Im Westen nichts Neues / На Западном фронте без перемен. Книга для чтения на немецком языке



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Im Westen nichts Neues На Западном фронте без перемен Книга для

* * *
Man kann das nicht niederschreiben. Diese bebende, schluchzende Frau, die
mich schüttelt und mich anschreit: »Weshalb lebst du denn, wenn er tot ist!«, die
mich mit Tränen überströmt und ruft: »Weshalb seid ihr überhaupt da, Kinder,
wie ihr – «, die in einen Stuhl sinkt und weint: »Hast du ihn gesehen? Hast du
ihn noch gesehen? Wie starb er?«
Ich sage ihr, dass er einen Schuss ins Herz erhalten hat und gleich tot war.
Sie sieht mich an, sie zweifelt: »Du lügst. Ich weiß es besser. Ich habe gefühlt,
wie schwer er gestorben ist. Ich habe seine Stimme gehört, seine Angst habe ich
nachts gespürt, – sag die Wahrheit, ich will es wissen, ich muss es wissen.«
»Nein«, sage ich, »ich war neben ihm. Er war sofort tot.« Sie bittet mich
leise: »Sag es mir. Du musst es. Ich weiß, du willst mich damit trösten, aber
siehst du nicht, dass du mich schlimmer quälst, als wenn du die Wahrheit sagst?
Ich kann die Ungewissheit nicht ertragen, sag mir, wie es war, und wenn es noch
so furchtbar ist. Es ist immer noch besser, als was ich sonst denken muss.«
Ich werde es nie sagen, eher kann sie aus mir Hackfleisch machen. Ich
bemitleide sie, aber sie kommt mir auch ein wenig dumm vor. Sie soll sich doch
zufrieden geben, Kemmerich bleibt tot, ob sie es weiß oder nicht. Wenn man so
viele Tote gesehen hat, kann man so viel Schmerz um einen einzigen nicht mehr
recht begreifen. So sage ich etwas ungeduldig: »Er war sofort tot. Er hat es gar
nicht gefühlt. Sein Gesicht war ganz ruhig.«
Sie schweigt. Dann fragt sie langsam: »Kannst du das beschwören?«
»Ja.«
»Bei allem, was dir heilig ist?«
Ach Gott, was ist mir schon heilig; – so was wechselt ja schnell bei uns.


»Ja, er war sofort tot.«
»Willst du selbst nicht wiederkommen, wenn es nicht wahr ist?«
»Ich will nicht wiederkommen, wenn er nicht sofort tot war.«
Ich würde noch wer weiß was auf mich nehmen. Aber sie scheint mir zu
glauben. Sie stöhnt und weint lange. Ich soll erzählen, wie es war, und erfinde
eine Geschichte, an die ich jetzt beinahe selbst glaube.
Als ich gehe, küsst sie mich und schenkt mir ein Bild von ihm. Er lehnt
darauf in seiner Rekrutenuniform an einem runden Tisch, dessen Beine aus
ungeschälten Birkenästen bestehen. Dahinter ist ein Wald gemalt als Kulisse.
Auf dem Tisch steht ein Bierseidel.
* * *
Es ist der letzte Abend zu Hause. Alle sind schweigsam. Ich gehe früh zu
Bett, ich fasse die Kissen an, ich drücke sie an mich und lege den Kopf hinein.
Wer weiß, ob ich je wieder so in einem Federbett liegen werde!
Meine Mutter kommt spät noch in mein Zimmer. Sie glaubt, dass ich
schlafe, und ich stelle mich auch so. Zu sprechen, wach miteinander zu sein, ist
zu schwer.
Sie sitzt fast bis zum Morgen, obschon sie Schmerzen hat und sich
manchmal krümmt. Endlich kann ich es nicht mehr aushaken, ich tue, als
erwachte ich.
»Geh schlafen, Mutter, du erkältest dich hier.«
Sie sagt: »Schlafen kann ich noch genug später.«
Ich richte mich auf. »Es geht ja nicht sofort ins Feld, Mutter. Ich muss doch
erst vier Wochen ins Barackenlager. Von dort komme ich vielleicht einen
Sonntag noch herüber.«
Sie schweigt. Dann fragt sie leise: »Fürchtest du dich sehr?«
»Nein, Mutter.«
»Ich wollte dir noch sagen: Nimm dich vor den Frauen in acht* in
Frankreich. Sie sind schlecht dort.«
Ach Mutter, Mutter! Für dich bin ich ein Kind, – warum kann ich nicht den
Kopf in deinen Schoß legen und weinen? Warum muss ich immer der Stärkere
und der Gefasstere sein, ich möchte doch auch einmal weinen und getröstet
werden, ich bin doch wirklich nicht viel mehr als ein Kind, im Schrank hängen
noch meine kurzen Knabenhosen, – es ist doch erst so wenig Zeit her, warum ist
es denn vorbei?
So ruhig ich kann, sage ich: »Wo wir liegen, da sind keine Frauen, Mutter.«


»Und sei recht vorsichtig dort im Felde, Paul.«
Ach Mutter, Mutter! Warum nehme ich dich nicht in meine Arme, und wir
sterben. Was sind wir doch für arme Hunde!
»Ja, Mutter, das will ich sein.«
»Ich werde jeden Tag für dich beten, Paul.«
Ach Mutter, Mutter! Lass uns aufstehen und fortgehen, zurück durch die
Jahre, bis all dies Elend nicht mehr auf uns liegt, zurück zu dir und mir allein,
Mutter!
»Vielleicht kannst du einen Posten bekommen, der nicht so gefährlich ist.«
»Ja, Mutter, vielleicht komme ich in die Küche, das kann wohl sein.«
»Nimm ihn ja an, wenn die andern auch reden – «
»Darum kümmere ich mich nicht, Mutter – «
Sie seufzt. Ihr Gesicht ist ein weißer Schein im Dunkel. »Nun musst du
schlafen gehen, Mutter.«
Sie antwortet nicht. Ich stehe auf und lege ihr meine Decke über die
Schultern. Sie stützt sich auf meinen Arm, sie hat Schmerzen. So bringe ich sie
hinüber. Eine Weile bleibe ich noch bei ihr. »Du musst nun auch gesund werden,
Mutter, bis ich wiederkomme.«
»Ja ja, mein Kind.«
»Ihr dürft mir nicht eure Sachen schicken, Mutter. Wir haben draußen
genug zu essen. Ihr könnt es hier besser brauchen.«
Wie arm sie in ihrem Bette liegt, sie, die mich liebt, mehr als alles. Als ich
schon gehen will, sagt sie hastig: »Ich habe dir noch zwei Unterhosen besorgt.
Es ist gute Wolle. Sie werden warm halten. Du musst nicht vergessen, sie dir
einzupacken.«
Ach Mutter, ich weiß, was dich diese beiden Unterhosen gekostet haben an
Herumstehen und Laufen und Betteln! Ach Mutter, Mutter, wie kann man es
begreifen, dass ich weg muss von dir, wer hat denn anders ein Recht auf mich
als du. Noch sitze ich hier, und du liegst dort, wir müssen uns so vieles sagen,
aber wir werden es nie können.
»Gute Nacht, Mutter.«
»Gute Nacht, mein Kind.«
Das Zimmer ist dunkel. Der Atem meiner Mutter geht darin hin und her.
Dazwischen tickt die Uhr. Draußen vor den Fenstern weht es. Die Kastanien
rauschen.
Auf dem Vorplatz stolpere ich über meinen Tornister, der fertig gepackt
daliegt, weil ich morgen sehr früh fort muss.
Ich beiße in meine Kissen, ich krampfe die Fäuste um die Eisenstäbe
meines Bettes. Ich hätte nie hierherkommen dürfen. Ich war gleichgültig und oft


hoffnungslos draußen; – ich werde es nie mehr so sein können. Ich war ein
Soldat, und nun bin ich nichts mehr als Schmerz um mich, um meine Mutter, um
alles, was so trostlos und ohne Ende ist. Ich hätte nie auf Urlaub fahren dürfen.



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