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In Hof und Garten
(Nach Annette von Droste-Hulshoff: „Bei uns zu Lande a u f dem
Lande")
Der Morgen war so schon! Nachtigallen rechts und links antworte- 
ten sich so schmettemd aus dem bluhenden Gestrauch und Hagen, dab 
ich um fiinf Uhr im engsten Sinne des Wortes davon geweckt worden 
bin und es mir unmoglich war, wieder einzuschlafen. Ich habe bis 
zum Friihstiick mich in den Anlagen umhergetrieben, um und die 
erste Bltite an des Herm neuester Iris mit einem profanen Auge zu 
erblicken. Es war in diesen Tagen viel Rede und Erwartung wegen 
dieser Blume aus des Herm Fabrik, die mir nur etwas tiefer blau 
scheint als die gewohnliche Schwertlilie. Die Blume sah so reizend 
genug aus, dab ich glaubte, nie etwas Lieblicheres gesehen zu haben. 
Der feuchte Boden ist dem Blumenwuchs und den Singvogeln so 
zutraglich, dab man in der schonen Jahreszeit von Dtiften, Farbe 
und Gesang berauscht vergibt. Ich mub der Seltsamkeit wegen 
anerkennen, dab mir ganz poetisch zumute war. Ich setzte mich 
auf eine Bank und zog ein paar Gedichtc von Wilhelm hervor. Die 
Fraulein Anna hatte mir gestem abend mit verschmitztem Laeheln 
und ein wenig errotend diese Gedichte zugesteckt. Irre ich nicht, so 
ruhen ihre dunkeln Augen zuweilen mit einer Teilnahme auf dem 
jungen Dichter. Also ein Dichter ist der Wilhelm!
Tch verstand es nach seinen verklarten Blicken, wenn wir am 
Weiher stehen und die Schwane durch den glitzemden Sonnenspiegel 
segeln. Die Verse sind auf schlechtes Konzeptpapier geschrieben, 
haufig durchstrichen und gewib nicht ffir das Auge des Frauleins 
bestimmt. Doch habe ich die Verse zulesen. Der junge Mensch hat 
wirtlich Talent!
Beim Heimzuge fand ich den Rentmeister Friese in Hemdarmeln 
am Bmnnen vor dem Nebengebaude, eiffig bemiiht, seine Stuben- 
fenster mit Hilfe eines Strohwisches und endloser Wassergiisse zu 
saubem; seine Glatze glanzte wie frischer Speck, und ich horte ihn 
schon auf dreibig Schritt stohnen wie ein dampfiges Pferd. Er sah 
mich nicht, und so konnte ich den wunderlichen Mann mit Mube 
in seinem Neglige betrachten. Friese ist ein redlicher Mann und ein 
guter Spekulant, der mit allem, was als unbrauchbar verdammt ist: 
Lumpen, Knochen, verloschten Kohlen, rostigen Nageln, den weiben
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Blattem an vcrworfenen Briefen, Handel treibt und sich im Verlauf 
von dreiBig Jahren ein hubsches randes Summchen sparte. Seine 
Kammer ist niemandem zuganglich ais seinen Handelsfreunden und 
dem Neffen Wilhelm; er fegt sie selber, macht sein Bett selber, 
die reine Wasche muB ihm ans Tiirschlofi gehangt werden. Ich bat 
um ein paar geschnittene Fedcm; er wurde doch blutrot und zog 
sich wie ein Krebs der Tiire zu. Ich war aber nachdriicklich und 
er suchte nach einem Fcderbunde, dann, in verdriefilicher Eile nach 
einem Federmesser — es war nicht da. Ais Herr Friese in ein anderes 
Zimmer gang, warf ich schnell meine Augen umher und hob leise 
den Zipfel der blauen Miitze. Ich erblickte auch beschriebene Hefte 
in den verschiedensten Formaten, offenbar Memoiren: „Heute hat der 
lutherische Herr wieder einc ganze Flasche Franzwcin getrunken, das 
Fafi a 48 Taler ist fast leer“. — Ich stand steif wie eine Schildwache; 
denn Herr Friese trat herein, und ich machte mich dann bald davon. 
„So ein alter Narr!“, dachtc ich und meidete seitdem diesen Menschen.