einen Hüter und es muss von Anfang an klar sein, was in diesem Raum passiert und was nicht.
Also dieses sture, konsequente Durchsetzen von Prozessen muss am Anfang beschrieben werden
und dann gemacht werden.“ (V6_CH_5.2 #01:09:45#)
Die Unzufriedenheit der Lehrer/innen und Schüler/innen hinsichtlich fehlender Rückzugsbereiche und
adäquater Arbeitsplätze in der österreichischen Fallstudie lässt sich auch daran ablesen, wo die Tätigkeiten,
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die für die Schule zu erledigen sind, durchgeführt werden. Aufgrund der unzureichenden Raumqualitäten
werden nämlich viele dieser Tätigkeiten von den Lehrer/innen außerhalb der Schule erledigt.
Die Prozentangaben in Tabelle 5 verdeutlichen den Unterschied zwischen der Schweizer und der
österreichischen Fallstudie. Die subjektiven Wahrnehmungen zeigen, dass die Lehrer/innen der SBW
Häuser des Lernens mehrheitlich das Gefühl haben, in der Schule alle schulrelevanten Tätigkeiten erledigen
zu können. Einzig eine Lehrerin gibt an, ihre gesamte Vorbereitung „zuhause“ zu machen. Grund dafür ist
laut der Lehrerin, dass sie sich im Lernatelier verstärkt den Schüler/innen widmen möchte und daher lieber
den Weg zur Schule bzw. den Heimweg für die Vorbereitung nützt.
Ähnliche Tendenzen weisen die Angaben der Schüler/innen der Schweizer Fallstudie auf. Der höchste
von einem Schüler angegebene Prozentsatz für schulische Tätigkeiten, die außerhalb der Schule erledigt
werden, liegt bei 30%. Grund dafür ist laut dem Schüler, dass er massive Lernschwächen kompensieren
muss und erst vor kurzem mit dem Erlernen einer neuen Sprache begonnen hat, was bedeutet, dass er
insgesamt sehr viel Zeit in das Lernen investieren muss. Dass aber die Schüler/innen in den SBW Häusern
des Lernens ansonsten ihre Hausaufgaben primär in der Schule erledigen, wird wohl daran liegen, dass dafür
in den Lernateliers Raum und Zeit zur Verfügung gestellt wird und die Schüler/innen sich nach
individuellem Bedarf im Schulgebäude aufhalten dürfen. Die SBW Häuser des Lernens entsprechen ihrer
Struktur und ihren Räumlichkeiten nach dem Konzept der Ganztagsschule. Außerdem sind sie geprägt von
einer Kultur der Offenheit und des gemeinschaftlichen Arbeitens.
Als Angebot zum selbstständigen Arbeiten außerhalb der Unterrichtszeit gibt es am Wiener Gymnasium
zum Beispiel den Oberstufenaufenthaltsraum, den die Schüler/innen auch durchaus nutzen. Sie
verdeutlichen jedoch auch, dass es - anders als in den SBW Häusern des Lernens – nach Unterrichtsschluss
nicht üblich ist, sich weiter in der Schule aufzuhalten.
Im Fall des Wiener Gymnasiums lassen sich weder bei den Schüler/innen noch bei den Lehrer/innen
eindeutigen Prioritäten hinsichtlich der Wahl ihres Arbeitsplatzes erkennen. Die diesbezüglichen
Prozentverteilungen sind sehr breit gefächert, was die Vermutung nahelegt, dass manche Personen ihre
Strategien gefunden haben, sich mit den gegebenen Räumlichkeiten zu arrangieren, andere wiederum nicht.
Manche Lehrer/innen weichen auf kleinere Räume oder leerstehende Klassenzimmer außerhalb des
überfüllten Lehrerzimmers aus. Andere wiederum brauchen einen fixen Arbeitsplatz mit Computer,
Büchern und Materialien, der so in der Schule nicht verfügbar ist.
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Subjektive Einschätzung zur V
Verteilung schulischer Tätigkeiten,
die in der Schule (S) oder extern (EX) erledigt werden (in Prozent)
Lehrer/innen CH
Lehrer/innen Ö
Schüler/innen CH
Schüler/innen Ö
S
EX S EX S EX S EX
60
40 80 20 100 0 40 60
0
100 30 70 90 10 40 60
100
0 30 70 90 10 60 40
90
10 50 50 90 10 60 40
80
20 40 60 80 20 70 30
100
0 40 60 100 0 40 60
10 90 70 30 25 75
80 20
Tabelle 5: Subjektive Einschätzung des zeitlichen Aufwandes für schulische Tätigkeiten, differenziert nach Erledigungen in der
Schule oder extern in Prozent (eigene Darstellung 2013 basierend auf den Interviews Frage 1.3)
Kontext Individualisierung
Die unterschiedlichen Funktionsräume in der Schweizer Fallstudie sind jeweils auf die optimale
Umsetzung einer bestimmten Sozialform ausgerichtet. Mit diesen vielfältigen Optionen an Raumqualitäten
können Lehr-/Lernprozesse adäquater individualisiert und differenziert werden.
Aus der fachdidaktischen Perspektive der GW wäre es zur Sicherung nachhaltiger Bildungsbemühungen
notwendig, einen Schritt weiter zu denken und die beschriebenen Funktionsräume der SBW Häuser des
Lernens mit dem Departmentsystem zu kombinieren. Denn es würden damit nicht nur Räume für
unterschiedliche Sozialformen bereitgestellt, sondern es könnten
auch fachspezifische Aspekte bei der
Gestaltung von Lernräumen berücksichtigt werden. In jedem Fall ist es wichtig, die Raumqualitäten im
Kontext individualisierter Lehr-/Lernprozesse zu reflektieren, wie das Zitat eines Lehrers des Wiener
Gymnasiums verdeutlicht. An diesem Standort müssen für individualisiertes Lehren und Lernen verstärkt
improvisierte Maßnahmen gesetzt werden, da die Klassenzimmer im Prinzip ausschließlich für die
Sozialform des Frontalunterrichts konzipiert sind.
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ZUSAMMENHANG RAUMORGANISATION UND INDIVIDUALISIERUNG
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