Bis ins 1. Jahrhundert v. Chr. markierte im iranischen Hochland die Sommersonnenwende den Jahreswechsel, der mit großenErntefesten begangen wurde. Unter den Achämeniden (etwa 770 bis 300 v. Chr.) wurde die Frühlings-Tagundnachtgleiche zum offiziellen Jahresbeginn. Bei den iranischen Völkern in Iran, Tadschikistan und Afghanistan wird dieser Zeitpunkt bis heute von Astronomen auf die Stunde und Minute genau berechnet. An diesem Tag wurde die Charadsch-Steuer erhoben. Die Tradition des Neujahrsfestes hat sich bis heute erhalten und bis nach Ostafrika ausgebreitet.
Eine der bekanntesten Versionen zur Entstehung des Neujahrsfestes hat der persische Dichter Firdausi (um 940 bis 1020/1026) in seinem Schāhnāme(„Königsbuch“) festgehalten. Firdausi legt die Einsetzung des Neujahrsfestes Nouruz in die Regierungszeit von Dschamschid. Dschamschid war der vierte König aus dem Geschlecht der Kayaniden. Er gebot über alle Bestien, Dämonen und Engel. Er war König und gleichzeitig oberster Priester des Ormozd (mittelpersisch fürAhura Mazda). Firdausi schreibt über Dschamschid:
„Da saß, wie die glänzende Sonn' auf der Luft,
Der Schah, der kein Gebot widerruft.
Juwelen ihm streuend standen sie,
den Tag Neujahrtag nannten sie.
Jahranfang, Hormus des Ferwedin
War's, als die Freude der Welt erschien.
...
Aus jenen Tagen solch froher Tag
Blieb uns von jenem Fürsten nach.“
– Firdausi[3] Bei den Parsen in Indien heißt dieser Tag daher immer noch Dschamschēd-i Nawrōz.
Nouruz auf den Toupchaneh-Platz in Teheran 2013 mit Hajji Firuz-Figur und Puppen mit iranischen Trachten
In Persien war der Tag über die Jahrhunderte der wichtigste weltliche Feiertag, aber auch in den kurdischen Provinzen desOsmanischen Reiches galt er als gesetzlicher Feiertag. Er wurde als großes Volksfest begangen, bei dem Reiterspiele stattfanden und sich die Menschen auf Plätzen und in den Straßen versammelten, Feuer anzündeten und sich gegenseitig mit Wasser bespritzten. Zu Zeiten der Achämeniden war an Nouruz die Bevölkerung für eine gewisse Zeit nicht mehr steuerpflichtig. Der Tag war aber auch aus ganz anderen Gründen wichtig. Denn an Nouruz kamen Vertreter der unterworfenen Völker nach Persien und brachten dem persischen König Geschenke.
Nach der Islamisierung Persiens wurde Nouruz an unterschiedlichen Tagen begangen. Zunächst lag Nouruz auf dem 18. Juni. Der Kalif al-Mutawakkil verlegte den Tag auf den 17. und al-Mu'tadid auf den 11. Juni. Bei einer Kalenderreform unter demSeldschukenherrscher Malik Schah I. wurde Nouruz im Jahre 1079 auf den 15. März festgelegt. Heute wird Nouruz am 20. oder 21. März gefeiert.
Nouruz im Iran
Im Iran und bei den Kurden hat sich bis heute sein Charakter als Übergangsritual erhalten. Zur Vorbereitung auf den neuen Lebensabschnitt werden neue Kleider angezogen und als Zeichen für das Winterende werden Lagerfeuer angezündet, über die gesprungen wird und um die herum vor allem die Jungen tanzen und singen. Die Frauen bereiten ein Festessen vor und gemeinsam gehen Verwandte und Freunde in einen Park oder zu einem Ausflugsort. Manchmal wird eine Musikkapelle engagiert, meistens ziehen die Musiker von einer Versammlung zur nächsten und spielen je nach Geschmack traditionelle,politische oder Liebeslieder.
Mit der Verbreitung nationalistischer Ideen im 20. Jahrhundert erhielt das Fest bei den Kurden eine stärkere politische Bedeutung. Sie feiern das Neujahr am 21. März als Symbol des in der iranischen Mythologie überlieferten erfolgreichen Widerstandes gegen Unterdrückung. Im Zentrum dieser Vorstellung stehen die Legenden um den Tyrannen Zohak (Dahak, Dahaq) und seinen Bezwinger, den Schmied Kaveh. Gemeinsam mit der Bevölkerung zog Kaveh los und erschlug Zohak. Aus Freude entfachten die Menschen ein Feuer, das die Nachricht im ganzen Land verbreitete. Dies hat sich der Überlieferung nach im Jahr 612 v. Chr. zugetragen. Historisch korrespondiert dieses Jahr mit dem Sieg der Meder über die Assyrer bei Ninive. In einer ebenfalls gängigen Form wird die Legende zum Ursprungsmythoserweitert.
Eine politische und nationalistische Bedeutung kommt dem Nouruz-Fest ebenfalls im Iran zu, wo seitens der Bevölkerung ein konstanter Widerstand gegen Versuche des islamischen Klerus geleistet wurde, die Bedeutung dieses auf die vorislamische iranische Geschichte zurückgehenden Festes zu relativieren, dessen Rituale, so z. B. das Tschahar Schanb-e Suri („Mittwochsfeuer“), zu verbieten oder dies beispielsweise durch den Besuch der Friedhöfe am ersten Nouruz-Tag mit Trauerzeremonien zu koppeln.
In der Türkei[4] und in Syrien waren die Nevruz-Feiern jahrzehntelang verboten.
Im Bahai-Kalender ist Nouruz (Naw-Ruz) einer von neun Feiertagen, er markiert den Beginn des neuen Jahres und das Ende der neunzehntägigen Fastenzeit derBahai.
Seit dem letzten Jahrhundert hat sich Nouruz weit über den Iran, die Türkei, den Irak, Syrien und Zentralasien verbreitet. Außerdem feiern heute Menschen Nouruz inRussland und auf dem Balkan. Jedes Land hat seine spezifische Schreibweise und Aussprache des Begriffs „Nouruz“.