§ 217
Mit Sorgfalt muß bei ihnen die Erforschung des ganzen Zeichen-Inbegriffs unternommen werden, in Absicht der Körper-Symptome sowohl, als auch, und zwar vorzüglich, in Absicht der genauen Auffassung der bestimmten Eigenheit (des Charakters) seines Hauptsymptoms, des besondern, jedesmal vorwaltenden Geistes- und Gemüths-Zustandes, um zur Auslöschung der Gesammtkrankheit eine homöopathische Arzneikrankheits-Potenz unter den, nach ihren reinen Wirkungen gekannten Heilmitteln auszufinden, ein Heilmitte!, welches in seinem Symptomen-Inhalte nicht nur die, in diesem Krankheitsfalle gegenwärtigen Körperkrankheits-Symptome, sondern auch vorzüglich diesen Geistes- und Gemüths-Zustand in möglichster Aehnlichkeit darbietet.
§ 218
Zu dieser Symptomen-Schilderung gehört zuerst die genaue Beschreibung der sämmtlichen Zufälle der vormaligen sogenannten Körper-Krankheit, ehe sie zur einseitigen Erhöhung des Geistes-Symptoms, zur Geistes- und Gemüths-Krankheit ausartete. Aus dem Berichte der Angehörigen wird dieses erhellen.
§ 219
Die Vergleichung dieser ehemaligen Körperkrankheits-Symptome mit den davon jetzt noch übrigen, obgleich unscheinbarer gewordenen Spuren (welche auch jetzt noch sich zuweilen hervorthun, wenn ein lichter Zwischenraum und eine überhingehende Minderung der Geistes-Krankheit eintritt) wird zur Bestätigung der fortdauernden, verdeckten Gegenwart derselben dienen.
§ 220
Setzt man hiezu noch den, genau von den Angehörigen und dem Arzte selbst beobachteten Geistes- und Gemüths-Zustand 1),
1) Welcher nicht selten in Perioden abwechselnd erscheint, z. B. auf mehre Tage stürmischen Wahnsinns oder Wuth folgen andre Tage tiefsinniger, stiller Traurigkeit, u.s.w. auch wohl nur in gewissen Monaten des Jahres wiederkehrend.
so ist das vollständige Krankheitsbild zusammengesetzt, für welches dann eine, treffend ähnliche Symptome und vorzüglich die ähnliche Geistes-Zerrüttung zu erregen fähige Arznei, unter den (antipsorischen u.s.w.) Arzneimitteln zur homöopathischen Heilung des Uebels aufgesucht werden kann, wenn die Geistes-Krankheit schon seit einiger Zeit fortgedauert hatte.
§ 221
War jedoch aus dem gewöhnlichen, ruhigen Zustande plötzlich ein Wahnsinn oder eine Raserei (auf Veranlassung von Schreck, Aergerniß, geistigem Getränke u.s.w.) als eine acute Krankheit ausgebrochen, so kann, ob sie gleich fast ohne Ausnahme aus innerer Psora entsprang, (gleichsam als eine von ihr auflodernde Flamme) sie doch in diesem, ihrem acuten Anfange, nicht sogleich mit antipsorischen, sondern muß mit den hier angedeuteten Arzneien, aus der Classe der übrigen geprüften Heilmittel 1)
1) z. B. Aconit, Belladonne, Stechapfel, Bilsen, Quecksilber u.s.w.
gewählt, in hoch potenzirten, feinen, homöopathischen Gaben erst behandelt werden, um sie so weit zu beseitigen, daß die Psora in ihren vorigen, fast latenten Zustand vor der Hand wieder zurückkehre, in welchem der Kranke genesen erscheint.
§ 222
Doch darf ein solcher, aus einer acuten Geistes-oder Gemüths-Krankheit durch gedachte, apsorische Arzneien Genesener nie als geheilt angesehen werden; im Gegentheile darf man keine Zeit verlieren, um ihn durch eine fortgesetzte, antipsorische, vielleicht auch antisyphilitische Cur von dem chronischen Miasm der, jetzt zwar wieder latenten, aber zu ihrem Wiederausbruche in Anfällen der vorigen Geistes- oder Gemüths-Krankheit, von nun an sehr geneigten Psora, gänzlich zu befreien 2),
2) Es ist sehr selten, daß eine schon etwas langwierige Geistes- oder Gemüthskrankheit von selbst nachläßt (indem das innere Siechthum wieder in die gröbern Körper-Organe übergeht); dieß geschieht in den Fällen, wo hie und da ein bisheriger Bewohner der Irrenhäuser als scheinbar genesen entlassen ward. Außerdem blieben bisher alle Irrenhäuser bis oben angefüllt, so daß die Menge andrer auf die Aufnahme in diese Häuser harrender Irren, fast nie Platz darin fand, wenn nicht einige der Wahnsinnigen im Hause mit Tode abgingen. Keiner wird darin durch die alte Schule wirklich und dauerhaft geheilt! Ein sprechender Beweis (unter vielen andern) von der gänzlichen Nullität der bisherigen Unheilkunst, die von der allöopathischen Prahlerei mit dem Namen rationelle Heilkunst lächerlich genug beehrt ward. Wie oft konnte dagegen nicht schon die wahre Heilkunst, (die ächte, reine Homöopathik) solche Unglückliche wieder in den Besitz ihrer Geistes- und Körper-Gesundheit setzen und ihren erfreuten Angehörigen und der Welt wieder geben!
da dann kein ähnlicher, künftiger Anfall wieder zu befürchten ist, wenn der Kranke der diätetisch geordneten Lebensart treu bleibt.
§ 223
Wird aber die antipsorische, (auch wohl antisyphilitische) Cur unterlassen, so ist bei noch geringerer Veranlassung, als bei der ersten Erscheinung des Wahnsinns statt fand, bald ein neuer und zwar anhaltenderer, größerer Anfall davon, fast mit Sicherheit zu erwarten, während welchem sich die Psora vollends zu entwickeln pflegt und in eine entweder periodische oder anhaltende Geistes-Zerrüttung übergeht, welche dann schwieriger antipsorisch geheilt werden kann.
§ 224
Ist die Geistes-Krankheit noch nicht völlig ausgebildet und es wäre noch einiger Zweifel vorhanden, ob sie wirklich aus Körper-Leiden entstanden sei, oder vielmehr von Erziehungsfehlern, schlimmer Angewöhnung, verderbter Moralität, Vernachlässigung des Geistes, Aberglauben oder Unwissenheit herrühre; da dient als Merkmal, daß durch verständigendes, gutmeinendes Zureden, durch Trostgründe oder durch ernsthafte und vernünftige Vorstellungen dieselbe nachlassen und sich bessern, dagegen aber wahre, auf Körper-Krankheit beruhende Gemüths- oder Geistes-Krankheit schnell dadurch verschlimmert, Melancholie noch niedergeschlagener, klagender, untröstlicher und zurückgezogener, so auch boshafter Wahnsinn dadurch noch mehr erbittert und thörichtes Gewäsch offenbar noch unsinniger wird 1).
1) Es scheint, als fühle hier die Seele des Kranken mit Unwillen und Betrübniß, die Wahrheit dieser vernünftigen Vorstellungen, und wirke auf den Körper, gleich als wolle sie die verlorene Harmonie wieder herstellen, dieser aber wirke zu stark mittels seiner Krankheit zurück auf die Geistes- und Gemüths-Organe und setze sie in desto größern Aufruhr durch erneuertes Uebertragen seiner Leiden auf sie.
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