Chryssoula Ranoutsaki
Ludwig-Maximilians-Universität, Institut für Byzantinistik,
Byzantinische Kunstgeschichte und Neogräzistik, Munich, Germany;
ranoutsaki@lrz.uni-muenchen.de
Das kretische Kloster Balsamonero im Strom kulturellen Austauschs
zwischen Byzanz und dem Westen im Spätmittelalter
Als relevante Quelle zum Verständnis byzantinischer Kultur stellt die Byzantinische
Kunstgeschichte und Archäologie Objekte in den Fokus, die bei Weitem nicht nur als Werke
frommen Schaffens betrachtet und interpretiert werden. Insbesondere bei der Deutung von
Schlüsselmonumenten, an denen kritische Reflexionen und rege Wechselwirkungen zwischen der
byzantinischen und ihren Nachbarkulturen ablesbar sind, zeigt sich ein vielschichtiges Bild.
Kaum ins Blickfeld einer fundierten Untersuchung gerückt ist beispielsweise das Phanourios-
Kloster Balsamonero, das in Zentralkreta, an den südlichen Ausläufern des Ida-Gebirges gelegen
ist. Als bedeutende Bildungseinrichtung mit nachweisbarer Bautätigkeit und qualitätsvollen
Wandgemälden wurde die Anlage in den vergangenen Jahrzehnten vom 13. Ephorate of Byzantine
Antiquities (Greek Ministry of Culture) aufwändig restauriert.
Das Kloster wurde innerhalb von hundert Jahren von etwa 1330 bis 1450 in mehreren
Etappen errichtet und mit Fresken ausgemalt. Der Gebäudekomplex besteht aus vier Bauteilen.
Der älteste Raum ist das heutige Nordschiff, das im frühen 14. Jahrhundert erbaut, freskiert und
der Muttergottes geweiht wurde. Das südliche Kirchenschiff ist Johannes dem Täufer geweiht und
entstand nach dem Umbau von 1406/07. Seine Ausmalung dürfte um 1428 vollendet gewesen sein.
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In den darauffolgenden Jahren wurde die Kirche nach Westen durch das Phanourios-Schiff und den
Narthex erweitert. 1431 wurden die Dekorationsarbeiten im Phanourios-Schiff, zwei Jahrzehnte
später jene im Narthex vollzogen.
Mit Genehmigung des Griechischen Kultusministeriums verfolgt das vorliegende, schwer-
punktmäßig mit der Analyse und Interpretation der Freskenbilder befasste Projekt einen formäs-
thetischen und einen bildprogrammatisch-ikonologischen Ansatz, in dem der byzantinische und
der westlich-italienische Bildungskontext als Referenzgrößen dienen.
Hier ist zunächst auf den Aspekt der vielseitig gebildeten und auch als Schreiber tätigen Mön-
che des Klosters und der damit verbundenen Klosterbibliothek hinzuweisen. Daran anknüpfend
stellt sich die Frage nach den ideenprägenden Tendenzen von Stiftern und Auftraggebern und nach
ihrer Objektplanung sowie nach der möglichen Umsetzung von theologisch-philosophischem Ge-
dankengut in der Kirchenausstattung. Ein weiterer Anknüpfungspunkt ist, dass sich sowohl vor
als auch nach der Entschärfung der konfessionellen Konflikte zwischen Venezianern und Kretern
gegen Ende des 15. Jahrhunderts die kulturelle Wechselwirkung als eine spannende Konstellation
erweist, die gute Rahmenbedingungen für interessante Gegenüberstellungen liefert. Einen vierten,
für die vorliegende Fragestellung zentralen Anlass bietet der Kult des „neu erscheinenden“ Heiligen
Phanourios, der in Balsamonero gepflegt wurde.
Im Hinblick auf die komplexen Bildprogramme der Anlage gilt es, die kunst- und kulturhisto-
rische Position von Balsamonero innerhalb Kretas zu präzisieren und die wechselnde Abhängigkeit
zwischen byzantinisch-kretischen und westlich-venezianischen Kunstleistungen aufzuzeigen.
Eine gesonderte Betrachtung erfordern die Bildthemen, die Ideen aus dem Wirkungskreis des
Hesychasmus zum Ausdruck bringen. Diese Spiritualitätsform führte im 14. Jahrhundert zu schweren
Auseinandersetzungen unter byzantinischen Intellektuellen und erregte bei westlichen Kritikern
stärksten Anstoß. In einem parallelen Arbeitsschritt werden die in großer Anzahl erhaltenen, an
verschiedenen Stellen des Kircheninneren angebrachten Inschriften untersucht und deren Bezug zu
den bildlichen Darstellungen sowie zur asketischen Kommunität des Ortes erschlossen.
Das Projekt umfasst zentrale Forschungstendenzen der gegenwärtigen Byzantinischen
Kunstgeschichte. Es will darüber hinaus aber auch einen Beitrag zu dem fächerübergreifenden
Diskurs um den Zusammenhang und Übergang zwischen Mittelalter und Neuzeit und speziell um
die Deutungsmuster von Kulturkontakt und Kulturkonflikt im mediterranen Raum leisten.
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