenen Romane christlich geprägter Auswahl
unterworfen waren und weite Teile der Romanliteratur, etwa die
Babyloniaka des Iamblichos, fehlen, die sich anscheinend durch
deutlich weniger gefällige Züge ausgezeichnet haben.
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