SCHLUSSFOLGERUNG
Die Literaturgeschichtsschreibung hat bereits viele Entwicklungen durchlebt. Als geschichtsphilosophisches Konzept im 19. Jahrhundert begonnen, bei Gervinus als nationalpädagogische Idee weitergeführt und schließlich ihr einsetzender Bedeutungsverlust ab dem 20. Jahrhundert, besteht sie dennoch weiterhin im Bewusstsein und im Alltag der meisten Menschen. Aufgabe dieser Arbeit war es zu untersuchen, ob es nach wie vor lohnend erscheint, Literarturgeschichten zu schreiben und zu verlegen, oder ob diese mittlerweile Relikte aus vergangenen Zeiten sind, die lediglich aus Prestigegründen weitergeführt werden. Vorgestellt wurden zunächst die Entwicklungen seit den 1960er Jahren, die zeigen sollten, wie sehr sich der Umgang mit der Literaturgeschichtsschreibung gerade im akademischen Raum verändert hat. Konnte Hans-Robert Jauß mit seinem Text „Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft“ 1970 noch eine Diskussion innerhalb des Fachs auslösen, ist ein solcher Meinungsstreit heute undenkbar. Zudem kritisierte er, seiner Zeit voraus, bereits damals das vermehrte Erscheinen literaturgeschichtlicher Publikationen in Form von Handbüchern, anstelle von Gesamtdarstellungen. Diese Entwicklung dauerte fort und dominiert heutigentags nicht nur die Verlagsprogramme, diese Erscheinungsform wird auch von Studenten als Lernmedium favorisiert. Seit Ende der 80er Jahre befindet sich die Literaturgeschichtsschreibung nun in einer „experimentellen Randposition“, ihr Stellenwert innerhalb der Literaturwissenschaft ist gering, jedoch konstant.476 Dies liegt vor allem in ihrem hohen Wert für die Allgemeinbildung begründet.Ein weiteres Problem mit dem die Literaturgeschichtsschreibung zu kämpfen hat, ist die andauernd zunehmende Datenfülle. Dieses Problem nimmt von Jahr zu Jahr aufs Neue zu, die Literaturgeschichtsschreibung begegnet ihm vornehmlich durch die Veröffentlichung von Spezialisierungen. Mit Spezialisierungen sind hier Werke gemeint, die sich auf eine bestimmte Epoche, Gattung oder einen bestimmten Autoren konzentrieren. Dies konnte man auch anhand der vorgestellten Neuerscheinungen in den diversen Verlagsprogrammenerkennen. Zudem werden die meisten Literaturgeschichten heute hauptsächlich in Autorenteams geschrieben, wie man auch anhand der hier.Literaturgeschichten sehen konnte. Dies bestätigt die Entwicklung zur Spezialisierung auch innerhalb der Universitäten. Literaturgeschichten dienen hier nicht ausschließlich den Studenten als Orientierungshilfe, sondern auch den Literaturwissenschaftlern als Hilfe sich außerhalb ihres Fachgebiets einzulesen. Die Funktion der Literaturgeschichtsschreibung, dies konnte man an den zuvor untersuchten Unterpunkten erkennen, ist es heute vornehmlich Wissen zu bewahren, das in Form von Allgemeinbildung an den Schulen und Universitäten gelehrt beziehungsweise vorausgesetzt wird. Zudem kann sie eine Lektüreanregung darstellen, für den interessierten Leser. Hauptsächlich soll sie einen einführenden Überblick vermitteln, wie man in erster Linie an der Auflage von Handbüchern und Einführungen erkennen kann.479 Eine weitere Funktion der Literaturgeschichtsschreibung mag es auch sein, das wissenschaftliche Leben eines Universitätsprofessors mit einem solchen Werk abzuschließen. Hier kann man beispielsweise Heinz Schlaffer nennen, der 2002, seine viel diskutierte, Literaturgeschichte verfasste und 2004 emeritiert wurde.480Die verschiedenen Einflüsse, die mittlerweile auf die Literaturgeschichtsschreibung wirken, sind ein Versuch diese aus ihrer Randposition zu lösen, sie wieder attraktiv werden zu lassen. Diese Bemühung konnte man vor allen Dingen an David Wellberys “A New History of German Literature“ sowie an Marcus und Sollors “A New Literary History of America“ erkennen. Beide Literaturgeschichten haben es sich, außerhalb ihrer Titelgebung zur Aufgabe gemacht, Literaturgeschichte zum einen auf narrative Weise attraktiver erscheinen zu lassen, zum anderen sich inhaltlich von rein literaturgeschichtlichen Themen abzuwenden und diese in Bezug zu kulturellen und medialen Aspekten zu setzen. Diese Bezugspunkte lassen eine Literaturgeschichte für den ein oder anderen Leser attraktivererscheinen, der sich zwar für Literatur interessiert, der deren Verzweigungen und Beziehungen in andere Bereiche aber ebenso interessant findet. In jedem Fall kann man abschließend sagen, dass die Literaturgeschichtsschreibung auch im 21. Jahrhundert noch lohnend erscheint, sieht man sich die Publikationen der letzten Jahre an. In der Mehrheit sind dies zwar keine Gesamtdarstellungen, sondern Handbücher die einen Überblick liefern sollen, doch wird auch durch diese Form der Darstellung Literaturgeschichte vermittelt. Literaturgeschichte mag ihren wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Stellenwert verloren haben, dennoch bleibt sie ein Teil des Kulturguts. Verlage können in Zukunft beispielsweise ihr Angebot an ebooks erhöhen, um somit eine noch größere Zielgruppe zu erreichen, jedoch wird das am Status der Literaturgeschichte innerhalb des Wissenschaftsbetriebs nicht viel ändern. Wichtig bleibt zu sagen, dass die Hauptaufgabe der Literaturgeschichtsschreibung nicht zu ersetzen ist: Indem die Literaturgeschichte Ordnungsstrukturen für den Umgang mit der Vergangenheit vorschlägt, gelingt es ihr zumindest, das Bewusstsein von der Differenz zwischen einem jeweiligen Heute und allem Früheren zu bestärken und Fehldeutungen auszuschließen. Literaturgeschichte ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil der Literaturwissenschaft sowie des Allgemeinwissens, ihre Form der Darstellung und Vermittlung hat sich an die Gegenwart anzupassen, um weiterhin ihre Präsenz nicht zu verlieren. Diese Bemühung um eine neue Darstellung und eine neue Art der Vermittlung wurde an den vorgestellten Werken exemplifiziert
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