Tagebuch Frühjahrsbeginn 435 Tag 1 Auf der Passhöhe


Tagebuch Frühjahr 435 Tag 10



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Tagebuch Frühjahr 435 Tag 10
In die Faust

Durch die erwartete Ankunft von zwei Himmelsburgen und die über tausend Mann starken Truppen der Imperialen Legion bei den Pyramiden von Caero wurden die Solonavi gezwungen, den Ort den Atlantern zu überlassen. Ich denke, sie werden sehr viel weniger Erfolg beim Untersuchen der Tempel haben als wir. Obwohl ich erleichtert bin nicht mehr in die Kammer zurück zu müssen, frage ich mich doch, was sich wirklich in den Sarkophagen verbirgt und ob man diese uralten Körper vielleicht mit genügend Kontrolle über die schwarze Kunst der Nekromantie zurückholen und kontrollieren könnte. Während mein Volk dabei ist, das Tal der Nebel nach wieder erweckbaren Amazonen Königinnen zu durchsuchen, wäre eine Armee von kosischen Priestern viel mächtiger.


Ich habe von Vextha eine neue Aufgabe bekommen, dieses Mal in sehr viel ungefährlicherem Gebiet. Ich soll die Faust nach einem mächtigen Krieger durchsuchen, der gerüchteweise als Nachfolger von Khan Harrowblade gehandelt wird. Sein Name ist Scorch und er ist ein Halb-Troll Zauberer, der mit orkischer Kraft und dem Fluch der roten Haut eines Troll Magiers geboren wurde.


Mein erster Tag der Suche über den Gras bewachsenen Ebenen ist nicht sehr erfolgreich, und die Entdeckung von einigen wenigen Spähern und Bogenschützen ist meinem Ziel nicht sehr zuträglich. Obwohl das ständige Schlagen der Clurch Trommeln überall zu hören ist, egal, wo ich mich hinwende, sind doch viele der traditionellen Stammeslager verlassen da, weil sich viele der Stämme entweder bei Überfällen auf die Südlande befinden oder sich schon vor längerem den abtrünnigen Schatten Khans angeschlossen haben. Da die Orks noch eine ganze Jahreszeit von ihrem ersten Treffen in diesem Jahr entfernt sind, muss ich einen Stamm finden und ihn beobachten, in der Hoffnung, dass ich Glück habe und etwas über den Halb-Troll erfahre, den ich suche.


Tagebuch Frühjahr 435 Tag 11
Blutige Schlacht

In der Kultur der Orks gibt es drei verschiedene Gründe für einen Kampf: Ehre, Ressourcen und Vergeltung. Bei der Schlacht, die ich beobachte, wo ein größerer Stamm der gebrochenen Hauer eine Gruppe Höhlenork Krieger in einem Tal in die Enge getrieben hat, kann ich nur vermuten, dass es sich um Vergeltung handelt. Während die Harka Stämme es waren, die vor langem die Gründer der Höhlenork Kultur aus der Faust vertrieben haben, sorgte die Stärke der Schwarzgras Stämme dafür, dass die verhassten "Höhler" als Lehrer, Händler und Söldner ein Weg zurück in die politische Struktur fanden. Nun da die meisten der Schwarzgraser in Khamsin um Nahrung und Schätze kämpfen, können die Harka endlich gegen ihren Erbfeind vorgehen.


Die erste Welle an berittenen Ankhar Truppen kommen den Hügel hinunter, während die Ork Bogenschützen dutzende Pfeile auf die Höhlenorks im Tal abfeuern. Obwohl es Verluste durch diesen tödlichen Regen gibt, schützt die dicke Haut der Höhlenechsen sie vor den schlimmsten Auswirkungen des Beschusses. Einige Höhlenorks haben Schutz unter ihren Reittieren gesucht und feuern Pfeil um Pfeil auf die gepanzerten Schildkrötentiere ab, die sich langsam hinab entlang ihrer linken Flanke bewegten. Im Hintergrund kündigten die Clurch Trommeln den Angriff der Fußtruppen mit einem wilden Rhythmus an, die der Kommandeur der Harkas von rechts in die Schlacht schickt, um den berittenen Angriff zu unterstützen.


Während die Höhlenorks genug Reittiere haben um etwas mehr als die Hälfte ihrer Truppen zu transportieren, scheinen sie diese Möglichkeit nur zögerlich in Betracht zu ziehen oder vielleicht ist es auch aus Ehrgefühl, dass sie sich weigern, ihre Fußtruppen der Gefangennahme oder gar dem Abschlachten durch die Harka Truppen zu überlassen. Stattdessen wenden die Reiter und greifen die Ankhar Truppen an, während die Fußtruppen langsam aber beständig in dieselbe Richtung marschieren und Pfeile auf die angreifende Linie grünhäutiger Stammeskrieger abfeuern. Die Höhlenorks scheinen dem Untergang geweiht zu sein, doch sind sie auch bestrebt, so viele Harka mit sich zu nehmen wie möglich.


Tagebuch Frühjahr 435 Tag 12
Rote Haut, Blutmagie

Kurz bevor die Höhlenorks auf ihren Jebtas auf die Ankhar trafen, erschallte ein gewaltiger Donner von oben herab. Verwirrt hielten viele der Harka Reiter inne und schauten in den freien Himmel – nur um einen Sturm aus Mana und Blitzen auf sie herabregnen zu sehen. Ganze Ankhar wurden von dem magischen Angriff in ihren Panzern geröstet und Reiter wurden in Stücke gerissen, abgerissene Hände umklammerten immer noch geschwärzte oder geschmolzene Schwerter.


Schreiend lösten sich die Linien der Harka auf, gerade als ein zweiter Energiestoß auf die Fußtruppen hinabregnete und deren Formation aufsprengte. Obwohl die Höhlenorks von der magischen Hilfe ebenso überrascht zu sein schienen, nutzten sie den Angriff sehr wohl zu ihrem Vorteil. Dann kam, von der gegenüberliegenden Hügelseite, ein Ball brennenden Lichts, der sich zunächst hoch in den Himmel hob und dann über die Position der Höhlenorks hinweg auf den Harka Kriegsherren herab schoss. Dieser wurde mehr als 15 Fuß weit zurück geschleudert, versuchte wieder aufzustehen, nur um vom zweiten Angriff des Zauberers zu Staub verwandelt zu werden.


Ich kann den Magier noch nicht sehen, doch als ich meine Fernsicht näher zum Ursprung des Angriffes bringe kann ich deutlich das Gesicht eines Halb-Trolls mit roter Haut erkennen der bereits einen weiteren Zauber spricht. Unten im Tal brechen die Harka ihren Angriff ab und fliehen in alle Richtungen. Der Zauberer lässt ohne Gnade so viele Orks wie er kann in Stücke reißen, damit ihre Überreste den Geiern als Nahrung dienen.


Offensichtlich habe ich Scorch gefunden und werde meine Meister auf seine Position in der Faust aufmerksam machen.


Tagebuch Frühjahr 435 Tag 13
Die Falle aufbauen

Die Überlebenden der Höhlenorks haben sich um einige Lagerfeuer versammelt und beobachten, wie ihr Anführer mit dem Halb-Troll Zauberer verhandelt. Über ihnen leuchten die Sterne mit einer kalten Wut in die Nacht und die Flammen der Lagerfeuer spiegeln sich auf Scorchs blutroter Haut mir einem dämonischen Leuchten wieder. Mit den angefeilten halben Hauern, die sein Gesicht einrahmen und der Rüstung aus Lederriemen, die ihm das Aussehen eines übergroßen Grubenkämpfers aus Nekropolis gibt, gibt Scorch ein Bild ab, das Gewalt ausstrahlt und Furcht einflößt.


Die Verhandlungen drehen sich darum, dass Scorch den Höhlenorks helfen will, ihre Position als Stamm der Faust zurück zu erlangen und wieder ein Mitglied der gebrochenen Hauer zu werden. Im Gegenzug für seine Hilfe bei der Überzeugung von Khan Harrowblade und dem zunichte machen des politischen Einflusses der Harkas verlangt Scorch eine Legion der Höhlenork Reiter für seine persönliche Armee. Auf die Frage, ob Scorch plant, Herrscher über die Faust zu werden, antwortet er, dass er dafür noch nicht bereit sei und dass er die Reiter aus einem anderen Grund benötigte.


Obwohl es einige Zeit dauerte bis er diesen Grund eröffnete, besonders da er zwischendurch immer wieder große Bissen von dem Braten nahm und Unmengen an saurem Bier hinunter kippte, erklärte er doch letztendlich, dass er einen anderen Magier suchte, den er gefangen nehmen, foltern und vernichten muss – und dass es eine ganze Armee an Orks brauchte, um eine Falle für diesen Zauberer zu stellen. Weiter befragt erklärte er, dass es sich um den Troll Zauberer Maren'kar handelte und dass er sein Leben der Vernichtung des Elementaristen gewidmet hat und alles daran setzen wird, dessen magische Werkzeuge an sich zu nehmen.


Tagebuch Frühjahr 435 Tag 14
Versprechen der Macht

Als die Höhlenorks Scorch aus der Faust eskortierten, um die lange Reise durch die Steppe in die Heimat der Höhlenorks zu beginnen, sah ich einen einsamen Ork Reiter schnell aus dem Osten auf einem grau gepunktetem Pferd heran reiten. Als die Späher der Höhlenorks den heraneilenden Krieger bemerkten, feuerten sie einige Warnschüsse ab, was ihn dazu veranlasste, sein Pferd abdrehen zu lassen, um aus der Reichweite der Pfeile zu entkommen. Nur wenig Augenblicke später hatte der Ork eine kleine Clurch Trommel aus seinen Satteltaschen gezogen und begann schnell eine Nachricht zu trommeln.


Kurze Zeit später kam Scorch aus den Linien der Höhlenorks geritten, sein Gesicht von Hass verzerrt, und hielt direkt auf den Ork zu. Der einsame Krieger hielt seine Position, doch konnte man ihm deutlich ansehen, dass alleine die Anwesenheit des Halb-Troll Zauberers ihn nervös werden lies.


"Mache dein Angebot, " knurrte Scorch als er in Rufweite kam. "Du hast mich vor meinen Kriegern gerufen; es sollte besser keine Zeitverschwendung sein."


"Mein Name ist-"

"Mir ist es egal, wer du bist oder woher du kommst. Du bist mir völlig egal. Mache dein Angebot schnell oder stirb."


Der Ork schluckte hart. "Meine Meister in Rokos wollen dir ein Angebot machen – im Gegenzug für deine Dienste werden sie dir helfen, den Zauberer Maren'kar zu fangen."


Der Halb-Troll Zauberer grinste wild und gefährlich. Der Ork lächelte nervös und versuchte herauszufinden, was im Kopf des Zauberers vorging.


"Von dem, was mir die Geistväter erzählt haben, " sagte er mit einem wissenden Blick, "wurde Maren'kar in Rokos in Magie unterwiesen, von den Orakeln selbst."


Ich sah wie Scorch seine Hand in den Himmel hob und ein Blitz aus einer nahen Kraftlinie in seine Hand zog, dann richtete er diese Hand auf den panischen Ork.


"Maren'kar hat seine eigenen Pläne, " erklärte der Ork schnell, in der Hoffnung sein Leben zu retten. "und mächtige Magie, und er baut eine Armee -"


"Ich habe meine eigenen Pläne, meine eigene Magie und meine eigene Armee," unterbrach ihn Scorch mit einem Knurren. "Wofür benötige ich die Erlaubnis der Seelenlosen, um etwas zu tun, was ich selbst tun kann?"


"Wir haben dieselben Interessen-"


"Die haben wir wohl, " sagte Scorch. "Wir kommen nicht ins Geschäft. Ich will ihn selbst und ich werde nicht zu einer Marionette von Rokos."


"Aber wir bieten dir-"


"Schweig, Schwächling," sagte Scorch mit Verachtung, "Diese Unterhaltung ist vorüber." Er richtete seine Hand auf das Herz des Orks und schoss den Reiter mit einem Blitz aus dem Sattel. Als der Körper auf dem Boden aufschlug, feuerte Scorch noch einen zweiten Blitz und einen dritten, bis die Leiche als rauchendes Etwas im Gras lag, jenseits der Möglichkeit der Reanimation. Er stieg ab, ging zur Leiche und drehte sie um, so dass er ihr Gesicht genauer begutachten konnte.


"Vom Harka Stamm," sagte er mit Verachtung. "Das passt."


Tagebuch Frühjahr 435 Tag 15
Ein Drakonier in Caero

Als mich die Nachricht erreichte, dass ein Drakonier Hierophant gesichtet wurde, der nach Caero flog, habe ich meine Fernsicht schnell auf diese Stadt gerichtet, um den Drachenmeister zu finden, meine Fernsicht mit ihm zu verbinden und zu sehen, wo sein Weg mich hinführen wird. Obwohl die Hinweise der Agenten der Solonavi sehr genau waren, hat es doch über eine Stunde gedauert bis ich ihn inmitten der marmornen Säulen, den ruhigen Brunnen, den Fontainen und den Magestone Skulpturen im Verwaltungszentrum von Caero gefunden hatte.


Der Drakonum und ein atlantischer Magus spielten ein Spiel Fliesen und Steine und ein kleiner Sack bearbeiteter Magestone Kristalle lag neben ihnen als Siegprämie. Wie ich bereits erwähnte, wird vom Verlierer erwartet, dass er etwas abgibt und diesmal waren die Einsätze nicht offensichtlich. Dennoch konnte man sehr gut sehen, dass sie um etwas spielten, da der Magus hin und wieder eine Tasse in seine Hand levitierte, um mit seiner Technomagie seinen Gegner zu verunsichern, und der Drakonum rauchte ein bitteres Kraut in seiner Pfeife und streckte dann und wann seine Flügel, um den sehr aromatischen Duft in Richtung des Magus zu treiben.


Viele Spiele dauern nicht länger als zwei Stunden, doch nach dem großen Stundenglas zu urteilen das neben dem Spielbrett stand, waren diese beiden bereits seit mehr als vier Stunden am Spielen und das Spiel war noch lange nicht beendet. Während der Atlanter mit seiner sehr fokussierten Attacke fort fuhr und versuchte den gegnerischen Kriegsherren zu fangen oder zu töten, setzte der Drakonum Fernkampf Taktiken ein und versuchte aus der Ferne zu gewinnen. Während der ganzen Zeit sprach keiner von beiden und beide nahmen sich nur Zeit etwas zu essen oder ihre Weingläser von Bediensteten auffüllen zu lassen.


Tagebuch Frühjahr 435 Tag 16
Preise und Geheimnisse

Das Fliesen und Steine Spiel endete letzte Nacht um Mitternacht, nachdem es fast den ganzen Tag andauerte. Der Drakonier konnte den Kriegsherren des Atlanter gefangen nehmen, nachdem er ihn lange gejagt hatte und somit den Sieg erringen. Obwohl der Atlanter über das verlorene Spiel enttäuscht war, umso mehr da der Drakonier den Sack mit dem roten Magestone wieder in einer tiefen Tasche verschwinden ließ, begann er alles, was er über die Berge von Scythria wusste, zu erzählen, wie sie vor dem Spiel ausgemacht hatten.


Da Technomagier fähig sind mittels Magie ihr Leben signifikant zu verlängern, erzählte der Atlanter von Dingen, die er vor fast 150 Jahren selbst gesehen hat, als er noch ein Demi-Magus war, der ein Angriffsteam ins Herz der zwergischen Heimat führte. Zunächst sprach er von Tezlas erfolgreicher Transkarnation in den metallenen Avatar Golem und der Erkenntnis des Imperators Bazlus, dass die magieresistenten Zwerge gut für den Abbau von Magestone geeignet wären, letztendlich kam er auch auf das Thema zu sprechen, das den Drakonier interessierte: sein eigene Rolle als Anführer der ersten Angriffe auf die Zwergenstädte, die sogenannten "Holts" in Scythria.


Der Drakonier stellte einige präzise Fragen über die Ausdehnung und Größe der unterirdischen Städte der Zwerge, die Verteidigungseinrichtungen und wie sich die Zwerge gegen die Bronze Golems und gut ausgerüsteten atlantischen Truppen zur Wehr gesetzt hatten. Obwohl der ehrwürdige Magus nur begrenzt viel erzählen konnte, war er doch in der Lage, die ungefähre Position von drei dieser "Holts" preiszugeben. Als der Drakonier eindringlicher nach einem vierten Holt fragte, das in der Sprache der Zwerge Hlothlot Holt genannt wurde, erinnerte der Magus sich daran, in der Nähe eines Gipfels gewesen zu sein, der wie ein Adlerkopf geformt war. Er selbst war nie an diesem Ort gewesen, doch wusste er, dass die zwergischen Verteidiger dieser unterirdischen Stadt fast ein ganzes Jahr aushielten und zum Schluss mit Teer und flüssigem Feuer ausgebrannt werden mussten.


Nach dem Gespräch, es war fast schon Morgen, verabschiedete sich der Hierophant höflich von dem Atlanter. Obwohl diese beiden keine alten Freunde zu sein schienen, so gab es doch eine Art Respekt zwischen ihnen, die vermuten lässt, dass sie sich schon einmal auf einem Schlachtfeld gegenüber gestanden haben.


Tagebuch Frühjahr 435 Tag 17
Zwergenstädte

Nachdem viele Zwerge aus der Sklaverei der Atlanter befreit wurden, reisten viele von ihnen in ein Tal etwas südlich der Heimat der Amazonen. Dort begannen sie mir Werkzeugen aus Stein und Metall ihre Heimat in den Stein zu treiben. Im Vergleich zu den alten Holts waren dies kleine, voll gestopfte Höhlen und nicht sehr komfortabel. Aber es war eine Heimat, sowohl nach dem Namen als auch nach der Natur und somit hatten die Zwerge einen Schutz vor dem offenen Himmel und einen Ort, den sie ihr eigenen nennen konnten.


Die Landung des Hierophant im engen Tal, das zu einem dieser neuen Holts führte, war scheinbar ein besonderes Ereignis, da hunderte Zwerge aus den Höhlen, Spalten und Häusern kamen, um das Geschehen zu beobachten. Dann kam eine Scalesworn Honor Guard auf ihrem Sky Dragon aus dem Himmel geschwebt, gleich einem Xandressanischen Handelsschiff, das auf den Wellen tanzt.


Sie landete neben dem Hierophant und beide wechselten Worte in einer Sprache, die ich nicht kenne, wahrscheinlich einer Schlachtfeld Variante der komplexen Drakonier Sprache. Bei der Ankunft der Schuppengeschworenen kam eine Gruppe an Zwergen, die eine Trage zwischen sich transportierten. Auf der Trage lag, eingewickelt in eine dicke Decke, der älteste Zwerg, den ich je gesehen habe, mit einem Bart, der ihm bis zu den Knien reichte. Da Zwerge normalerweise nur fünfzig Jahre alt werden, muss dieser wohl nahe an diesem Alter sein.


Ohne ein Wort oder eine Frage nickte der Drakonier dem Zwerg zu, so als ob dieses kleine Wesen ein alter Freund wäre. Durch sein Alter und seine Schwächung nicht mehr fähig zu sprechen, nickte der Zwerg zurück, seine Augen voller Tränen. Ein anderer Zwerg reichte dem Hierophant einen schwarzen Stoffbeutel, der über und über mit zwergischen Runen bedeckt war, und der Drakonier reichte den Gegenstand ehrfürchtig an seine Scalesworn weiter. Dann nahm er den alten Zwerg vorsichtig in seine Arme und hielt ihn mit jenen Muskeln, die besser geeignet waren, Gebäude zu zerreisen.


Ohne ein weiteres Wort hoben sich beide in den blauen Himmel und die zurückgebliebenen Zwerge jubelten auf, ihre Stimmen halten zwischen den Steinen ihrer Heimat wieder.


Tagebuch Frühjahr 435 Tag 18
Ein lohnendes Leben

Einen ganzen Tag lang flogen der Drakonier und seine Scalesworn über das ausgedehnte Gebiet der Revolutionäre und dann hinab, über das Grange Tal und einen Ausläufer von Khamsin. Von dieser Höhe wirkte die Festungsstadt von Rangraz bloß wie ein Fleck auf dem Boden und die glitzernden Wasser des Roa Vizorr wie eine dünne blaue Linie inmitten des grünen Grange Tals. Während fern im Osten die Berge von Rivvenheim in den Himmel ragten, flog der Drakonier im Tiefland alleine dahin. Eingehüllt in der Decke bestaunte der Zwerg die Aussicht, wechselte von Zeit zu Zeit einige gebrochene Worte oder deutete auf Orte, die er während seiner Reisen besucht hatte.


Bei Einbruch der Nacht schlugen die drei Krieger ein Lager etwas nördlich der Stadt Wolfsgate auf, über die der Zwerg mit großer Ehrfurcht und Vertrautheit sprach. Da er einer der ersten Zwerge war, die von der aufkeimenden Rebellion befreit wurden, war die Menschenstadt Wolfsgate und ihre erstaunliche Brücke das erste Zivilisierte, das er in seinem Leben gesehen hatte, was nicht Ketten oder die Wände einer Tagebaumine beinhaltete. In den kommenden Jahren kämpfte und tötete er im Namen von Wolfsgate mit den ersten Schwarzpulverwaffen und er kämpfte sogar an der Seite von Ellaine Steward im Khamsin Bürgerkrieg von 423 Tz.


Nach einer Zeit legte der Zwerg sich zum Schlaf nieder und der Hierophant und Nepherea hielten nach Atlantern, Dieben und Mage Spawn Ausschau, um ihren Schützling bis zum Morgen vor Unheil zu bewahren.


Tagebuch Frühjahr 435 Tag 19
Die große Halle

Ein weiterer langer Tag in der Luft folgte dem ersten und sowohl Hierophant als auch seine Scalesworn und der Sky Dragon zeigten Anzeichen der Erschöpfung, doch niemand sprach über die Strapazen. Nachdem sie zunächst der Handelsstraße nach Süden gefolgt waren, nahm die Gruppe eine Abkürzung über den östlichen Ausläufer des Gebietes der Solonavi und bewegte sich dann in das Herz des Imperiums.


Als sie in Sichtweite der fliegenden Stadt Atlantis gekommen waren, wurde der Zwerg von dem Anblick zu Tränen gerührt. Er vergaß seinen Stolz und erzählte, dass er, obwohl er sein ganzes Leben gekämpft hatte, um das Imperium und Atlantis zu stürzen, er selbst die Stadt nie gesehen hat. In der Abendsonne wie ein funkelnder Stern glitzernd hing die Meilen breite Stadt über dem Vizorr Delta wie ein Edelstein. Mit einer unbeirrbaren Sicherheit verkündete er, dass er nie etwas so Schönes gesehen hatte und mit der gleichen Sicherheit stellte er fest, dass es ein Jammer sei, dass die Revolutionäre sie eines Tages aus dem Himmel stürzen müssten. Der Hierophant lachte leise als Antwort, doch das Lachen des Zwerges verwandelte sich schnell in ein Husten, das ihn nach Luft ringen und seine Haut ergrauen lies, als es abgeklungen war. Stumm bewegte der Hierophant seine Arme, so dass es der Zwerg etwas bequemer hatte und begann mit dem langen, langsamen Abstieg in Richtung der Scythrischen Berge im Westen.


Die Gipfel des Scythria sind nicht so hoch wie die der Rivvenheims, doch beide haben ein raues, zerklüftetes Aussehen und wirken wie ein unüberwindbares Hindernis inmitten einer Region aus grünen Weiden und Wasser. Der Hierophant folgte den Anweisungen des Magus und fand auch innerhalb einer Stunde den Adlerstein und landete vor dem dunklen Eingang in das Herz des Berges.


Obwohl die Statuen und Bögen, die einst den Eingang zum Hlothlot Holt verzierten, vor langer Zeit schon von technomagischen Golems vernichtet wurden, stand der Eingang selbst immer noch dem Wind und der Welt offen, wie er es bereits seit Hunderten von Jahren tat.


Als die drei Krieger ihren Weg in den Berg begannen, merkte ich, dass der Atem des Zwerges schwerer wurde und dass er Probleme hatte seine Augen auf die Dunkelheit einzustellen. Der Hierophant erschuf ein magisches Licht und die Gruppe wanderte zusammen tiefer ins Herz des Holts, dabei zerschmetternden Steinen, zerbrochenen Bänken und Splittern von Skulpturen und Bildhauereien aus dem Weg gehend, die vor mehr als hundert Jahren bereits vernichtet wurden. Unbeirrt schritt der Drakonier hinab in die Tiefe, durch eine Tür, noch eine Tür, dann eine lange Treppe hinab und durch einen riesigen Flur, der nur noch von Schatten und Staub bewohnt war. Während die Schuppengeschworene ihre Waffen als Schutz gegen Mage Spawn oder andere Geschöpfe der Dunkelheit bereithielt, schien der Drakonier nicht besorgt zu sein.


Am Ende des Flures öffnete der Drakonier eins der dreißig Fuß hohen Steintore und schritt voran in eine riesige Audienz Halle. Am fernen Ende der Halle standen drei Steinthrone, und die Halle war übersäht mit dutzenden Tischen und Bänken, einige sogar noch mit intakten Steintellern und -Kelchen auf ihnen, Der Hierophant bewegte sich durch das Labyrinth an Bänken und stieg dann die wenigen Stufen zum Herrschersitz empor. Hier setzte er den Zwerg auf den mittleren Thron, so behutsam, wie man ein Baby in eine Wiege legt. Der Zwerg öffnete die Augen, fühlte die abgegriffenen Steinarmlehnen mit seinen verwitterten Fingern und bewunderte das Herz eines Königreiches, das seit mehr als hundert Jahren kein Zwerg gesehen hatte.


„Ist die ein Traum?“ fragte er schwach, und starrte bewundernd auf die Halle vor ihm. „Sind wir dort, wo ich denke, dass wir sind?“


„Es ist kein Traum, mein Freund,“ sagte der Drakonier leise. „Jarl Frostriven, König des Zwergentals, Held der Rebellion und mein treuer Freund seit vielen Jahren – dies ist das Holt und die Halle deiner Vorfahren, wo der Großvater deines Großvaters kämpfte und lebte, und mehr goldenen Met trank als jeder andere Zwerg, der je lebte. Du, mein Freund, bist in den Hallen deiner Ahnen.“


„Ich danke dir mein Freund Escu, “ antwortete Frostriven. „Dies ist ein guter Ort zum Sterben.“


„Das ist es, mein Freund, “ sagte Escu leise mit einem wissenden Blick. Nepherea trat in diesem Augenblick vor und hielt einen schwarzen Stoffbeutel ehrfürchtig bereit. Der Hierophant nahm den Beutel, öffnete ihn und zog eine wunderschöne Axt hervor, die ganz aus Mithril und Silber geschmiedet war und die Runen der Zwergenkönige von Scythria trug.


„Obwohl ich kein Met für dich zum Trinken habe, noch Barden, die dich mit ihren Gesängen in die vergessenen Reiche begleiten könnten, so habe ich doch deine Axt, dein rechtmäßiges Zepter der Herrschaft über diesen ehrenvollen Ort.“


„Ich freue mich sie wieder zu tragen, “ sagte Frostriven und ließ sich die Waffe auf den Schoss legen. Obwohl er nicht stark genug war die Waffe zu heben, legten sich die Finger des Zwerges mit einer Stärke und Vertrautheit um den Griff, die den Hierophanten stolz machte.


„Ich muss ausruhen, “ sagte der Jarl leise, „nur einen Moment...“


„Tue das, “ sagte der Drakonier, „und ich wache über dich während du schläfst.“ Nachdem er noch einen Blick über die Halle seiner Väter geworfen hatte und ein zufriedenes Lächeln seine Lippen umspielte, schloss der Jarl die Augen und fiel in einen ruhigen Schlaf.


Eine Stunde später ging Jarl Frostriven von dieser Welt in die nächste über und die Flammen seines Begräbnisses leuchteten über den scrythischen Bergen wie ein helles Leuchtfeuer. Bald würden die Geschichten seines Lebens und seines Sterben von den Drakoniern, den Zwergen, den Amazonen und den Revolutionären im ganzen Nordland, und weit darüber hinaus, erzählt werden.


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