„Würde man einen Chirurgen mit einer Zeitmaschine um 50 Jahre in einen Operationssaal
zurückversetzen und von ihm verlangen, dort einen Menschen zu operieren, würde er das wohl
empört als Aufforderung zur fahrlässigen Tötung zurückweisen. Ein Lehrer, den man mit
derselben Zeitmaschine um 50 Jahre zurück in ein Klassenzimmer schickt, könnte, ohne große
Unterschiede zu erkennen, sofort mit seinem gewohnten Unterricht fortfahren.“ (Salcher 2010,
S. 24)
Die möglichen Vorwürfe, dass das Thema dieser Arbeit zu sehr an der Oberfläche bleibt, die Analyse
der Dimensionen von Lernumgebungen zu wenig ins Detail geht oder der Forschungsansatz zu wenig
relevant für die Fachdidaktik GW ist, lassen sich entkräften.
Nachdem Lernumgebungen erstmals auf der Basis des Vier-Dimensionen-Konzepts untersucht wurden,
ist es klar, dass sich diese erste Annäherung noch nicht in einzelne Aspekte vertiefen kann. Im Vordergrund
steht das Abklopfen des theoretisch konzipierten Modells hinsichtlich seiner Funktionalität. In ähnlicher
Weise betrifft dies auch die ffachdidaktische Perspektive. Ganz bewusst wurde der Fokus auf
sozialwissenschaftliche Unterrichtsfächer gelegt und ein Blick über den Tellerrand gewagt, um der
Fachdidaktik damit neue Betrachtungsmöglichkeiten zu erschließen.
Selbst wenn nicht ausschließlich schulgeographisch relevantes Datenmaterial im Rahmen der
Fallstudien erhoben wurde, können doch einige relevante Schlussfolgerungen für die Fachdidaktik GW
herausgearbeitet werden. Hinsichtlich der individualisierten Lehr-/Lernprozesse wurde in Teil II dieser
Arbeit festgestellt, dass die Fachdidaktik GW sehr viele rrelevante Konzepte, wie beispielsweise die
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Schüler/innen- und Handlungsorientierung oder die Orientierung an der Lebenswelt der
Schüler/innen, intensiv untersucht. Der wissenschaftliche Fokus richtet sich dabei vorwiegend auf
inhaltliche und methodische Aspekte, die im Vier-Dimensionen Konzept der Lernumgebungen dem
Bereich der didaktischen Entscheidungen entsprechen. Damit wird deutlich, dass im Rahmen einer
gesamtheitlichen Betrachtung jener Faktoren, die Lernprozesse beeinflussen, für künftige fachdidaktische
Forschungsarbeiten noch vieles offen ist.
Als herausstechende Idee fachdidaktisch-organisatorischer Überlegungen ist das sschulisch-universitäre
Kooperationsprojekt beschrieben worden (vgl. dazu Kapitel 6). Es integriert in seiner konzeptionellen Idee
alle Dimensionen der Lernumgebungen, um individualisierte Lehr-/Lernprozesse zu ermöglichen. Da es sich
dabei aber für die Schüler/innen bisher nur um singuläre Ereignisse in Form von Projektwochen handelt,
wäre es eine interessante Überlegung, wie diese Idee verstärkt iin den regulären Schulalltag eingebaut
werden kann.
Die Besonderheit der Kooperationspraktika liegt vor allem darin, dass aaußerschulische Lernorte in die
Lehr-/Lernprozesse integriert werden. Gerade aus fachdidaktischer Perspektive bieten authentische Lernorte
sehr viel Potenzial, um der Vorstellung von Schüler/innen-Orientierung auch wirklich nahe zu kommen.
Im Rahmen der Methode „Spurensuche“, wird die Wahrnehmung der Schüler/innen für räumliche und
ökonomische Phänomene sensibilisiert. Aufgrund des Aktualitätsbezuges und der umgebenden
Lebenswelten, die eigentlich immer wieder ein integratives Element von Lernprozessen des GW-
Unterrichtes sein sollten, ist es von besonderem Interesse wirklichkeitsnahe und authentische
Lernmöglichkeiten zu schaffen. Die Schule muss sich demnach nach außen für die Integration des direkten
Lebensumfeldes und für den Austausch mit anderen Akteur/innen öffnen.
Die gewonnenen Erfahrungen und Beobachtungen im Rahmen außerschulischer Lehr-/Lernsettings
werden in die Schule zurückgetragen, um dort vertiefend bearbeitet zu werden. Dies führt zu einem weiteren
Aspekt, der hinsichtlich der Weiterentwicklung fachdidaktischer Überlegungen von Lernumgebungen
relevant sein kann, nämlich zu der Frage nach ggeeigneten Lernräumen für GW. In diesem Kontext wurden
Funktionsräume und das D
Departmentsystem beschrieben (vgl. dazu Kapitel 8.2.2). Die Funktionsräume
der SBW Häuser des Lernens sind für den Einsatz unterschiedlicher Sozialformen konzipiert. Im Rahmen
der Einführung des Departmentsystems für beispielsweise sozialwissenschaftliche Fächer stellt sich die Frage,
wie ffachspezifische Räume die Funktionsräume ergänzen können. Es gilt dabei neben den bereits
genannten Kriterien auch auf die Herstellung von Aktualitätsbezügen, die Zukunftsorientierung, die
Mensch-Umweltbeziehungen oder die Analyse komplexer räumlicher Phänomene zu achten.
In diesem Kontext wäre eine weitere spannende Forschungsfrage, ob eine ffunktionelle Abhängigkeit
zwischen schulgeographischen IInhalten und der Gestaltung von L
Lernumgebungen besteht. Dazu ist es
notwendig, Lernräume in Bezug auf ihre spezifische Funktionalität zu reflektieren und Charakteristika von
Raumqualitäten zu identifizieren, die ein GW-Fachraum als sozialwissenschaftlicher Raum aufweisen muss.
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Man wird bei diesem Thema auch nicht umhin kommen, die nach wie vor starke h
historische Prägung
schulischer Lernräume zu beachten. Es stellt sich die Frage wie mit der Geschichte schulischen Lernens
und deren immer noch starke Präsenz in Form von Organisationsstrukturen und Raumqualitäten
umgegangen wird. Müssen die Strukturen zur Gänze eliminiert und neue Schulen nach dem Motto
„Lernorte ohne Erinnerung“ geschaffen werden? Oder steht die Erinnerung als zentrales Element im
Mittelpunkt der kritischen Auseinandersetzung, um „„Lernorte des Wandels“ bewusst zu konstruieren?
Der Ansatz von BROOK (1983) „Der leere Raum“ stammt zwar aus der Theaterwissenschaft, eröffnet
jedoch aus der Perspektive der konstruktivistischen Lerntheorie für die Gestaltung von Lernumgebungen
einen interessanten Zugang.
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