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Kreis (Baghestani 1997: 375).
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Auf einigen baktrischen Compartimentsiegel tritt ein
Friedvogel im Profil noch in Kombination mit einem thro-
nenden Menschen oder vogelköpfigen Mischwesen auf,
eine Kombination, die möglicherweise ebenfalls aus dem
Repertoire der transelamischen Glyptik stammt, in der
eine thronende Gottheit mit Schlangenschulter in Kombi-
nation mit einem Friedvogel zweimal nachgewiesen ist
(Amiet 1986: Abb. 132.10, 132.12; Porada 1962: Abb. 12).
Außerhalb der Glyptik finden sich Friedvögel vor allem
als kleine Tonfigur auf den baktrischen Ritualgefäßen
und einmal zusammen mit Schlangen auf einem vermut-
lich baktrischen Goldgefäß aus dem Fullolhort in Nord-
afghanistan (Sarianidi 1986b: Abb. 1-2; Amiet 1986: Abb.
193; Winkelmann 1997c: Tf. 35).
So kann das Siegel mit den rotierenden Friedvögeln
über einem Stufenkreuz als eine baktrische Eigenschöp-
fung verstanden werden, die Elemente und Traditionen
aus dem indoiranischen Bereich und der südturkmeni-
schen Kunst zu einer neuen Variante verschmolz.
Siegel Nr. 2: Ein Adler-Feliden-Mischwesen
[Abb. 3a]
Dieses Silbersiegel ist ebenfalls ein figürlich gestaltetes.
Technisch schließt es deutlich an das vorhergehende an,
denn wieder ist die Rückseite des Siegels mit feinen Ein-
ritzungen in Form schraffierter Bänder verziert.
Es zeigt ein Mischwesen, das den Kopf und die Flügel
eines Adlers besitzt, aber den Körper eines Felide. Der
Adlerbestandteil folgt der typischen Darstellungsweise
der Raubvögel in der baktrischen Glyptik. Sein Kopf ist im
Profil dargestellt, die Flügel und der Körper
en face
. Die
Flügel sind komplett mit den schraffierten Bändern einzi-
seliert und ein gleiches Band teilt den Kopf vom Körper
ab. Schraffuren wurden auch im Halbkreis um den Körper
gesetzt. Nur der kräftige Hakenschnabel besitzt keine
Verzierungen. Das große Auge ist mandelförmig und von
einer doppelten Linie umrandet. Der Körper ist unver-
ziert und vom halbrunden Siegelgriff teilweise bedeckt.
Die Einritzungen wiederholen sich auch auf dem Kat-
zenkörper: drei parallele Linien auf den Vorderläufen
wiederholen die Kontur der Beine, auf den Hinterbeinen
sind es zwei Linien. Der Schwanz ist, wie die Flügel des
Adlers, wieder mit mehrfachen eingeritzten und schraf-
fierten Bändern verziert, so dass, zumindest vom Reverse
aus gesehen, der Schwanz auch zum Adler gehörig sein
könnte. Dem Avers zeigt jedoch seine Zugehörigkeit zum
Katzenkörper.
Motivische Parallelen zu diesem Siegel finden sich
etliche. Zunächst fällt der Blick sofort auf das silberne
Trikephalos-Siegel aus dem Altyn depe der Namazga-V-
Stufe: hier ist ein Mischwesen dargestellt, dessen Körper
ebenso aus einem Felidenkörper mit herunterhängendem
Schwanz gebildet ist, während auf den Körper ein Adler-
kopf und zwei Schlangenköpfe angefügt sind (Masson
1988: Tf. VIIa) [Abb. 3b]. Auch die feine Ziselierung des
Revers wiederholt sich hier. Eine ähnliche Kombination
eines Adlers mit einem Vierfüßer zeigen auch einige
Harappasiegel, die auch das Motiv des Adler-Feliden oder
des mehrköpfigen Mischwesens wiederholen [Abb. 3c].
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Stilistisch fällt die deutliche Abgrenzung des im Profil
dargestellten Kopfes vom
en face
gezeichneten Körper
durch das schraffierte Band auf. Diese deutliche Kopfab-
trennung durch ein Band und die Form der heraldischen
Darstellung des Adlers im Wechsel vom Kopf im Profil zu
den ausgebreiteten Flügeln
en face
sind, wie auch die
Körperzeichnung durch Schraffuren, kanonisierte Stil-
mittel der Adlerdarstellungen auf den Steinobjekten des
‘Intercultural Style’ (Zarins 1978: Tf. 68 Nr. 159, 162; Mus-
carella 1993: Abb. 7). Da
β
mögliche Bezüge zu diesen Dar-
stellungen nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigen
baktrische Compartimentsiegel, die eindeutige Motive
des südostiranischen Kanons, wie den Adler mit angrei-
fender Schlange, die zwei miteinander verwobenen
Schlangen, die vertikal gewundene angreifende Schlange,
den Schlangenknoten oder den doppelköpfigen Adler in
Form eines Compartimentsiegels wiederholen [Abb. 4].
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Abb. 4: Heraldischer Adler mit zwei angreifenden Schlangen in der süd-
ostiranischen Kunst und abgeleitete baktrische Darstellungen. A)
ʻ
Intercultural Style
ʼ
-Gewicht und Siegelabdruck aus Shahdad, Mitte 3.
Jahrtausend v.Chr. (Nach: Muscarella 1993: Abb. 7; Hakemi 1997: 238
Textabbildung); B) Baktrische Compartimentsiegel aus dem Kunst-
handel (Nach: Baghestani 1997: Nr. 43, 629).
Die Kombination von Adler und Felide findet sich dar-
überhinaus besonders auch in der baktrischen Waffen-
kunst: Zahlreiche Äxte kombinieren Feliden- und Adler-
elemente als Schmuck ihrer Waffen, seien es der typische
Flügelnacken der Äxte, aufgesetzte Adlerköpfe oder aber
Feliden oder Drachen, die die Axtklingen gleichsam aus
ihrem Maul speien (Amiet 1986: Abb. 97.9). Flügelnacken-
äxte mit Drachenköpfen an der Klingenwurzel sind als
Waffenfunde wie als Abbildung in der Glyptik in der alte-
lamischen Zeit auch im Iran nachweisbar und wohl zum
großen Teil auf baktrischen Einfluß zurückzuführen,
wenngleich hier auch zumindest im Fall der zoomorph
gestalteten Klingenwurzel auch an Akkad- und Ur-III-
zeitliche Vorläufer aus Luristan gedacht werden muß
(Amiet 1976: Abb. 21; Anonymous 1996: Nr 24; Curtis 1993:
Do'stlaringiz bilan baham: