1.3. Das Romantische und die romantische Poesie
„Die Welt muß romantisirt werden. So findet man den urspr[rünglichen] Sinn
wieder. Romantisiren ist nichts, als eine qualit[ative] Potenzirung. Das niedre Selbst
wird mit einem bessern Selbst in dieser Operation identificirt. So wie wir selbst eine
solche qualit[ative] Potenzenreihe sind. Diese Operation ist noch ganz unbekannt.
Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnißvolles
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Schulz 1996, S. 20
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Ansehn, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen
unendlichen Schein gebe so romantisire ich es - Umgekehrt ist die Operation für das
Höhere, Unbekannte, Mystische, Unendliche - dies wird durch diese Verknüpfung
logarythmisirt - Es bekommt einen geläufigen Ausdruck.“ Deutlich wird in dieser
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Aussage vor allem die Universalität der frühromantischen Betrachtungsweise. „Die
romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie“ schrieb Friedrich Schlegel
1798 in einem Athenäumsfragment. Enthielt das romantische Prinzip für jeden
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romantischen Dichter eigene, feine Nuancen, so waren sie sich in diesem Punkte
einig. Das Romantische sollte über Genregrenzen hinaus die durch antike Muster
verlorengegangene Ursprünglichkeit in der Dichtung wieder ermöglichen und dem
romantischen Dichter einen größeren Handlungsspielraum überlassen.
Wenn Hardenberg schrieb: „Der Romantiker studirt das Leben, wie der Mahler,
Musiker und Mechaniker Farbe, Ton und Kraft. Sorgfältiges Studium des Lebens
macht den Romantiker, wie sorgfältiges Studium von Farbe, Gestaltung, Ton, und
Kraft den Mahler, Musiker und Mechaniker“ , dann stellte ihn das vor Ansprüche,
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vor denen er sich selbst oft versagen sah. Seine Selbstkritik zeugt nicht nur von
diesen Ansprüchen, sondern erläutert auch ein weiteres Mal, was zu romantischer
Dichtung gehört: „Meine Erzählungen und romantischen Arbeiten sind noch zu grell
und zu hart gezeichnet - nichts als derbe Striche und Umrisse - nackt und
unausgeführt - Es fehlt ihnen jener sanfte, ründende Hauch - jene Fülle der
Ausarbeitung - Mitteltinten - feine verbindende Züge - Eine gewisse Haltung - Ruhe
und Bewegung in einander - Individuelle Beschlossenheit und Fremdheit -
Geschmeidigkeit und Reichthum des Styls - ein Ohr und eine Hand für reitzende
Perioden Ketten.“
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Voraussetzung für diese Herangehensweise in der dichterischen Umsetzung
war das intensive Studium der Natur, wobei jedoch Nachahmung ausgeschlossen
wurde. Mit der Natur als Vorbild, bestand die romantische Poetik in der
naturmodifizierenden „Kunst, auf eine angenehme Art zu befremden, einen
Gegenstand fremd zu machen und doch bekannt und anziehend“. Der Versuch in die
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Tat umzusetzen, was ihm im Geiste Vorbild geworden war, unterschied ihn von den
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Schulz 1996, S. 23
HKA 1988 II, S. 545
Athenäum, Bd. 1, S. 204
HKA 1988 III, S. 466
HKA 1988 III, S. 647
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anderen Frühromantikern und trug zu der Bewunderung durch Zeitgenossen und die
Nachwelt bei, die auch Schulz zum Ausdruck bringt: „Novalis war der einzige
wahrhafte Dichter der romantischen Schule, nur in ihm ist die ganze Seele der
Romantik Lied geworden und nur in ihm ausschließlich sie.“10
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HKA 1988 III, S. 685
10 Schulz 1996, S. 34
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