Liberte-roman.
Libertine (englisch) ist ein literarischer Hoax (Falschmeldung),
der im April 1955 von dem US-amerikanischen Autor und
Radiomoderator Jean Parker Shepherd gestartet wurde und
zur realen Veröffentlichung eines ursprünglich fiktiven Buches
führte.
Eine Besonderheit der Bestsellerlisten in den USA der 1950er
Jahre war, dass nicht nur reale Verkaufszahlen, sondern auch
eine festgestellte Nachfrage die Platzierung eines Buches
bestimmte. Im April 1955 wurde Shepherd, als er in einem
Buchladen an der Fifth Avenue in New York nach einem
bestimmten Buch fragte, belehrt, es könne überhaupt nicht
existieren, da es auf den Verlagslisten nicht zu finden sei.
Daraufhin beschloss er, die Lächerlichkeit dieser Sichtweise
öffentlich bloßzustellen. Unter Mitwirkung der Stammhörer
seiner populären nächtlichen Radiosendung „The Night
People“ erdachte er ein fiktives
Buch mit dem Titel „I,
Libertine“. Bei diesem sollte es sich um einen Roman handeln,
der amouröse Abenteuer und höfische Intrigen im London des
18. Jahrhunderts schildert. Angeblicher Autor sei ein
„Frederick R. Ewing“, Absolvent der University of Oxford,
Offizier der Royal Navy im Ruhestand und „bekannt für seine
Hörfunkreihe über die Erotik des 18. Jahrhunderts in der BBC.“
Shepherd forderte seine Hörer auf, in den kommenden Tagen
in möglichst vielen Buchhandlungen nach diesem Buch zu
fragen und es als Bestellung vorzumerken. Diese Aufforderung
stieß überregional auf große Resonanz, alleine in dem
Buchladen an der Fifth Avenue gingen 27 Bestellungen ein.
Schon bald tauchte das fiktive Buch tatsächlich auf Verlags-
und Anfang 1956 auch auf der Bestsellerliste der New York
Times auf.
Der von Shepherd in Umlauf gesetzte Hoax griff weiter um
sich, selbst in Europa kam es zu Bestellungen, und Berichte
über Personen, die den Roman angeblich gelesen haben
wollten, erschienen. Schon bald entstanden weitere Legenden
um den Roman: Ein Student, der ihn in einer
literaturwissenschaftlichen Arbeit behandelte, soll von seinem
Professor wegen seiner „gründlichen Recherche“ belobigt
worden sein. Eine Kirche in Boston setzte das Buch auf den
Index.
Anfang 1956 hatte der Verleger Ian Ballantine versucht, den
angeblichen „Frederick R. Ewing“ ausfindig zu machen, um die
Verlagsrechte an dem Roman zu erwerben. Dadurch und
durch Recherchen des Wall Street Journal wurde der Hoax
schließlich enttarnt. Wegen der hohen Nachfrage beschlossen
Ballantine, Shepherd und der Science-Fiction-Autor Theodore
Sturgeon, das Buch tatsächlich zu schreiben und zu
veröffentlichen. Shepherd, Sturgeon und Ballantines Ehefrau
Betty verfassten es gemeinsam unter dem Pseudonym
„Frederick R. Ewing“. Es um
fasste 192 Seiten und wurde von
Ballantine Books in einer Auflage von 130.000 Exemplaren
vermarktet. Das Titelbild wurde von Frank Kelly Freas gestaltet
und enthält einige verdeckte Anspielungen auf die wirklichen
Autoren. So ist im Bildhintergrund eine Gaststätte namens
„Fish And Staff“ zu sehen, deren Schild einen Hirtenstab und
einen Fisch enthält . Auf einer Kutschentür am Bildrand steht
das Wort „Excelsior“, ein häufiger Ausruf Shepherds, mit dem
er oft auch seine Sendungen beschloss. Die Buchrückseite
enthält die erfundene Biografie des Autors. Das Foto des
angeblichen Ewing ist in Wirklichkeit eine stark verfremdete
Aufnahme von Shepherd.
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