Der Inklusionsarbeiter als signifikanter und generalisierter Anderer:
Die Leistung der Sozialarbeit ist nicht auf Aspekte der Qualifikation beschränkt. Ihr Ziel liegt darüber hinaus in der Aufrechterhaltung und/oder Entwicklung einer, sich an den Anforderungen und Gegebenheiten des Arbeitsmarkts zwar nach wie vor orientierenden, letztlich aber auch transzendierenden sinnvollen Lebensperspektive. Hilfe zur Entwicklung von Strategien zum besseren Ertragen der Arbeitslosigkeit stellt vorerst nur eine wichtige Voraussetzung zu deren Überwindung dar (vgl. BOMMES/SCHERR. 2000: 171), sollte aber immer auch den Fall anhaltender Arbeitslosigkeit mit berücksichtigen. Zu den Klienten ist angesichts deren komplexer Problemlagen einerseits jeweils eine „ganzheitliche“, diffuse Beziehung (ebd.) aufzunehmen. Zugleich fungieren die sozialen Inklusionsarbeiter als „Experten“ bzw. „Trainer“ unter Anwendung spezialisierter sozialer Techniken, die mit Aufnahme entsprechender Beziehungen oft inkompatibel sind.
Ich-Identität als Leistung des Individuums ist, folgt man den diesbezüglichen Prämissen des „Symbolischen Interaktionismus“ immer auch abhängig von der Bestimmung durch die Umwelt, durch signifikante Andere.
Der Inklusionsarbeiter tritt für die Dauer der Maßnahme als maßgeblicher Interaktionspartner, als Orientierung vermittelnde Bezugsperson im Sinne eines „signifikanten“ bzw. „relevanten Anderen“ mit dem Maßnahmenteilnehmer in Beziehung. Dabei schreibt er ihm sowohl soziale als auch personale Identität zu bzw. versucht die Person des Teilnehmers zu kategorisieren. (vgl. GOFFMAN. 1975). Als Identifikationsperson – und gleichwohl als Repräsentant eines für alle Mitglieder gleichermaßen gültigen Arbeitsgesellschaft bzw. moderner Berufswelt und seiner signifikanten Symbole - stellt er sich instrumentell zur Verfügung, damit sein Klient in seinem möglicherweise länger anhaltenden Status als Arbeitsloser „seine eigene subjektiv kohärente und plausible Identität“ (BERGER/LUCKMANN. 2000: 142) gewinnt, dieser also wird, was der „signifikante Andere“ in ihn hineinlegt. „Das ist jedoch kein einseitiger, mechanischer Prozess. Er enthält vielmehr eine Dialektik zwischen Identifizierung durch Andere und Selbstidentifikation zwischen objektiv zugewiesener und subjektiv angeeigneter Identität“ (ebd.).
Der Sozialarbeiter trägt also an den Klienten idealerweise als vertrauter „particular other“ (GOFFMAN. 1975) die gesellschaftlichen Erwartungen heran. Er tritt ihm aber auch im Sinne eines „generalized other“ (ebd.) gegenüber. Dabei geht es in den Maßnahmen, zumindest kraft Auftrag, nicht vorrangig um die Entwicklung eines „moralischen Wissens“ (NUNNER-WINKLER. 1993: 279) im Sinne der „postkonventionellen Phase moralischer Argumentation“ entsprechend KOHLBERGS Modell der moralischen Entwicklung (vgl. COLBY/ KOHLBERG. 1978), als vielmehr um einen Lernprozess in Richtung auf Bindung des jeweiligen individuellen Handelns an arbeitsgesellschaftliche Normen.
Der Prozess der Entwicklung und Festigung der Bereitschaft zur Handlungsorientierung an diesen Normen variiert je nach Sozialisationsbedingungen erheblich (vgl. NUNNER-WINKLER. 1993), wobei sich positive Beziehungen zu „signifikanten Anderen“ als diesbezüglich begünstigend erweisen. Dagegen erweisen sich durch Angst vor Strafe oder Erwartung von Belohnungen gekennzeichnete Konditionierungen als relativ gering wirksam. Der Sozialarbeiter als signifikanter Anderer im Sinne eines zur Empathie bzw. Rollenübernahme (vgl. MEAD. 1934) fähigen „professioneller Freundes“, wird eher akzeptiert als ein hinsichtlich normativer Vorgaben kontrollierender und konditionierender Trainer. In seiner Rolle als signifikanter Anderer verfügt er insofern über (begrenzte) Möglichkeiten zur Sozialisation in Richtung Befreiung und Emanzipation, aber auch in Richtung „Scheinautonomie“ in Form von Individualisierung struktureller Ungerechtigkeiten.
Berufliche Sozialisation und Weiterbildung für längerfristig bzw. schwer vermittelbare Arbeitslose kann „beschädigte Identität jedoch nicht kompensieren und auch nicht versuchen sie dort aufzubauen, wo sie ökonomisch und sozial zerstört wird“ (KLEIN/REUTTER. 2004a: 219). Sie kann aber sehr wohl beitragen, Anhaltspunkte für einen anderen Umgang mit derartigen Identitätsbedrohungen zu finden.
KLEIN/REUTTER (ebd.: 220) weisen auf zwei gängige Herangehensweisen der Thematisierung von Identitätsbedrohung hin. Die „ungefährlichere“ Variante rührt nicht an der Person selbst. Im Sinne verengt verstandener politischer Bildung läuft sie auf eine rein kognitive Auseinandersetzung mit strukturellen Ursachen von Arbeitslosigkeit hinaus. Die reine Wissenserweiterung über die Ursachen des eigenen Elends ändert noch nichts am eigenen Leben und nimmt noch nicht per se oben angesprochene Schuldgefühle.
Dem gegenüber konzentriert sich die zweite Variante ausschließlich auf das Subjekt, wobei wiederum die gesellschaftliche und soziale Dimension der Identität vernachlässigt wird. „Die Entwicklung der entsprechenden Kompetenzen sollte als „kommunikativer Prozess begriffen werden, in dem sich die Expertise des Beraters und die Expertise des Teilnehmers (als Kenner seines eigenen Lebens) begegnen. Der Berater sollte eine Haltung einnehmen, die darauf abzielt den Teilnehmer in seiner Reflexivität, Selbstkenntnis, Motivation und Entscheidungsfähigkeit zu stärken“, sollte aber nicht verschleiern, „dass es zumindest anfänglich ein Machtgefälle zwischen Berater und Teilnehmer gibt.“ (KÄPPLINGER/REUTER. 2004: 4)
In erster Linie aber ist die Kompetenzentwicklung zielgruppenspezifisch anzupassen, vor allem hinsichtlich der Form der Ansprache und Zuschneidung (vgl. ebd.). Dies ist vor allem beim Maßnahmentyp B gerade nicht der Fall. Die Anwendung desselben Verfahrens zur gleichen Zeit innerhalb einer extrem heterogenen Gruppe (junge Drogenabhängige, ältere Pensionsanwärter, akademisch Gebildete, Hilfsarbeiter mit Migrationshintergrund und schlechten Deutschkenntnissen usw.) erschwert bis verunmöglicht auch wohlmeinenden Trainern die auch nur ansatzweise Umsetzung eines entsprechenden Kompetenzkonzeptes.
Eine Lösung bestünde darin, den Klienten durch gewisse Rollendistanz mit welcher der Inklusionsarbeiter trotz formalen Rollenhandelns die Diskrepanz zwischen seinem Selbstkonzept und seiner „zu spielenden Rolle“ - um so wiederum seine personale Identität ins Spiel zu bringen – darstellt, mit der Intention, sich und seine Klienten der erzwungenen Logik der aktuellen Interaktionssituation zu entheben und die Maßnahmenteilnehmer in sein professionell-theoretisches Wissen um die komplexe Dynamik einzubinden (vgl. GOFFMAN. 1975). Eine derartige Problematisierung der Situation im Sinne von Metakommunikation erhöht jedoch die Komplexität der Situation um eine weitere Kommunikationsebene und birgt hohes Potential der Auslösung eines, der eigentlichen Absicht gegenteiligen Effektes, nämlich des massiven Bedürfnisses nach Komplexitätsreduktion. Eine derartige Vorgangsweise könnte einzelne Klienten mitunter überfordern und folglich eher zu deren Verwirrung und tendenzieller Handlungsunfähigkeit beitragen sowie deren Verarbeitungsmöglichkeiten insgesamt verringern. Zum Gelingen bedarf die metakommunikative Analyse vielmehr anschaulicher Hinweise und Vorschläge im Sinne konkreter Regeln, die kontinuierliche Prozessanalyse erlauben, wobei die Maßnahmenrealität als von allen Beteiligten durchaus beeinfluss- und veränderbar verstanden werden sollte.
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