Inhaltsverzeichnis s e I t e 1

3. Abschließende Gedanken


Inhaltlich läge es nahe, das Gedicht als eine „poetische Legende“ zu
bezeichnen, da die Lebensgeschichte eines Heiligen in poetischer Form mit dem
Anspruch auf Wahrheit und ewige Gültigkeit vorgetragen wird. Hardenberg schrieb
in An Tieck nicht nur ein Dankgedicht an den Freund für die Entdeckung von
Böhmes Schriften, sondern er beschrieb darin zugleich einen ihrer beider lebhaftesten
Träume: den von dem Erlangen des inneren Friedens durch die Verbindung mit dem
ursprünglichen Gott. So konkret das Gedicht auf diese beiden Themenbereiche
bezogen ist, so konnte sich Hardenberg doch wie in all seinen anderen Werken nicht
von dem persönlichen Erleben lösen. Diese Echtheit der Empfindungen ist es aber in
erster Linie, die den Reichtum seiner Dichtungen ausmacht.


In An Tieck wird auch deutlich, wie aus dem jugendlichen Dichter Hardenberg,
in dem Friedrich Schlegel 1792 „die äußerste Unreife der Sprache und Versification,


beständige unruhige Abschweifungen von dem eigentlichen Gegenstand, zu großes
Maaß der Länge, und üppiger Ueberfluß an halbvollendeten Bildern“41 erkannte, der


spätere Hardenberg geworden ist, den Schlegel in demselben Brief an den Bruder,


„den großen lyrischen Dichter“, den „eine originelle und schöne Empfindungsweise,


und Empfänglichkeit für alle Töne der Empfindung“42 auszeichnet, werden sah. An


Tieck aus seinen letzten Werken zur näheren Betrachtung herauszugreifen rechtfertigt
sich durch die gelungene Vereinigung der verschiedenen Einflüsse, die in den letzten
Lebensmonaten Hardenbergs eine Rolle gespielt hatten: die Jenaer Frühromantik,
Jakob Böhme, die Freundschaft mit Tieck, die Synthese der eigenen Lebens-
philosophie aus den verschiedenen philosophischen Studien. Hardenberg bewies
seine dichterische Virtuosität, indem er diese verschiedenartigen Einflüsse zu einem
in sich stimmigen Gleichnis zu verbinden wußte, das mit den Jahrhunderten nicht an
Aussagekraft verloren hat.


41 HKA 1988 IV, S. 572
42 ebd.





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