262 Erster Freitag im Oktober 1898 „Ihr aber sollt hinausgehen aus dem lieben ‚Ich‘, ihr sollt euch vergessen und an andere denken, an eure Brüder und Schwestern.“
Lied: Maria sei gegrüßet ...
Barbara: „Mein Jesus! Ich bete Dich an aus dem Abgrunde meines Nichts. Ich danke Dir für alle die vielen Gnaden und Wohltaten. Ich bitte Dich um Verzeihung für alle Sünden und Nachlässigkeiten, die ich wieder begangen habe in dieser Woche und für alle Sünden meines ganzen Lebens, besonders die Sünden, die ich in diesem Jahr wieder begangen habe, im ganzen verflossenen Jahr; denn das Kirchenjahr geht zu Ende, und wir haben den schönen Rosenkranzmonat, wo Deine heilige Mutter so sehr verherrlicht wird. Da ersetze mir alles um der Verdienste Deiner heiligen Mutter, und um des Gebetes so vieler Seelen willen erbarme Dich meiner!
Warum habe ich so viel mit Sterbenden zu tun? Willst Du, daß wir mehr dafür beten sollen als für die Sünder? Warum zeigst Du mir N. (eine Sterbende), Dein liebes Kind, Deine treue Dienerin, meine liebe, gute Freundin? O erleichtere ihr den Todeskampf und laß mich ihn aushalten. Ich opfere Dir mein Leiden auf; denn ich habe jedesmal den Todeskampf auszuhalten, bis Du Dich mit mir vereinigst. O laß es dieser zugute kommen und nimm sie auf in Deine Arme. Gelobt sei Jesus Christus!“
Jesus: „Meine lieben Kinder! Ich freue mich, in eure Mitte zu kommen, Mich mit euch zu vereinigen. Seht, warum auch sollte Ich Mich nicht freuen? Eben, weil man nicht glauben will, daß Ich Meine Freude habe in einer Seele, die mit gläubigem Gemüt sich Mir ergibt, darum sehne Ich Mich um so mehr, Mich mit euch zu verbinden, in euch Mich zu trösten, weil eben dies das größte Hindernis ist. Es ist so selten, daß Ich eine Seele ganz an Mich heranziehen kann, so daß Ich sie zu Meinem Werkzeug benutze, wie Ich will. Gerade das Mittel, das Meine Diener vorschützen, es sei der Stolz, gerade dieses Mittel benutze Ich, um Meine Pläne durchzuführen. Denn eine Seele, die auch nur etwas Stolz in sich hat, ist bald mit sich einig, wenn sie sieht, daß sie keine Ehre erntet mit den Mitteln, die sie anwenden möchte, um Gott zu gefallen. Denn eine stolze Seele, auch wenn sie Mir zu gefallen lebt, sucht doch auch noch das Wohlgefallen der Menschen, und sobald sie dann merkt, daß es ihr keine Ehre einträgt, geht sie zurück, und der Geist, Der in ihr wirken will, mag dann der Geist Gottes sein oder nicht, sie läßt ihn fahren.
Diese Seele aber, die Ich Mir erwählte, ließ sich prüfen, ließ sich lange und harte Prüfungen gefallen, nicht nur zehn Jahre lang, sondern zwanzig und dreißig Jahre hindurch. Ja, wo wäre denn da noch der Stolz? Ich will es anders sagen: Wo bildeten sich denn da die Heiligen, wenn alle die Sonderlichkeiten, die in ihnen und von ihnen gewirkt werden, vom Geist des Stolzes gewirkt werden. Denn alle Meine lieben Heiligen, sie waren doch auch Sonderlinge, von Meiner heiligen Mutter angefangen bis hinauf zum letzten Heiligen, der da in Meiner Kirche sich noch bilden wird.
Darum nur wacker darauf los mit euren Sonderlichkeiten, denn nur dadurch zieht ihr den Spott und Hohn eurer Mitmenschen auf euch, besonders den Spott und Hohn Meiner Diener, und dies ist es, was eure Krone von Tag zu Tag verschönern wird. Ihr aber müßt und sollt diesen Spott mit Freuden, nicht nur geduldig hinnehmen, sondern ihn mit Freuden hinnehmen, mag er nun von der Kanzel herab euch gepredigt werden oder privatim euch zugefügt werden. Mit Freuden müßt ihr alles hinnehmen, und Ich werde es eintragen lassen durch eure heiligen Schutzengel in das Buch des Lebens. Dort, wenn ihr einmal vor Mir stehen werdet und Ich das Buch des Lebens aufschlagen werde, werdet ihr alle die Spottreden, die ihr aus Liebe zu Mir gern und mit Freuden ertragen habt, mit großen goldenen Buchstaben eingezeichnet finden. Merkt es euch, Meine Kinder!
Nun aber will Ich euch eine andere Lektion aufgeben. Seht, Ich habe euch für jeden Rosenkranz einen Sünder versprochen. Diesen Rosenkranz schenkt nun demjenigen Sünder, der an demselben Tag sterben wird, denn zur Zeit sterben jeden Tag um neunzigtausend Menschen. Seht, welches Arbeitsfeld euch da zugedacht ist, ja jedem guten Christen zugedacht ist. Für die Sterbenden will ich, daß ihr beten sollt. Deswegen habe Ich dich im Traum zu einer Sterbenden geschickt, um dir zu zeigen, für wen Ich will, daß du deine Leiden aufopferst, und heute abend habe Ich dir wieder eine Sterbende vorgestellt, damit ihr wißt, für wen ihr die Rosenkränze und mit welch großem Eifer ihr dieselben beten sollt. Bemüht euch, sie mit recht großer Andacht zu beten. Wenn auch der Körper matt und schwach wird, wenn ihr spürt, es will nicht mehr gehen, dürft ihr euch setzen, Ich erlaube es euch, aber ihr sollt euch immer dabei sammeln. Wenn ihr euch besser sammeln könnt im Sitzen, dann sitzet lieber. Innig und mit Andacht opfert ihr das Gebet auf. Das Weihwasser, das ihr nehmt, wenn ihr ein- und ausgeht, nehmt alles für die Sterbenden.
Seht, wie Mein Vaterherz gekränkt ist, daß Satan so große Ernte hält. Wie Schneeflocken fallen sie in die Hölle. Wie viele Tausende sind es, die so dahinsterben, und so wenige, die daran denken, für diese noch zu beten. Ein jeder denkt nur an sich. Ein jeder, der dem Rosenkranzgebet beiwohnt, denkt nur an seine Armseligkeit. Ihr aber sollt hinausgehen aus dem lieben ‚Ich‘, ihr sollt euch vergessen und an andere denken, an eure Brüder und Schwestern. O sagt es den Priestern, die glauben, daß Ich mit euch rede, daß sie doch auf alle ihre Beichtkinder und bei allen, wo sie Einfluß haben, recht darauf hinwirken, daß die Seelen nicht so viel an sich selber hängen. Es tut der Zeit not, bis ins Kleinste hinein den Weg der Vollkommenheit zu erleichtern, weil der Kleinmut und die Verzagtheit das größte Hindernis ist, um die Seele vorwärts zu bringen. Kleinmütig und verzagt stehen sie alle da, und wenn sie noch so guten Willens sind, weil sie alle Adamskinder sind, mögen sie sein Priester oder Laien, Kloster- oder Weltleute, überall ist der Kleinmut in ihnen. Ihr alle seid Adamskinder, auch wenn ihr den Schleier nehmt und gesalbt seid vom Bischof durch das heilige Öl, ihr alle seid Adamskinder und tragt die Schuld Adams in eurer Seele, und Kleinmut und Verzagtheit sind überall in jeder Seele, wenn sie sich so armselig sieht. Diesem vorzubeugen kann Ich euch nicht genug belehren.
Mein lieber Christ, stehe auf und verdemütige dich vor Mir und blicke nicht mehr zurück. Sage Mir nur: ‚Mein Jesus, ich bin gefallen‘, und dann ist es genug, dann schaue vorwärts, was Ich von dir verlange. Siehe, du sollst Mir Seelen retten, du sollst an andere denken, du sollst wissen, daß du noch Brüder hast und Schwestern, die an ihre Fehler nicht mehr denken, daß du noch Brüder hast und Schwestern, die sich und andere vergessen, die nur noch daran denken, um zu besitzen und zu genießen und nur drauf losgehen, sich möglichst leicht den Himmel zu verschaffen hier auf Erden und darüber ihre ewige Glückseligkeit vergessen und ihrem ewigen Untergang entgegengehen.
Darum, ihr Priester der katholischen Kirche, steht zu euren guten, treuen Seelen und erleichtert Mir die Last und Bürde, die auf Mir ruht. Ich möchte alle die guten, treuen Seelen in Meine Arme schließen und ihnen alles so erleichtern, daß sie wähnen, schon eingegangen zu sein in die ewige Glückseligkeit. Aber Ich kann dieses ja nicht, sie müssen ja leiden und verdienen, weil sie ja nur noch die einzigen sind, die Mir verdienen können, die Mir ersetzen können, was an Meinem Leiden noch fehlt. O helft Mir doch Seelen retten, helft Mir doch, Seelen retten! Gedenkt in diesem Monat des Gebetes der lieben Sterbenden, dann kann Ich euch am Schluß dieses Monats, wo die Kirche das Gedächtnis aller Seelen feiert, aller Heiligen und aller Seelen, recht viele vorführen, die durch euer Gebet sind gerettet worden, und die ihr dann in den Himmel einziehen sehen sollt.“
Barbara: „O guter Jesus! Gib doch meiner Freundin einen guten Rat, was für sie das Beste ist.“
Jesus: „Sie soll ihre Güter öffentlich versteigern und nicht so ängstlich sein. Eine Jungfrau braucht nichts zu fürchten. Ist ihr Lebensgang gut abgelaufen, dann ist ja alles gut. Sie hat ja keine Kinder, für deren Seele und Leib sie sorgen muß.“
Barbara: „O mein Jesus! Gib mir doch einen Trost für das sterbende Mädchen. O erbarme Dich ihrer. Siehe, diese gute, treue Seele, die Dich so sehr liebt, die so gern leidet, o erbarme Dich, erleichtere ihr den Todeskampf.“
Jesus: „Gehe hin und sage ihr, dieser Meiner Tochter, diesem Engel im Fleische, daß sie nur noch von Mir steht so lange, bis Ich ihren Lebensfaden abschneide, und dann werde Ich sie mit offenen Armen aufnehmen in Meine Herrlichkeit. Sie soll nicht die Flammen des Fegefeuers empfinden, sie soll, falls sie mit Ergebung, mit völliger Hingebung an Meinen heiligen Willen stirbt, ohne Fegefeuer in den Himmel eingehen. Laß sie nur, sie hat hier in Mainz Gelegenheit genug, sich in der Frömmigkeit zu prüfen und zu üben und du hast sie auch mehr unter deiner Aufsicht.“
Dann kam die liebe, heilige Hildegard und sang mit uns das „Hochpreiset meine Seele den Herrn“.
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